Karl-Martin Hentschel zu neuen Kormoran-Gutachten
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Stellv. Pressesprecher Dr. Jörg Nickel Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Kormoran-Gutachten Mobil: 0178/28 49 591 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de widersprechen den Internet: www.sh.gruene-fraktion.deBerechnungen des Ministeriums Nr. 075.06 / 07.02.06Die Grüne Landtagsfraktion hat von der Landesregierung eine Antwort auf eine Kleine Anfrage zu möglichen Schäden durch Kormorane bekommen (Drucksache 16/488). Uns liegen hierzu zwei weitere gutachterliche Stellungnahmen vor, die die Berechnungen des MLUR in Frage stellen. Dazu erklärt der umweltpolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Karl-Martin Hentschel:Beide Untersuchungen bestätigen die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig von 1993, dass ein wirtschaftlicher Schaden der Fischerei durch Kormorane nicht nachzuweisen ist. Aber selbst wenn das Ministerium recht hätte und ein Schaden nachweisbar wäre, würde dies bestenfalls eine Einzelgenehmigung zur Vergrämung von Kormoranen an einzelnen Standorten rechtfertigen. Eine flächendeckende Vergrämung fast im gesamten Binnenland und an vielen Küstenstandorten ist nicht verhältnismäßig und damit rechtswidrig.Ich fordere deshalb die Regierungsfraktionen auf, zu verhindern, dass eine flächende- ckende Freigabe des Kormorans zur Vergrämung und Bejagung durch die Landesregie- rung beschlossen wird. Sollte dies dennoch geschehen, dann erwarte ich von den Frakti- onen, durch eine Verfassungsänderung oder durch die Bereitstellung von Leihstimmen im Parlament sicher zu stellen, dass eine rechtliche Überprüfung der Verordnung möglich wird.Zu den gutachterlichen Stellungnahmen: Die Überprüfung der Schadensmodellberech- nungen des Ministeriums durch die beiden Experten Bernd Struwe-Juhl und Fritz Hey- demann hat übereinstimmend ergeben, dass die Modellrechnungen des Ministeriums nicht haltbar sind.Die wesentlichen übereinstimmenden Ergebnisse sind: Nur eine der sechs Modellrech- nungen (Modell 3) des Ministeriums basiert auf Zahlen, die wissenschaftlichen Ansprü- chen genügen.1/12 Der Schaden ist auch bei Modell 3 überhöht berechnet, da in erheblichem Umfang Fischarten berechnet werden, die gar nicht verkauft werden können. Die Modellrechung geht davon aus, dass die im Binnenland brütenden Kormorane nur im Binnenland fres- sen. Sie jagen aber nachweislich auch im Meer.Die vom Kormoranen gefangenen Fische werden vom Ministerium eins zu eins als Ver- lust der Fischer angesetzt. Die Gutachter gehen dagegen davon aus, dass ein großer Anteil der von Kormoranen gefangenen Fische ansonsten von anderen Arten (Vögeln, Säugetieren, Raubfischen) gefangen worden wäre oder durch Parasiten, Krankheiten oder aus anderen Gründe gestorben wäre, bevor sie die für die Fischerei nötige Größe erreicht hätten.Außerdem landen von den ausgewachsenen Fischen höchstens ein Drittel im Netz, wäh- rend das Ministerium so rechnet, als würden die Fischer die Seen zu 100 Prozent leer fi- schen.Bernd Struwe-Juhl kommt deshalb zu dem Ergebnis: „Es kann deshalb davon ausge- gangen werden, dass sich die Fangquote und der Ertrag der Binnenfischerei selbst dann nur unwesentlich verbessern würden, wenn der Kormoran in Schleswig-Holstein wieder ausgerottet würde.“Fritz Heydemann kommt zu dem Ergebnis, dass der Fang von Jung-, Klein- und Weißfi- schen durch Kormorane sogar einen wirtschaftlichen Nutzen bringt, der die geringen Fangverluste der Fischer von 1 bis 2 Prozent kompensiert, da diese sonst die Kleinfische selbst abfischen müssten, wie es früher der Fall war.Anhänge: Gutachten von Bernd Struwe-Juhl, Uni Kiel Gutachten von Fritz Heydemann, NABU Schleswig-Holstein *** Bernd Struwe-Juhl 27. Januar 2006 bstruwe-juhl@zoologie.uni-kiel.de Bewertung der „Modellrechnungen“ des ALR zum fischereiwirtschaftlichen Schaden durch Kormorane in Schleswig-Holstein.Von den sechs Modellrechnungen sind vier zur Abschätzung möglicher aktueller fi- schereiwirtschaftlicher Schäden durch Kormorane in Schleswig-Holstein ungeeignet, weil die zu Grunde gelegten Daten über die Nahrungszusammensetzung des Kormo- rans entweder - nicht aus Schleswig-Holstein stammen (Untersuchungen zur Entwicklung der Fi- scherei im Land Brandenburg unter Beachtung der Kormoranbestände und Entwick- lung eines Monitorings) (Modellrechnungen 1 und 