Lars Harms zu TOP 43 - Perspektiven für die Westküste
Presseinformation Kiel, den 11.11.2005 Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 43 Perspektiven für die Westküste Drs. 16/344Gleich der erste Satz im Bericht macht einen schon stutzig. Da steht geschrieben, dass nunnicht mehr nur die Kreise Dithmarschen und Nordfriesland die Westküste bilden, sondern dassneuerdings auch der Kreis Steinburg zur Westküste gehören soll. Für diese Ausweitung derWestküste nach Süden kann es zwei Gründe geben.Erstens an der eigentlichen Westküste war so wenig los, dass man gerne auch noch einigeHighlights aus dem Hamburger Rand in den Bericht mit hinein nehmen wollte. Schließlich istdie Region um Itzehoe herum eine von der Nähe zu Hamburg geprägte Region und hatdadurch wesentlich bessere Entwicklungsmöglichkeiten als die Westküste. So lässt sich derBericht schönfärben und man kann sich dann zurücklehnen und sagen: „Alles ist gut!“ oder„Mehr brauchen wir nicht!“.Der zweite Grund für die Verschiebung nach Süden könnte sein, dass die Landesregierungversucht, auch die Förderung für die Region weiter nach Süden zu verlegen. Wir kennen dieseVorgehensweise schon aus der Vergangenheit. Das damalige Regionalprogramm für den 2Landesteil Schleswig wurde auch nach und nach auf weitere Regionen ausgeweitet, mit demEffekt, dass natürlich für den Norden später weniger überblieb. Das Gleiche könnte uns nunauch für die Westküste drohen.Möglicherweise ist die Vernachlässigung des Windkraftstandortes Husum erst der Vorboteeiner noch viel schlimmeren Entwicklung für Nordfriesland und die Westküste. Auf Seite 18 desBerichtes kann jedenfalls jeder noch einmal nachlesen, dass die bisherige Region und damitdas Fördergebiet „Westküste“ die Kreise Nordfriesland, Dithmarschen und die GemeindeBüttel und Helgoland umfasst haben. An dieser Definition wird der SSW festhalten, denn eskann nicht sein, dass die Förderung der Westküste auf Umwegen durch die Landesregierungweiter ausgedünnt wird.Aber auch auf einem anderen Feld wird deutlich, dass die wohlfeilen Ankündigungen aus demWahlkampf und aus den ersten Regierungstagen nun langsam wieder zurückgeholt werden.Die A 20 sollte noch schneller gebaut werden, hieß es. Ich erinnere daran, dass die alte Landes-regierung vorgesehen hatte, die Planfeststellung bis 2010 komplett abgeschlossen zu habenund, dass dann bis schnellstens 2012 die A 20 bis zur Elbquerung fertig gestellt sein sollte. DerHerr Ankündigungsminister Austermann hatte gesagt, dass dies wesentlich schneller gehenkönne und müsse. Und die Landesregierung werde nun die Welt verändern. Planungszeitensollten verkürzt werden, Bürokratie abgebaut werden und alles viel schneller administriertwerden. Jetzt können wir nachlesen, dass genau die Planung der alten Landesregierung auchdie der neuen Landesregierung ist. So falsch hat man also auch damals schon nicht gelegenund Planungsverfahren lassen sich eben doch nicht per „Ordre de Mufti“ so einfach verkürzen.Sei´s drum. Es geht hier trotzdem darum, so schnell wie möglich voran zu kommen. Was imBericht aber fehlt, ist eine Aussage darüber, wie denn nun die eigentliche westliche Elbque- 3rung finanziert wird. Wie der dortige Planungsstand ist und ab wann mit dem Querungsbau-werk zu rechnen ist. Weiter gibt es keine Aussagen darüber, wie nun auf niedersächsischerSeite weiter verfahren wird.Während also die Landesregierung das alte Planungsverfahren im Bericht noch einmal aufrolltund zugeben muss, eben doch nicht schneller sein zu können, fehlen Angaben zu genau denFragen, die sie selber mit beeinflussen kann und die nicht schon durch die Vorarbeit der altenRegierung in Fahrt gekommen ist. Das ist, mit Verlaub gesagt, sehr wenig. Zumal wir ständigAnkündigungen hören, dass die Fehmarn-Belt-Querung kommt oder dass sinnlose Flughäfengebaut werden sollen. Statt die Energie in die Ankündigung solcher Luftschlösser und Presti-geobjekte zu investieren, sollte die Landesregierung lieber die Projekte, die für die Menschenin unserem Land wirklich wichtig sind, vorantreiben und das Parlament und die Bürgerinnenund Bürger hierüber informieren.Diese Information der Bürgerinnen und Bürger kann nämlich auch dazu führen, dass das eineoder andere Mal gute Vorschläge gemacht werden. Diese Vorschläge müssen dann aber auchaufgegriffen werden. Ich sage dies deshalb, weil es immer noch