Rolf Fischer zu TOP 36: Das Land als Akteur
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 30.09.2005 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 36 – Weiterentwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit Dänemark (Drucksa- chen 16/113, 16/139 und 16/253)Rolf Fischer:Das Land als AkteurMit der neuen Region Syddanmark steht Schleswig-Holstein ein eigenständiger, neuer politischer Partner gegenüber, meint Rolf Fischer in seinem Beitrag. Daraus folge, dass auch eine neue Arbeitsteilung zwischen Landes- und Bundesebenen festgelegt werden müsse. Da Brüssel und Berlin den neuen Schwerpunkt bei der Mittelvergabe auf die neu- en europäischen Grenzregionen legen, sollte der Europa-Ausschuss eine Initiative in Richtung Bundesregierung auf den Weg bringen, um weiterhin Mittel für die grenzüber- schreitende Zusammenarbeit von Schleswig-Holstein und Syddanmark sicherzustellen. Fischer schlägt nach dem Beispiel anderer Grenzregionen eine parlamentarische politi- sche Zusammenarbeit vor in Form eines Interregionalen Gremiums, das sich aus Abge- ordneten der Landtage zusammensetzt und zur Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beiträgt.Nachfolgend die Rede im Wortlaut:Zuerst will auch ich mich für den Bericht bedanken, beim Ministerium und seinen Mitar- beitern. Und ich stelle den Dank deshalb an die erste Stelle, weil die Verfasser nicht der Versuchung erlegen sind, diesen Bericht statistisch aufzupumpen. Er ist konkret, sachori- entiert und vor allem: Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: Internet: pressestelle@spd.ltsh.de www.spd.ltsh.de SPD -2-Er bringt klar auf den Punkt, was ist – wir stehen nämlich am Beginn einer neuen Phase der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit unserem Nachbarn. Es geht um eine neue politische Qualität, um nicht mehr und nicht weniger. Wir stehen vor ei- ner Situation, die sich schon bald grundlegend verändern wird.Auch wenn der Bericht zu Recht darauf hinweist, erst die Konstituierung des Regionspar- lamentes und den Aufbau der Verwaltung abzuwarten, so besteht doch ein gewisser Zeitdruck. Wenn nämlich im Januar 2007 die neue Region Syddanmark entstanden ist, sollten wir als Schleswig-Holsteinische Partner schon eine Vorstellung unserer Ziele, un- serer Absicht haben.Wir müssen uns in den kommenden Monaten positionieren, damit auch die bei uns notwendigen Abstimmungen und Veränderungen von einer möglichst großen Mehrheit der Akteure getragen werden. Und es stehen erhebliche Veränderungen an.Carl Holst, Amtsbürgermeister in Apenrade, hat im Nordschleswiger vier Ziele genannt: - die Beziehung Kopenhagen – Berlin, - die Zuständigkeit der Region Süddänemark für die INTERREG-Projekte, - einen gemeinsamen Strategieplan für die neue Region mit Blick auf das im April 2006 beginnende Wachstumsforum sowie - eine Neudefinition der grenzüberschreitenden Kooperation.Das sind Perspektiven, die erhebliche Konsequenzen für unsere bisherige Kooperation und die Akteure haben werden. Und deshalb ist es richtig und zu begrüßen, dass der Mi- nisterpräsident dies zur Chefsache machen wird und der Europaminister eng in diesen Prozess eingebunden ist! -3-Richtig ist, dass die Landesebene, die bisher den politische Prozess im Grenzland aktiv begleitet hat, nun zu einem eigenständigen Akteur werden wird und muss, denn die neue Region Syddanmark mit 1,2 Millionen Einwohnern wird zu einem neuen eigenständigen Partner Schleswig-Holsteins, dessen Bedeutung weit über die aktuelle grenzüberschrei- tende Kooperation hinaus geht.Wir ziehen also – neben den regionalen Gremien – eine