2), - oder weit zurück liegen (WORTHMANN & SPRATTE (1987): Nahrungsuntersuchun- gen am Kormoran (Phalacrocorax carbo). Die Auswirkungen des Kormorans auf die schleswig-holsteinische Binnenfischerei. Gutachten des Landesfischereiamtes Kiel.) (Modellrechnungen 5 und 6). Begründung: - zu Punkt 1 bedarf es keiner weiteren Erläuterung. - zu Punkt 2: In den achtziger Jahren war das Kormoranvorkommen in Schleswig- Holstein deutlich geringer als gegenwärtig. Die Vögel jagten an allen Gewässern einzeln auf größere Fische. Erst mit dem Anwachsen der Bestände gingen die Kormorane in den neunziger Jahren auch auf den großen Seen in Schleswig- Holstein zur Gemeinschaftsjagd über. Gegenwärtig jagt der weit überwiegende Teil der Kormorane auf den Binnengewässern in großen Verbänden (am Großen Plöner See z.B. in einer Truppgröße von bis zu 3.000 Vögeln) auf Kleinfischschwärme. Nur sehr wenige Vögel jagen einzeln auf zumeist kleineren Gewässern auf größere Fi- sche, darunter auch Aale. Ein Abbild der Nahrungszusammensetzung aller an Bin- nengewässern jagenden Kormorane können deshalb nur aktuelle Analysen von Speiballen liefern, die an den Schlafplätzen aufgesammelt wurden, wo Schwarm- und Einzeljäger von den verschiedenen Gewässern gemeinsam nächtigen.Es bleiben also die beiden Modellrechnungen auf der Basis der aktuellen Speiballen- analysen vom Heidensee, dem zentralen Kormoran-Schlafplatz in der Plöner Seenplat- te (Modellrechnungen 3 und 4). Von diesen beiden scheidet die Modellrechnung 4 aus, bei der ein täglicher Nahrungs- bedarf von 522 – 707 g zu Grunde gelegt wird, weil die Untersuchungen, die diese Nah- rungsmengen ergeben haben (zitiert in CARSS et al. 1997), an überwinternden Vögeln gemacht worden sind. In den von CARSS et al. (1997) zitierten Arbeiten werden für brütende Vögel 251 g, für Vögel mit kleinen Küken 334 g und für Vögel mit großen Jungen 621 g als täglicher Nahrungsbedarf angegeben. Dem entspricht die in der Mo- dellrechnung 3 angenommene tägliche Nahrungsmenge von 300 g außerhalb der Brut- zeit und 500 g während der Brutzeit weitgehend. Im weiteren Fortgang der Modellrechnungen wird dann von den kleinen Schwarmfi- schen, (das sind v.a. junge Weißfische und Flussbarsche, Kaulbarsch und Stint), aus denen die Kormorannahrung nach den Speiballenanalysen zu 60 % besteht, die Hälfte (30 %) als „Satzfische“ mit 1,30 €/kg (Großhandelspreis) bzw. sogar 4,20 €/kg (Direkt- vermarktung) in Ansatz gebracht. Man fragt sich, in welches Gewässer diese Fische gesetzt werden sollen, denn aufgrund der hohen Reproduktionsleistung und der Eutrophierung sind die Jungfischbestände dieser Arten bereits natürlicherweise und ohne Besatzmaßnahmen in den fischereiwirtschaftlich genutzten Gewässern so zahl- reich, dass sie ein Problem für die Fischerei darstellen (Verbuttung) und das Abfi- schen der Weißfische mancherorts sogar subventioniert worden ist. In diesem Sinne hat sich auch das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht in Schleswig in der Verwaltungsrechtssache 1 L 321/91 – 1 A 113/90 geäußert und bereits 1993 festgestellt: „Allein die Menge gefressener Fische ist nicht aussagekräftig für die Feststellung von fischereiwirtschaftlichen Schäden, weil ... Kormorane zum überwie- genden Teil Weißfische fressen, die zum einen in großer Anzahl – wohl wegen der Eutrophierung der Gewässer - vorhanden sind und zum anderen der Mensch meidet.“ Weiter führt das Gericht aus: „Nicht der Kormoran bestimmt den Umfang des Fischbe- standes, sondern der Fischbestand bestimmt die Häufigkeit des Auftretens des Kor- morans“. Abzüglich der „Satzfische“ entsprechen die von Kormoranen den schleswig- holsteinischen Binnengewässern entnommenen Fische bei Zugrundelegung der ange- führten Großhandelspreise einem Wert von ca. 200.000 €. Ein Schaden in dieser Höhe würde der Fischerei aber nur entstehen, wenn diese Fi- sche ohne Kormoranverzehr zu 100 % gefangen worden wären. Davon kann jedoch keineswegs ausgegangen werden, da diese Fische ebenso von den zahlreichen ande- ren fischverzehrenden Arten einschließlich Raubfischen hätten erbeutet werden oder durch Parasiten, Krankheiten oder auch eines natürlichen Todes hätten sterben kön- nen (kompensatorische Mortalität). Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass die Fangquote und der Ertrag der Binnenfischerei sich selbst dann nur unwe- sentlich verbessern würden, wenn der Kormoran in Schleswig-Holstein wieder ausge- rottet würde.Zusammenfassende Bewertung Aufgrund fragwürdiger oder falscher Annahmen sind die „Modellrechnungen“ des ALR nicht geeignet, die Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit der geplanten Verordnung zu belegen. Aus den Ergebnissen der Ornithologischen Begleituntersuchungen zum Kormoran von KIECKBUSCH & KOOP (verschiedene Jahre) und anderen wissen- schaftlichen Untersuchungen zum Energie- und Nahrungsbedarf des Kormorans läßt sich ein erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schaden gem. § 43 BNatSchG durch Kormorane auf den (natürlichen) Binnengewässern Schleswig-Holsteins nicht ablei- ten. Fritz Heydemann 30. Januar 2006 NABU Schleswig-Holstein Gutachterliche Stellungnahme zu den „Modellrechnungen zum fischereiwirtschaftlichen Schaden des Kormorans in Schleswig-Holstein“ in der Anla- ge der Antwort des MLUR auf die kleine Anfrage des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel (Bündnis 90/Die Grü- nen) – Drucksache 16/488.Als Anlage zur Antwort der Landesregierung) auf die Kleine Anfrage des MdL K.-M. Hentschel (Bündnis 90 / Die Grünen), Landtagsdrucksache 16 / 488 v. 11.1.2006, hat das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MLUR) sechs verschiedene Modellrechnungen vorgelegt, mit denen es die postulierten Kor- moranfraßschäden in Form von der Binnenfischerei entstandenen Umsatzverlusten in einer angeblichen Band- breite von 16 bis 69 % zu belegen versucht. Die Modellrechnungen basieren auf Daten zu Nahrungsspektrum (Fischarten, -anteile), Nahrungsbedarf (pro Tag) und Binnenlandbeständen (Brut- und Rastbestand, zusammen- gefasst in `Kormorantagen´) des Kormorans sowie auf Vermarktungspreisen für die betroffenen Fischarten und Daten zu Gesamtfang und –umsatz der Binnenfischerei. Die auf den Kormoran bezogenen Daten entstammen mehreren Publikationen, die Fischpreiskalkulation hat die Fischereiverwaltung selbst erhoben.Die Modellrechnungen unterliegen mehreren gravierenden Fehlern, die zu einer massiven Überschätzung der den Fischereibetrieben zugeschriebenen Umsatzverlusten geführt haben.Für die folgende kritische Stellungnahme sind die vom MLUR zur Grundlage gewählten Gutachten sowie ande- re herangezogen und im Text erwähnt worden (in Klammern: Kennzeichnungskürzel):KIECKBUSCH, J. & B. KOOP (2004): Ornithologische Begleituntersuchungen zum Kormoran; erstellt im Auftrag des MLUR Schleswig-Holstein (K & K 2004) KNÖSCHE, R. (2003): Agrarstrukturelle Entwicklungsplanung „Binnenfischerei Schleswig- Holstein“; erstellt im Auftrag des Verbands der Binnenfischer und Teichwirte in Schleswig-Holstein (K 2003) KNÖSCHE, R. et al. (2005): Untersuchungen zur Entwicklung der Fischerei im Land Brandenburg unter Beachtung der Kormoranbestände und Entwicklung eines Monitorings; hrsg. v. Ministerium f. Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz Brandenburg (K 2005) SCHUBERT, C. & M. NEUMANN (1991): Schäden in der Binnenfischerei durch Kormorane – Kritische Bewertung des Gutachtens des Landesfischereiamtes (Worthmann & Spratte 1987); erstellt im Auftrag des Landesamtes f. Naturschutz u. Landschaftspflege Schleswig-Holstein (S & N 1991) WORTHMANN, H. & S. SPRATTE (1987): Nahrungsuntersuchungen am Kormoran - Die Auswirkungen der Kormorane auf die schleswig-holsteinische Binnenfischerei; erstellt im Auftrag des Fischereiamtes Schleswig-Holstein (W & S 1987) 1. Berechnungsgrundlage `Kormorantage´ Der Aufbau der Modellrechnungen auf die Summe sogenannter Kormorantage ist korrekt. Die tatsächliche, d.h. durch Zählungen an den Schlaf- und Brutplätzen des Binnenlandes ermittelte Zahl von Anwesenheitstagen der Kormorane ergibt eine brauchbare Arbeitsgrundlage.Wenn daraus aber ausschließlich die aus Binnengewässern abgeschöpfte Nahrungsmenge errechnet werden soll, wären die Kormorantage abzuziehen, an denen die Vögel nicht Binnengewässer, sondern Küstengewässer zur Nahrungsaufnahme aufsuchen. Die betrifft einen nicht unerheblichen Teil der am Selenter See, Passader See, Wittensee und in der Schaalseelandschaft rastenden Vögel, die von dort regelmäßig zur Ostseeküste fliegen. Sehr grob geschätzt wäre dies etwa ein Viertel der Kormoranrasttage, das von der Gesamtsumme der Kormoran- tage abzuziehen wäre. Die Zahl der hiervon betroffenen Kormorantage wäre sicherlich mit Hilfe der Gutachter J. Kieckbusch und B. Koop zu ermitteln gewesen.2. Nahrungsbedarf Der tägliche