hartnäckige Bürgerinnen undBürger in den Gemeinden Hattstedt und Hattstedter Marsch gibt, die in Bezug auf die Linien-führung der zukünftigen B 5 einen Wunsch haben, dem bisher nicht nachgekommen wordenist. Da hat die Verwaltung ständig abgeblockt, obwohl das Natur-Projekt „Jelstrom“ sinnvollund nachhaltig ist und sich ohne Probleme und nennenswerte Zeitverzögerungen auchumsetzen lässt. Voraussetzung wäre, dass hier die Landesregierung einwilligt, die Trasse derneuen B 5 um ein paar Meter zu verschieben, damit ein Projekt, dass von den beiden Gemein-den, ihren Bürgerinnen und Bürgern, den örtlichen Initiativen und den regionalen und überre-gionalen Naturschutzverbänden unterstützt und positiv gesehen wird, durchgeführt werdenkann. Dieses Projekt kann als ein gutes Beispiel für das Nebeneinander und Füreinander von 4Umwelt- und Naturschutz auf der einen Seite und wirtschaftlicher und verkehrlicher Entwick-lung auf der anderen Seite stehen. Auch das ist Entwicklung für die Westküste. Es ist selten,dass sich alle vor Ort und darüber hinaus über eine Initiative einig sind. Hier ist man es unddeshalb sollte die Landesregierung diese Initiative auch unterstützen.Ich möchte nun aber noch auf einige Einzelheiten des Berichtes eingehen, die mir wichtigerscheinen. In der Tat hat der Tourismus für die Westküste eine herausragende Bedeutungund hier hat sich in den letzten Jahren wirklich viel getan. Und, dass dieser Weg weiter be-schritten werden soll, ist begrüßenswert. Wenn es um die reine Förderung von Projekten geht,ist es mir wichtig immer wieder darauf hinzuweisen, dass auch hier die Investitionen in dieInfrastruktur ausschlaggebend sind. Das heißt, dass es nicht immer nur die hochmodernenund innovativen technischen Projekte sind, die viel versprechend sind, sondern eben auchgerade die Renovierung der Kurpromenade oder auch der Bau eines Holzsteges durch dieDünen. Diese im ersten Moment nicht so attraktiven Projekte müssen mit gleicher Chancegefördert werden, wie manches technische Meisterwerk an anderer Stelle. Es geht hier alsoum Chancengleichheit in der Förderung.In Zusammenhang mit Chancengleichheit habe ich mich gewundert, dass bei der Aufzählungder Orte, die an der Städtebauförderung teilhaben, nicht auch das Stadtdenkmal Friedrich-stadt genannt ist. Seit Jahren bemüht sich die Stadt Friedrichstadt um Fördermittel, um ihreAltstadt in Schuss zu halten. Wenn ich nun im Bericht lese, dass Städte und Orte Förderungerhalten, um die touristische Attraktivität zu steigern und um den Stadtkern zu revitalisieren,so muss ich feststellen, dass beides auch für Friedrichstadt dringend notwendig ist. Friedrich-stadt ist ein touristischer Anziehungspunkt an der Westküste. Ein solcher Anziehungspunktbleibt es aber nur, wenn die Stadt auch wirklich in ihrer Substanz erhalten bleibt. Und gerade 5diese Substanz ist gefährdet, so dass es sich auch aus gesamt-touristischer Sicht wirklich lohnt,hier einen besonderen Einsatz zu leisten.Wir haben schon an verschiedener Stelle deutlich auf den Zusammenhang von Tourismus undNaturschutz hingewiesen. Dies ist natürlich an der Westküste am augenfälligsten. National-park, Nationalpark-Service, Multimar-Wattforum, naturkundliche Führungen im Watt und aufdem Festland, Schutzgebiete und Vertragsnaturschutz und vieles mehr tragen auch gerade zurtouristischen Infrastruktur bei, die Einkommen in der Region sichert. Wir sollten die positivenWirkungen des Naturschutzes nicht unterschätzen, aber ich glaube diese Sichtweise setzt sichauch immer mehr durch. Schwieriger wird es dabei aber, wenn es um den Zusammenhang vonregionaler Kultur und Tourismus geht.Schon der Kulturwirtschaftsbericht in der letzten Legislaturperiode hat gezeigt, dass derKulturbereich ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist und die Kultur und kulturellen Angeboteauch eine Basis dafür sind, dass wir im Tourismus Einnahmen erzielen können. In anderenGegenden Europas - vorwiegend in den keltischen Regionen wie Schottland, Wales, Cornwall,Irland und der Bretagne – ist die Idee des „kulturellen Tourismus“ entstanden. Das heißt, dieLeute kommen nicht wegen speziellen Kulturangeboten in die jeweilige Region, sondern weildie Region über eine unverwechselbare, erlebbare und sichtbare Regionalkultur verfügt, dieoft ein bisschen den Reiz des Einmaligen hat. Es wird sie nicht wundern, dass ich jetzt