zweite politische Ebene ein; wir müssen lernen, in neuen Großregionen zu denken und zu handeln. Was bleibt in der Re- gion, was wird zwischen den beiden Landesebenen erledigt und was ist zwischen Ko- penhagen und Berlin zu leisten?Die Arbeitsteilung und die Perspektiven zwischen den Akteuren müssen aufgrund der Kompetenzveränderungen in Dänemark neu festgelegt werden, und zwar bald, denn ers- te Unsicherheiten bei hiesigen Akteuren und erste Vorschläge für neue Gremien und Rä- te liegen bereits vor; da besteht erhöhter Koordinierungsbedarf. Wie auch auf mindestens drei weiteren konkreten Bereichen aktueller Handlungsbedarf besteht:1. INTERREG, das zentrale Instrument grenzüberschreitender Finanzierung, läuft Ende 2006 aus und es ist letztlich noch nicht absehbar, wie die Fortsetzung, d.h. die Auf- teilung der Mittel, aussieht.Der Bericht verweist auf den Vorschlag der EU-Kommission, die drei bisherigen Koopera- tionsräume Sonderjylland/Schleswig, Ostholstein/Storström, KERN/Fünen, neu zu schneiden und zusammenzufassen. Damit erscheint eine stärke Einbindung des Landes in die Vergabe der Mittel naheliegend; Carl Holst hat ähnliches angesprochen. Das ist ein Problem für viele Akteure, insbesondere in Schleswig-Holstein.Auch wenn die Betroffenen hier in Schleswig-Holstein diesen Weg noch kritisch sehen, insbesondere weil sie befürchten, Zuständigkeit und Einfluss zu verlieren, weil die Sozial- -4-partner evtl. ausgeschaltet würden, so scheint mir kaum ein Weg daran vorbeizugehen, dass sich das Land stärker als bisher in die INTERREG-Vergabe einbringt.Das Gespräch des Landes mit den Betroffenen muss umgehend gesucht werden, denn wir stehen, bezogen auf die neue Antragstellung, unter einem gewissen Zeitdruck; d.h. wir benötigen ein klares INTERREG-Profil, das auch Chancen hat, an den neuen Pro- grammen beteiligt zu sein.Dies gilt auch für ein weiteres Grundsatzproblem: Brüssel und Berlin – wie noch vor we- nigen Tagen auf einer Tagung zur Nordseekooperation in Bremen wiederholt – legen den neuen Schwerpunkt bei der Mittelvergabe auf die nach der Erweiterung entstandenen neuen europäischen Grenzregionen. Das wäre ein herber Rückschlag für unsere bisheri- ge Arbeit und auch für die neuen Perspektiven – auch wir benötigen diese Mittel zur Fort- setzung unserer Arbeit, und zwar gerade weil wir vor der Neuorientierung stehen. Des- halb sollten wir im Europa-Ausschuss eine entsprechende Initiative in Richtung Bundes- hauptstadt auf den Weg bringen!2. Es ist richtig, ein ökonomisches Leitbild für die nördliche Region zu entwickeln – wie dies bereits bezogen auf den engeren Grenzraum geschieht. Die neue Region wird aber eine umfassende wirtschaftspolitische Strategie brauchen, die zwar die direkte grenzüberschreitende Wirtschaftförderung einschließt, aber auch den gesamten neuen Raum umfasst.Die neue Großregion und damit die gesamte Kooperation steht in Konkurrenz mit den er- folgreichen Regionen Malmö/Kopenhagen und mit der Metropolregion Hamburg. Deshalb ist es richtig. die vorgelegte Cluster-Analyse für Sonderjylland fortzuschreiben und anzu- passen, deshalb ist es richtig, die Schwerpunkte auf Arbeitsmarkt, Qualifikation, Kompe- tenzentwicklung, Technologie und Wissenstransfer zu legen – wie es die aktuelle Analyse -5-aus der Region Sonderjylland/Schleswig zur Wirtschaftsentwicklungsstrategie und die Ergebnisse der Danfoss-Regionalinitiative auch tun.Die Förderung des grenzüberschreitenden Arbeitsmarktes bleibt eine wichtige Säule der Zusammenarbeit mit Dänemark, und zwar in allen drei Kooperationsräumen unseres Landes und damit in der neuen Großregion; die