Nahrungsbedarf der bei uns vorkommenden Unterart des Kormorans Phalacrocorax carbo sinensis wird inzwischen übereinstimmend mit ca. 300 g angegeben, wie es den Modellrechnungen 1, 3 und 5 richtiger- weise zugrunde gelegt wird. Die Angabe von 500 g / Tag pro Vogel innerhalb einer angenommenen Brutzeit von 3 Monaten (d.h. einschließlich der von den Altvögeln zu versorgenden Jungvögeln) beruht auf einer Schät- zung, dürfte aber ungefähr richtig sein. Demzufolge ist der aus beiden Werten gebildete Mittelwert von 0,35 kg pro Kormorantag schlüssig.Die in den Modellrechnungen 2, 4 und 6 angenommenen Durchschnittswerte von 614 g / Tag (vom MLUR aus CARSS et al. (1997) abgeleitet) sind jedoch völlig überhöht. Sie können sich allenfalls auf Fütterungsversuche unter unnatürlichen Bedingungen, herausragende Einzelproben bzw. (aber auch nicht in dieser Größenordnung!) auf die deutlich schwerere atlantische Form Phalacrocorax carbo carbo beziehen. Eine tägliche Nahrungsauf- nahme von 614 g würde selbst bei dieser Unterart mehr als 20 % des Körpergewichts entsprechen; bei eiweiß- und fettreicher Nahrung wie Fisch sind aber Durchschnittswerte von deutlich über 10 % des Körpergewichts un- realistisch, wie Nahrungsmengenvergleiche mit anderen, sich von Kleinsäugern, Vögeln oder Fisch ernährenden Vogelarten zeigen. Selbst die vom MLUR für seine Berechnungen herangezogene brandenburgische Studie be- zeichnet die „für Europa benannten Bandbreiten“ als „nicht vergleichbar“ (K 2005, S. 49). Die Daten von CARSS et al. sind, wie in der zugehörigen Tabelle (K 2005, S. 48) zu erkennen ist, Extremwerte.REICHHOLF (1990) nimmt aufgrund von Untersuchungen von an bayrischen Seen überwinternden Kormora- nen einen täglichen Nahrungsbedarf von nur etwa 150 g an, wobei allerdings lange, energiezehrende Flüge die- sen Wert erhöhen. Wenn das MLUR jedoch Daten am oberen Ende der Skala als Berechnungsgrundlage vor- sieht, hätte es ebenso diesen extrem niedrigen Wert mit einbeziehen müssen.Der durchschnittliche Nahrungsbedarf (und damit der Energiebedarf) ist vom Energiegehalt der erbeuteten Fi- sche abhängig. Bezogen auf den sehr fett- und energiereichen Aal, der mit Abstand für den Fischereiertrag wertvollste Fisch, ist demzufolge eine Tagesration von 140 g ausreichend. Dies deckt sich mit den Angaben von KIECKBUSCH & KOOP (1996), die durchschnittlich 180 g Aal (ohne anderen Fischanteil) in den Mägen er- legter Kormorane festgestellt haben. Da die Prozentangaben von K & K 2004 zu den Fischanteilen keine Ge- wichtsanteile, sondern die Stetigkeit wiedergeben, ist die bezüglich des Aals geringere Tagesfraßmenge für die Berechnung der Aalverluste von elementarer Bedeutung. Das MLUR hätte also in seinen finanziellen Berech- nungen zum kormoranbedingten Ertragsausfall beim Aal nicht von 300 g (Brutzeit 500 g, gemittelt 350 g) bzw. gar von 614 g / Tag ausgehen dürfen, sondern von 180 g.3. Methodik der Nahrungszusammensetzungsanalyse Zur Bewertung der in 2004 durch Kormorane an schleswig-holsteinischen Binnengewässern verursachten Fischentnahme über Nahrungsanalysen sollten nur Daten verwendet werden, die sowohl dem Zeitraum als auch der geografischen Situation entsprechen und die nicht als Momentaufnahme zu verstehen sind, sondern über mehrjährige Erfassung sowie genügend große Probenmenge als fundiert betrachtet werden können. Dieser An- spruch ist an wissenschaftliches Arbeiten zu stellen. Vor diesem Hintergrund wären nur die Daten von K & K 2004 verwendbar.Die von W & S 1987 in den Modellrechnungen 5 und 6 verwendeten Nahrungsanalysen beziehen sich zwar auf die Plöner Seenplatte, sind aber 20 Jahre alt. Sie stammen damit aus einer Zeit, als die Kormoranbestände in ih- rem Verhältnis von Brut- und Rastbeständen, der Gewässerfrequentierung etc. völlig anders zusammengesetzt waren. Mitte der 1980er Jahre war die Schwarmjagd als Beutefangstrategie längst nicht so ausgeprägt wie heute, was sich in dem damals gegenüber heute erheblich höheren Anteil größerer Fische widerspiegelt. (Von einzeln fischenden Vögeln werden eher größere Fische erbeutet, während in großen Trupps jagende Kormorane aus- schließlich Schwärme von Jung- bzw. Kleinfischen verfolgen.) Zudem werden W & S gravierende methodische Fehler bei der Nahrungsanalyse und deren Hochrechnung angelastet (siehe Gutachten S & N 1991).Mit dem Phänomen der Schwarmjagd scheint sich aber auch die aktuellere brandenburgische