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28.09.05
16:39 Uhr
SSW

Lars Harms zu TOP 21 - Umsetzung des Tagesbetreuungsausbaugesetzes (TAG)

Presseinformation
Kiel, den 28.09.2005 Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms
TOP 2 1 Umsetzung des Tagesbetreuungsausbaugesetzes (TAG) Drs. 16/261
Es ist ja kein Geheimnis, dass die Bundesrepublik eine Geburtenrate hat, die weit unter dem
europäischen Durchschnitt liegt. Man kann natürlich vielfach über die Gründe dieses
Geburtenrückgangs streiten, aber in einem sind sich viele Experten einig: Die Kinderbetreuung –
und damit die Möglichkeit der Eltern „Familie und Beruf“ unter einem Hut zu bringen – lässt in
Deutschland sehr zu wünschen übrig. Das gilt insbesondere für die Kinderbetreuung der Null bis
Dreijährigen in Kinderkrippen oder bei Tagesmüttern, die den internationalen Standards schon
lange nicht mehr genügt. Selbst vergleichsweise Geburtenstarke Länder – wie Frankreich – haben
ein besseres Betreuungsangebot für die Null bis Drei-Jährigen vorzuweisen als wir. Auch in den
skandinavischen Ländern, z.B. in Dänemark, hat man ein flächendeckendes Kinderbetreuungs-
system, das zu einer der höchsten Beschäftigungsquoten von Männern und Frauen in der Welt
und gleichzeitig auch zu einer relativ hohen Geburtenrate geführt hat.


In der Bundesrepublik hat es bisher – auch aus traditionellen Gründen - viele Vorbehalte
gegenüber Kinderkrippen gegeben. Da wird vielfach immer noch gesagt es ist nicht gut für die 2
Kinder so früh von der Mutter wegzukommen, obwohl dies aus pädagogischer Sicht schon lange
widerlegt worden ist. Nur in den neuen Bundesländern haben wir bisher ein einigermaßen gutes
Angebot für die Kinderbetreuung der Null bis Dreijährigen. Diese Entwicklung hat natürlich ihre
eigene besondere Geschichte. Doch in diesem Fall sollten wir die neuen Bundesländer als Vorbild
nehmen. Hier ist es eher der Normalfall, das „Mama“ und Papa“ beide arbeiten, wenn sie denn
eine Arbeit haben. Es muss der Anspruch der Politik sein, in Zukunft Rahmenbedingungen zu
schaffen, die den Eltern die freie Wahl darüber lassen, ob sie nach der Geburt ihres Kindes
weiterhin ihren Beruf ausüben wollen oder sich eben selber um die Kinderbetreuung bemühen
wollen. Das ist natürlich auch vor allem eine Frage der Gleichberechtigung. Denn am Ende ist es
meistens die Ehefrau, die sich Zuhause um die Kinder kümmert. Nur durch eine Verbesserung der
Rahmenbedingungen werden wir junge Leute leichter dazu motivieren können, sich für Kinder
zu entscheiden.


Die Bundesregierung hat in dieser Frage zum 1.1.2005 einen ersten kleinen Schritt in die richtige
Richtung unternommen, indem sie das Tagesbetreuungsausbaugesetz in Kraft gesetzt hat.
Durch das Tagesbetreuungsausbaugesetz sollen bis 2010 bis zu 230.000 zusätzliche Plätze in
Kindergärten, in den Krippen oder bei Tagesmüttern überwiegend für die Null bis Dreijährigen
geschaffen werden. Die Zielsetzung können wir sicherlich alle unterstützen. Allerdings muss ich
hier leider auf eine entscheidende Schwäche des Gesetzes hinweisen. Die Behauptung, die
Kommunen könnten diese neuen Betreuungsangebote durch eine berechnetet Entlastung bei
Hartz IV in Höhe von 2,5 Milliarden Euro finanzieren, ist natürlich eine Mogelpackung. Auch
wenn der Landesrechnungshof in seinem Kommunalbericht 2005 sagt, dass es noch keine
belastbaren Zahlen gibt: Diese Einsparungen werden nicht erreicht werden. Denn selbst die
Bundesregierung hat die Anzahl der Hartz IV-Betroffenen völlig unterschätzt und musste gerade
jüngst bekannt geben, dass Hartz IV auf Bundesebene zu Mehrkosten von 10 Milliarden Euro in
2004 geführt hat. Wie die Kommunen vor diesem Hintergrund bei Hartz IV sogar Geld sparen
können, ist mir jedenfalls schleierhaft. Und das ist das Ärgerliche an dem an sich guten Anliegen
der Bundesregierung. Man legt ein Gesetz vor, dass nicht die nötige Finanzierung mitbekommt. 3
Das ist unseriös und unterläuft das richtige Ziel, die Rahmenbedingungen für die Kinderbe-
treuung in Deutschland entscheidend zu verbessern. Der SSW fordert daher die Landesregierung
auf, sich auf Bundesebene für eine seriöse Finanzierung des Tagesbetreuungsausbaugesetzes
einzusetzen. Allerdings muss auch die Landesregierung ihre Haushaltspläne für den Kita-Bereich
noch mal überdenken. Wenn man die Zuschüsse des Landes auf 60 Mio. Euro deckelt, dann kann
man davon nicht gleichzeitig einen neuen Bildungsauftrag für die Kindertagesstätten und sogar
auch noch neue Kinderkrippen- und neue Tagesmütterplätze finanzieren. Da werden die 60
Millionen Euro hinten und vorne nicht reichen. Also: Auch die Landesregierung ist gefragt, sich
über die Finanzierung von Betreuungsplätzen für die c Null bis Dreijährigen seriöse Gedanken zu
machen.