Arbeit von EURES, GRAMARK und des „Infocenters Grenze“ sei hier besonders herausgehoben und gelobt!Danke für die große Kreativität und die erfolgreiche Arbeit! Wir sind mit mehreren Aus- schüssen demnächst im Grenzland und werden die aktuellen Fragen dort ansprechen. Insbesondere die Sprachhürde, und die drei Einrichtungen weisen darauf hin, muss ge- senkt werden, die aktuellen Meldungen über den Rückgang der deutschen und däni- schen Sprachkenntnisse sind für uns alarmierend.3. Es geht nicht nur um die ökonomische Kooperation; dies wäre zu kurz gesprun- gen. Diese neue Zusammenarbeit wird umso erfolgreicher sein, je stärker sich die Men- schen mit der Region identifizieren. Der Bericht verweist ausdrücklich darauf, dass er diese Bereiche nicht vollständig erfasst.Trotzdem eine Anmerkung: Hier kommt im Kernbereich, d.h. in der direkten grenzüber- schreitenden Arbeit, den Minderheiten eine besondere Rolle zu. Es ist gelungen, die Mit- sprache und den politischen Einfluss der deutschen Minderheit im Rahmen der däni- schen Reform zu sichern, trotzdem sage ich: Die Minderheitenpolitik, wie sie dieser Land- tag seit langer Zeit praktiziert, wird ihren Stellenwert deshalb erhöhen, weil sie eine politi- sche Querschnittsaufgabe bleibt, die eben fast alle Bereiche des Lebens erfasst. Und ich warne davor, Minderheitenpolitik auf den Bereich Kultur zu reduzieren!Denn wenn es im Bericht heißt: „Die kulturelle Zusammenarbeit mit Dänemark -6-ist die erfolgreichste aller kulturellen Kooperationen Schleswig-Holsteins im Ostseeraum“. – dann meint dies: Musik, Kunst und Kultur! Das ist eine gelungene Leistung und damit ein Erfolg der letzten Jahre, der hier noch einmal betont werden soll! Insbesondere wenn ich an das bewährte Tondern-Folk-Festival denke, dann kann schon von Tradition ge- sprochen werden.Lassen Sie mich zum Schluss einen politischen Vorschlag machen: Manchmal ist es hilf- reich über die eigene Grenzregion hinaus zu schauen. In den vergangenen Tagen habe ich mit Kollegen aus anderen deutschen Grenzregionen gesprochen: Dort, wo es neue Kooperationen gibt, entstanden auf der kommunalen Ebene sogenannte Euro-Regionen, das ist in etwa auch unserer Situation vergleichbar, dort aber, wo die Kooperation fortge- schritten ist, ist grenzüberschreitend auch eine erfolgreiche politische Zusammenarbeit entstanden, wie z.B. in der Grenzregion SaarLorLux und zwischen den Niederlanden und der Bundesrepublik.Dort existiert ein Interregionaler Parlamentarier-Rat, der sich aus Abgeordneten der Landtage zusammensetzt und der – neben der Regierung – zur Entwicklung der grenz- überschreitenden Zusammenarbeit auf der legislativen Seite beiträgt. Die Erfahrungen der Kollegen sind überaus positiv.Wenn in Schleswig-Holstein die konkrete grenzüberschreitende Kooperation mit Däne- mark auch die Landesebene mit einbezieht, wäre ein parlamentarisches Engagement si- cher hilfreich; insbesondere wenn dort ein neues großes Regionalparlament entsteht. Und wer dann meint, er könne sich nur schwer in die Mentalität der dänischen Partner einfinden, dem hilft Gramark mit einer Internet-Seite über die unterschiedlichen Lebens- stile:Dort wird uns für Besuche in Dänemark unter der Überschrift „Gastfreundschaft“ folgen- des empfohlen: „Das Mitbringen eines Gastgeschenkes ist üblich, hier empfehlen sich al- -7-koholische Getränke. Man wartet mit dem Trinken, bis der Gastgeber Skol sagt, und sagt Danke am Ende des Essens bevor man vom Tisch aufsteht.“Nun weiß ich nicht, welche Rückschlüsse dies auf unseren Lebensstil zulässt – ich sage jedenfalls Danke für Ihre Aufmerksamkeit!