Studie K 2005, he- rangezogen für die Modellrechnungen 1 und 2, nicht auseinander gesetzt zu haben. Überdies sind die Verhält- nisse Brandenburgs bezüglich Gewässer, Fischbestände und fischereilicher Nutzung nicht von vornherein auf schleswig-holsteinische Verhältnisse zu übertragen. Zudem ist die in K 2005 versuchte Quantifizierung der Fischartenanteile methodisch problematisch, da der Stichprobenumfang zu gering ist, wie dort selbst erkannt worden ist (S. 55): „Eine Mittelwertbildung der Ergebnisse über die beiden Methoden Speiballen- und Magen- analyse ist nicht möglich. Insgesamt stellt der geringe Stichprobenumfang ein wesentliches Problem dar. Dar- über hinaus sind an dieser Stelle zwischen den Ergebnissen extreme gewässerabhängige Unterschiede festzu- stellen.“ Leider ignoriert K 2005 jedoch diesen Grundsatz, indem selbst auf äußerst geringem Probenumfang be- ruhende Daten (Magenanalysen) mit anderen in gleicher Relation vermengt werden, um „Annahmen zu treffen“ (S. 55). Wie methodisch fragwürdig dieses Vorgehen ist, offenbart die Aussage zur Quantifizierung des Aalan- teils (S. 55): „Für den Aal wird ein Biomasseanteil an der Beute des Kormorans von 13 % angenommen. Dieser Wert entspricht näherungsweise dem Maximum der in Brandenburg in Speiballenanalysen festgestellten Antei- le.“ Verallgemeinert wissen will K 2005 diese Angabe jedoch nicht, in dem er feststellt, „dass der hier ange- nommene Anteil des Aals mit einer Ausnahme deutlich über den in anderen Regionen Deutschlands oder ande- ren europäischen Ländern festgestellten liegt“ (S. 55). Auch bezüglich der anderen in den Modellrechnungen 1 und 2 angeführten Fischarten operiert K 2005 nach eigenem Bekenntnis sehr spekulativ, führt dafür die „gerin- ge Anzahl untersuchter Gewässer“ an und deklariert dringend weiteren Forschungsbedarf (S. 57). – Dennoch hat das MLUR die tabellarisch (S. 58) gelisteten Werte aus K 2005 in gerundeter Form übernommen.4. Fangausfall Ein weiterer schwerwiegender Fehler der Modellrechnungen des MLUR ist die Annahme, dass jeder vom Kor- moran gefressene Fisch einem Fangverlust (und damit einem Ertragsverlust) gleichzusetzen ist. Diese Glei- chung ist völlig inakzeptabel, weil sie wesentliche auf Fangertrag und Fischereierlös einwirkende Faktoren au- ßer acht lässt:- Natürliche Mortalität bis zur Fangreife (hier ohne Berücksichtigung eines besonderen Fraßdrucks durch Kormorane als zusätzlicher Mortalitätsfaktor). Nach S & N 1991 (Tabelle S. 22) beträgt die natürliche Sterblichkeit des Aals bereits allein in den drei Lebensjahren zwischen der Altersklasse, die dem Durchschnittsgewicht eines vom Kormoran erbeuteten Aals von 140 g entspricht (ca. 6 Jahre) und der Altersklasse, bei der mit 300 g der Fischereifang beginnt (ca. 9 Jahre) insgesamt ungefähr 25 %. (Die in ihrem Zeitbezug nicht näher bestimmte Mortalitätsrate von nur 3 %, wie sie K 2005, S. 90, angibt, ist irreal.) - Bei den anderen Fischarten (Flussbarsch, Plötze) dürfte die Mortalitätsrate mindestens ebenso hoch sein.- Natürliche Kompensation der Fraßverluste. Fischbestandsreduktionen werden vor dem Hintergrund, dass die Nahrungsressourcen des Gewässers (und damit auch die Konkurrenz um diese) den wesentlichen Populationssteuerungsfaktor darstellen, durch verstärktes Wachstum der verbliebenen Exemplare und Reproduktion insbesondere bei raschwüchsigen und reproduktionsstarken Arten teilweise ausgeglichen.- Fangrate der Fischerei. Die seitens des MLUR dargelegten Rechnungen suggerieren, dass - ohne Kormoraneinfluss – sämtliche fangreifen Exemplare im Netz des Fischers landen würden. Das ist falsch und gilt selbst für den intensiv befischten Aal nicht, der im Blankaalstadium aus den Binnenseen zur Reproduktion abzuwandern versucht. Eine vollständige Entnahme aller marktfähigen Aale würde bedeuten, die entsprechende Population komplett der Fortpflanzung zu entziehen. – K 2005 (S. 90) geht bei seinen Berechnungen der kormoranbedingten Aalverluste fiktiv davon aus, dass von 145 g schweren (Durchschnittsgewicht der Kormoranbeute nach K 2005) Aalen nur ca. 35 % mit ihrem späteren Stückgewicht von 300 g (untere Grenze der Fangreife nach K 2005) von den Fischern gefangen werden. – Bei den anderen, weniger oder gar nicht marktgängigen Binnenfischarten (Barsch, Weißfische) ist die Fangintensität – und damit auch der Fang großer Exemplare in Relation zu deren Bestand – als deutlich geringer anzunehmen.5. Monetäre Bewertung der kormoranbedingten Fischverluste Die im Papier des MLUR erfolgte monetäre Inwertsetzung der von Kormoranen verursachten Fischverluste ist überhöht bis völlig unglaubwürdig:- Aal: Der vom MLUR mit € 12,50 / kg angegebene Großhandelspreis liegt an dessen oberen Limit. K 2005 gibt € 10,- / kg an (S. 91); eigene Ermittlungen haben Preise zwischen € 9,- und € 11,50 /kg ergeben.