daraufhinweise, dass wir mit der friesischen Sprache und Kultur genau ein solches unverwechselba-res Element in Nordfriesland haben, das es auch touristisch zu nutzen gilt. Voraussetzungdafür ist aber, dass dieses Kulturgut auch gefördert wird, damit es sich entfalten kann. Hierhat die Landesregierung auch eine Aufgabe, die etwas mit Entwicklung und Perspektiven fürdie Westküste zu tun hat. Neben der reinen Sprach- und Kulturförderung könnte ich mir sehrgut vorstellen, dass man einmal mit den friesischen Organisationen spricht, um herauszufin- 6den, wie man beispielsweise mit zweisprachiger Beschilderung, wie sie jetzt auf den Bahnhö-fen in Nordfriesland erfolgt ist, oder auch mit Hinweisen in Katalogen, wie es die Kurverwal-tung auf Helgoland in vorbildlicher Weise macht, auf diese regionale Besonderheit hinweist.Hier gibt es bestimmt viel mehr unkomplizierte Möglichkeiten als sich manch einer im erstenMoment denken kann, die den Menschen und der Wirtschaft nützen können.Auch für die Entwicklung der Hafenwirtschaft und die Weiterentwicklung des Windenergie-standortes Westküste stehen wichtige Entscheidungen an. Damit verbunden sind die StädteBrunsbüttel und Husum. Vorrangiges Ziel der Landesregierung ist es, den Elbehafen Brunsbüt-tel auszubauen. Das ist richtig so und muss auch dazu führen, dass die Straßenanbindung desHafens in Brunsbüttel verbessert wird.Brunsbüttel ist der überregionale Hafen Schleswig-Holsteins an der Westküste. Wir dürfenallerdings nicht außer Acht lassen, dass der Hafen Brunsbüttel im europäischen Vergleich einverschwindend kleiner Hafen ist. Der Wirtschaftsausschuss hat bei seiner Reise nach Rotter-dam einen Eindruck davon erhalten können, wie ein wirklich großer Hafen gebaut und konzi-piert ist. Damit können wir uns hier natürlich nicht vergleichen, aber die Frage, die sich stellt,ist schon, ob eine Eigenständigkeit des Hafens Brunsbüttel in einer solchen Nähe zu Hamburgüberhaupt sinnvoll ist. Überall reden wir von Kooperationen und gerade hier glaube ich,hätten wir ein Paradebeispiel für die Notwendigkeit von Kooperationen. Wir haben in Rotter-dam sehen können, wie man einen Hafen auf einer Strecke von fast 50 Kilometern übersämtliche kommunalen und regionalen Grenzen hinweg zusammengefasst hat. Auch invierzig Kilometern Entfernung von Rotterdam fährt man immer noch den Hafen Rotterdam an.Gemeinsame Vermarktung und gemeinsamer Betrieb, um noch mehr Erfolg zu haben, istdaher das Stichwort. Wir kommen über kurz oder lang nicht daran vorbei, unsere Häfen in derElbemündung auf unserer, der hamburgischen und der niedersächsischen Seite zusammenzu-legen 7Wenn aber Brunsbüttel als Industriehafen weiter ausgebaut wird, steht dem nicht entgegen,dass auch der Hafen in Husum zu einem vollständigen und leistungsfähigen Offshore-Hafenausgebaut wird. Wenn wir das nicht tun, wird dieses Geschäft nicht nach Brunsbüttel gehen,sondern wohl eher sich nach Esbjerg verlagern. Und damit werden sich auch Arbeitsplätzedorthin verlagern. Es ist deshalb falsch, wenn die Landesregierung in diesem Bericht behaup-tet, die Planungen der Husumer seien nicht tragfähig gewesen. Das sind sie bis heute noch.Was fehlt, ist der politische Wille in eine Zukunftsindustrie zu investieren. Die Landesregierunghat Recht, wenn sie auf Seite 19 feststellt: „So ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nichtklar, ob und inwieweit auch in Zukunft eine Förderung regionaler Infrastrukturprojekte vonder EU zugelassen wird. Umso mehr sollten von der Region die im Rahmen des derzeit laufen-den Regionalprogramms noch bestehenden Fördermöglichkeiten genutzt werden.“ Genau daswollen die Husumer tun, nur diese Mittel werden ihnen von der Landesregierung gestrichen.Das heißt, wenn nicht aus den Fördermitteln bis 2006 Gelder zugesagt sind, kann es sein, dassfür die Zeit nach 2006 keine Mittel mehr zur Verfügung stehen. Für Stufenlösungen undAbwarten gibt es also keine Zeit mehr. Es muss jetzt eine unternehmerische Entscheidung derLandesregierung her, ob sie in die Zukunftsindustrie Windkraft investieren will oder nicht. Unduns allen ist klar: Bei den explodierenden Energiepreisen werden gerade die erneuerbarenEnergien eine enorme Rolle spielen. Wenn wir also die Infrastruktur für diesen Wirtschafts-zweig nicht ausbauen, setzen wir hier wichtiges Know-how und Arbeitsplätze der Zukunftauf´s Spiel.