- Barsch: Die bei den Nahrungsanalysen als „groß“ angegebenen Barsche wogen um 200 g, das größte festgestellte Exemplar 330 g. Die Bezeichnung „groß“ bei K & K 2004 (u.a.J.) ist deswegen erfolgt, um diese Größenklasse von den in den Kormoranspeiballen massenhaft festgestellten kleinen Jungbarschen zu differenzieren ( KOOP mündl.). In dieser Größenordnung ist der Flussbarsch jedoch keineswegs marktfähig. Nur sehr große, zur Zubereitung von Filet geeignete Flussbarsche besitzen einen realen Marktwert. Zwar setzt K 2005 für den Flussbarsch einen Großhandelswert von € 3,50 an (S. 91) und führt ihn mit 19 % als die am meisten vom Kormoran erbeutete Art auf (S. 58). Doch in seiner Gegenüberstellung der potentiellen fischereilichen Ertragssituation sowohl mit als auch ohne Kormoraneinfluss (Tabelle S. 91) werden diese Barschverluste konsequenterweise nicht monetär eingerechnet. – Die Angaben des MLUR zum Großhandelspreis von € 4,70 und Einzelhandelspreis von € 7,10 pro kg Barsch sind also in keiner Weise situationsgerecht.- Plötze (Rotauge): In den Modellrechnungen 3 und 4 werden für „große Plötze“ Preise von € 1,30 (Großhandel) und € 2,50 / kg (Einzelhandel) genannt. Das ist realitätsfern. Wie beim Barsch (s.o.) sind auch die von Kormoranen erbeuteten „großen Plötze“ nur um die 200 g schwer. Aber selbst größere Plötze sind nur äußerst eingeschränkt vermarktungsfähig. - Die Fachliteratur empfiehlt für eutrophe Gewässer, zu denen fast alle schleswig-holsteinischen Seen zählen, einhellig das Abfischen großer Mengen Plötze und anderer Weißfische, um diese aus fischereiökologischen Gründen den Gewässern zu entziehen (sogenanntes Hegefischen zur Gewässerentlastung). Dabei entsteht den Fischern jedoch das Problem der Entsorgung dieser Fischmengen. Aus einem Verkauf lassen sich allenfalls die Unkosten erzielen, nicht aber ein Gewinn. – Angesichts dessen ist es mehr als befremdlich, wenn das MLUR für „19.533 kg große Plötze“ sogar noch einen Absatz zum Einzelhandelspreis (€ 2,50 / kg, insgesamt € 48.833,-) kalkuliert, anstatt die Entnahme dieses `Fischunkrauts´ (Fischereijargon) durch die Kormorane als deren `Gratisleistung´ positiv zu bewerten.- `Satzfische´: Ebenso wenig glaubhaft ist die Darstellung von jungen Barschen und Plötzen als „Satzfische“ (Modellrechnungen 3 und 4) mit einem Großhandelspreis von € 1,30 / kg bzw. einem Einzelhandelspreis von € 4,20 / kg, wobei hieraus astronomische Verluste von € 63.483,- bzw. € 205.098,- vorgerechnet werden. Verschwiegen wird, dass in der Fachliteratur von einem Besatz mit eben gerade diesen beiden Fischarten abgeraten wird. So heißt es in BÖTTGER, T. ( 2003): Die Hege von Fischen in Schleswig-Holstein, zur Plötze: „Vom Besatz ist dringend abzuraten“ (S. 94) und zum Flussbarsch: „Aufgrund der momentanen Bestandssituation und der guten Verbreitungsmöglichkeiten (Pionierart) ist Besatz mit Flussbarschen unnötig“ (S. 101). – Nach § 13 Abs. 3 Landesfischereigesetz wäre ein Besatz offener Gewässer (dazu zählen alle natürlich entstandenen Seen) grundsätzlich nur in Ausnahmesituationen (z.B. Fischsterben) und für bestimmte Arten zulässig. Jungfische von Barsch und Plötze sind als Besatzmaterial also höchstens im Einzelfall für Angelteiche (`Forellenfutter´) zu veräußern.- Weitere Arten: Die in den Modellrechnungen 5 und 6 angeführten Fische Maräne und Quappe spielen als Kormoranbeute keine Rolle (mehr), wie die Nahrungsanalysen von KIECKBUSCH & KOOP der letzten Jahre zeigen. Die hier aus W & S 1987 (Erhebungen von 1985 und 1986) entnommenen Fraßdaten sind nicht mehr aktuell. Beide Arten sowie Hecht und Zander werden nur noch selten in den Speiballen nachgewiesen und sind dabei statistisch irrelevant.6. Erlössituation der Binnenfischerei Die in den Rechenbeispielen als Grundlage für die angegeben Umsatzeinbußen dargestellte Erlössituation der Binnenfischerei, berechnet über deren Gesamtfang, ist anzuzweifeln, da der Gesamtfang auf nicht nachprüfba- ren Angaben der Fischereibetriebe beruht. Selbst K 2003 hat in seiner Studie zur Binnenfischerei Schleswig- Holsteins Zweifel an den Angaben der Fischereibetriebe geäußert, wenn auch verhalten, was angesichts des Auftraggebers (Verband der Binnenfischer und Teichwirte) auch nicht verwunderlich ist: „Im Vergleich zur mündlichen Befragung zum Fang 2001 lagen die der Behörde durchschnittlich gemeldeten Aalfänge im Durch- schnitt der 15 auswertbaren Unternehmen bei 83 % mit Schwankungen zwischen 30 und 157 %“ (S. 33). Ob auch diese Angaben auf solider Basis beruhen, dürfte sehr fraglich sein: Sie erfolgten „leider meist aus dem Gedächtnis“ (S. 33). Es darf angenommen werden, dass gerade Betrieb mit hohen Fangerlösen, die diese nicht vollständig in die offizielle Statistik haben einfließen lassen, auch bei einer gutachterlichen Befragung nicht die realen Mengen bzw. Verkaufserlöse angeben wollen oder auch nicht können (weil nicht vollständig aufgezeich- net). Das geflügelte Wort: `Der Aal ist so glatt, der rutscht durch jede Statistik.´ existiert schließlich nicht ohne Grundlage.Folglich sind die vom MLUR berechneten Umsatzeinbußen von 16 bis 69 % allein schon vor diesem Hinter- grund in Frage zu stellen.7. Limnoökologische Aspekte In der Darstellung des MLUR völlig unberücksichtigt gelassen werden die positiv – und zwar auch ökonomisch positiv - auf das Ökosystem der Seen wirkenden Einflüsse des Kormorans. Kormorane und andere Fischfresser entziehen mit den erbeuteten Fischen den Gewässern durchaus relevante Nährstoffmengen. Weil eutrophe Ge- wässer wegen ihrer hohen Produktivität von Kormoranen am intensivsten frequentiert werden, tragen sie damit nicht unerheblich zu deren Deeutrophierung bei.Weiterhin führt die Entnahme großer Mengen an Zooplankton fressenden Jung-, Klein- und Weißfischen zu ei- ner Verbesserung der Lichtdurchlässigkeit eutrophierter Seen, weil damit die sich von Phytoplankton (das die Gewässertrübung bewirkt) ernährenden Daphnien (Wasserflöhe) als wesentlicher Bestandteil des Zooplanktons stark gefördert, d.h. vom Wegfraß durch Fische verschont werden. Mit der Menge der Daphnien erhöht sich de- ren Filtrierleistung, wodurch die Sichttiefe im Gewässer steigt. Aus diesem Grund wird in der Angewandten Gewässerökologie in bestimmten Fällen der Wegfang von großen Mengen planktivorer Fische als Methode der Seensanierung empfohlen. Diese Aufgabe wird hier von Kormoranen übernommen, wodurch eine künstliche Biomanipulation ersetzt wird.Die positiven Auswirkungen der Deeutrophierung reichen von verbesserten Wachstumsbedingungen für die Un- terwasservegetation (Makrophyten) bis zu einer gesteigerten Attraktivität als Bade- und Wassersportgewässer. Hieraus ergibt sich ein bedeutender volkswirtschaftlicher Nutzen, der sich nicht nur unmittelbar auf das Staats- ziel Umweltschutz, sondern auch auf regionale wirtschaftliche Aspekte positiv auswirkt und der von der Fische- rei postulierten Schadwirkung des Kormorans auch in wirtschaftlich-finanziellen Berechnungen entgegen zu halten ist. Diese Sichtweise vertritt auch das OVG Schleswig (Urteil v. 22.7.1993). Gegenrechnung auf Grundlage o.g. genannter Faktoren Für eine möglichst realistische Abschätzung der durch Kormorane verursachten Umsatzeinbußen eignen sich als Basis nur die Nahrungsbedarfsschätzungen gemäß K 2005 (Mittelwert 0,35 kg / Tag) und die Nahrungsanalysen von K & K 2004, wie sie sich in Modellrechnung 3 wiederfinden. Die weiteren Daten auch der Modellrechnung 3 sind jedoch vor oben beschriebenem Hintergrund nicht haltbar. Um zumindest eine vage Abschätzung der Umsatzeinbußen zu ermöglichen, bedürfen diese Daten deshalb der Korrektur.Die monetäre Schadensbemessung kann sich dabei nur auf den Aal beziehen. Bezüglich der anderen Fischarten ist ein relevanter fischereiwirtschaftlicher Schaden nicht anzunehmen (siehe Anm. 5).Doch auch bei der in Modell 3 zugrunde gelegten Aalverlustmenge von 3.256 kg sind Abzüge vorzunehmen Dass sich diese selbst bei zurückhaltendem Ansatz der Werte und ohne Berücksichtigung sämtlicher vermin- dernd wirkender Faktoren gravierend auf die Bilanz auswirken, belegt folgende Rechnung:- Mortalität und nicht vollständiger Wiederfang (siehe Anm. 4) erfordern einen Abzug von konservativ geschätzten 20 % (= 651 kg). Es verbleiben 2.605 kg.- Die Aaltagesfraßration ist fälschlicherweise mit der für die anderen Fischarten geltenden Gewichtsangabe gleichgesetzt worden, obwohl sie nur ungefähr die Hälfte dessen beträgt (siehe Anm. 2). Damit sind nochmals ca. 40 % abzuziehen, so dass noch 1.565 kg Aal als geschätzter Kormoranfraß pro Jahr verbleiben.Nach der Preisermittlung des MLUR (€ 12,50 / kg Aal, Großhandelspreis) würde sich daraus eine Umsatzein- buße von € 19.562 in 2004 ergeben. Bei einem wohl realistischerem Großhandelspreis von € 11,- / kg Aal (siehe Anm. 5) würde ein Verlust von € 17.215 resultieren. Das MLUR behauptet dagegen einen Gesamtwert kormo- ranbedingter Umsatzeinbußen von € 267.279 (Basis Großhandelspreise), indem es fälschlicherweise nicht nur wirtschaftlich unbedeutende, teilweise sogar abträgliche Fische in monetären Wert setzt, sondern auch die den Kormoranen zugeschriebenen Aalverluste um gut die Hälfte zu hoch bemisst.Geht man dagegen von einem Verkauf des kompletten Aalfangs über Selbstvermarktung (Einzelhandelshan- delspreisangabe des MLUR: € 16,70 / kg) aus (was unrealistisch ist), würde der Umsatzverlust € 26.135 betra- gen. Eher tragfähig wäre es, für den Aalumsatz Großhandels- und Einzelhandelspreise jeweils hälftig anzuneh- men. Daraus würde eine Umsatzeinbuße von € 21.674 resultieren. Das MLUR hat also selbst in Modellrechnung 3 den den Kormoranen zugeschriebenen fischereilichen Gesamt- schaden um mindestens (Ansatz: Mischpreis zwischen Groß- und Einzelhandelserlös von insgesamt € 21.674) das 12-fache zu hoch angesetzt. Dabei ist die aberwitzige Rechnung des MLUR, selbst für Satzfische und Plötze den Gesamtfang mit Einzelhandelspreisen zu bewerten, noch gar nicht berücksichtigt worden. – Die Umsatzein- bußen liegen folglich nicht bei 16,6 % (und schon gar nicht bei 68,7 %, wie Modellrechnung 6 weismachen will), sondern bei 1,4 %.Unbeachtet geblieben ist weiterhin, dass es sich hierbei um Umsatzeinbußen, nicht um Nettoverluste handelt. Dies ist v.a. im Hinblick auf den kostenträchtigen Einzelhandel zu beachten.Maßnahmen zur Verfolgung des Kormorans können nur auf Basis von § 43 Abs. 8 Bundesnaturschutzgesetz er- folgen. § 43 Abs. 8 BNatSchG fordert jedoch den Nachweis, dass diese Maßnahmen „zur Abwendung erhebli- cher ... fischereiwirtschaftlicher ... gemeinwirtschaftlicher Schäden ... erforderlich“ sind. Damit wäre nicht nur der Schaden für die Betriebe, sondern auch ein möglicher `Gewinn´ für die Allgemeinheit als volkswirtschaftli- che Dimension zu bilanzieren (siehe auch OVG Schleswig v. 22.7.1993).Demzufolge wäre den fischereilichen Einbußen die durch Kormorane erfolgte Entnahme von Jung-, Klein- und Weißfischen als positiver ökologischer Effekt (siehe Anm. 7) gegenüber zu stellen. Es ist zwar grundsätzlich problematisch, ökologische Leistungen anhand ihres Kostenfaktors zu bewerten. Unter diesem Vorbehalt könnte als monetärer Bemessungsansatz hierfür die in Brandenburg gezahlte staatliche Prämie von € 0,30 herangezogen werden. Dieser Betrag wäre gem. Modellrechnung 3 auf die Einheiten „große Plötze“ (19.533 kg) und „Satzfi- sche“ (48.833 kg) mit zu beziehen. Bei deren Gesamtgewicht von 68.366 kg ergibt sich eine Summe von € 20.509. Da die in Modellrechnung 3 angeführten „Fischanteile in der Nahrung“ zusammen nur 62 % der Kor- moranfraßmenge umfassen, wäre nach der Zusammensetzung der restlichen 38 % zu fragen. Dieses sind nach K & K 2004 Kaulbarsche und Binnenstinte, beides Kleinfische ohne wirtschaftliche Bedeutung, aber relevant als Zooplanktonfresser. Ihre Entnahme dürfte also ebenfalls ökologisch und volkswirtschaftlich positiv zu bilanzie- ren sein. Deren Fischmasse dürfte in etwa der für „Satzfische“ angegebenen entsprechen (vergleichbar in Fisch- größe und –massenanteil). Da für das Abfischen dieser Kleinfische in der Literatur keine finanzielle Bezugsgrö- ße zu finden gewesen ist, wird auf eine monetäre Bewertung verzichtet, obwohl sie unter dem Aspekt des Ge- meinnutzes durchaus sinnvoll wäre.Vor dem Hintergrund des Anspruchs von § 43 Abs. 8 BNatSchG wäre als gemeinwirtschaftliche Bilanzierung einer durch Aalverluste verursachten Umsatzeinbuße der schleswig-holsteinischen Binnenfischerei in Höhe von € 26.135 ein ökologischer Gewinn in Höhe von € 20.509 gegenüber zu stellen.Fazit Selbst im Fall der – unberechtigten - Annahme, den ökologischen Gewinn außen vor lassen zu können und sich ausschließlich auf die betrieblichen Verluste konzentrieren zu müssen, gerechtfertigt ein Umsatzverlust von ca. € 26.000 bzw. 1 – 2 % eine Verfolgung des Kormorans in keiner Weise.