Karl-Martin Hentschel zur Neuordnung der Lehrerbildung
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Stellv. Pressesprecher Dr. Jörg Nickel Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Mobil: 0178/28 49 591 Lehrerbildung sollte altersbezogen E-Mail: presse@gruene.ltsh.de und praxisorientiert sein! Internet: www.sh.gruene-fraktion.deObwohl an der Uni Flensburg bereits im Wintersemester der erste Jahrgang mit dem neuen Bachelor-Studium beginnt und in Hamburg und Kiel daran gearbeitet wird, gibt es immer noch kein Konzept der Landesregierung, wie die Lehrerausbildung aussehen soll.Die Grüne Landesarbeitsgemeinschaft Bildung hat deshalb ein Positionspapier zur Neu- ordnung der Lehrerbildung erarbeitet, das heute von Karl-Martin Hentschel, bildungspo- litischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion und Robert Habeck, Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen vorgestellt wurde.Kernpunkte sind: • Die Lehrerausbildung muss von Anfang an praktisch sein: Wir wollen deshalb Be- rufspraktika ab dem ersten Semester und ein Assistant-Teacher-Jahr nach dem Bachelor – bevor die StudentIn sich mit dem Eintritt in das Masterstudium endgül- tig auf den Beruf Lehrer festlegt. • Wir brauchen eine Stufenlehrerausbildung. Lehrer müssen für bestimmte Alters- gruppen ausgebildet werden und nicht für unterschiedliche Schulsysteme. Das er- fordert auch die internationale Vergleichbarkeit der Ausbildung. • Wir brauchen LehrerInnen, die interessanten Unterricht machen können, die Kompetenzen in Psychologie, Pädagogik, Diagnostik und Schulmanagement ha- ben. Dazu müssen die Hochschulen den Bildungsprozess von der KiTa bis zur Hochschule endlich zu einem Schwerpunkt ihrer Forschung machen.Die Landesregierung muss dringend ein einheitliches Konzept – möglichst sogar ge- meinsam mit Hamburg, vorlegen. Sonst besteht die Gefahr, dass die Studiengänge in Flensburg, Kiel und Hamburg noch weiter auseinander laufen. Wir Grünen wollen mit dem Positionspapier die notwendige bildungspolitische Debatte initiieren.Anlagen: • Positionspapier „Neuordnung der Lehrerbildung“ der Grünen Landesarbeitsgemein- schaft Bildung Positionspapier der LAG Bildung von Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein:Neuordnung der LehrerbildungBundesweit laufen die Planungen für die Neuordnung der Lehrerausbildung nach dem Bachelor/Master-System. Die grüne „Landesarbeitsgemeinschaft Bildung“ Schleswig- Holstein unterstützt diese Neuordnung gemäß dem Bologna-Prozess. Nachdem die Uni- versität Flensburg bereits zum Wintersemester mit einem Vorab-Modell für das Bachelor- Studium für LehrerInnen beginnt und auch an der Christian-Albrechts-Universität die Pla- nungen der neuen Studiengänge bereits in Arbeit sind, muss die Landesregierung sich dazu positionieren.Die LAG hat dazu Grundsätze erarbeitet. Sie fordert die Landesregierung auf, sich bei der Umstellung der Studiengänge, sowohl gegenüber den Hochschulen, wie auch in der Abstimmung mit den anderen Ländern, für folgende Grundsätze einzusetzen:1. Die Umstellung soll dazu beitragen, die Berufsbezogenheit zu stärken. Für die große Mehrzahl der Studierenden bedeutet das Studium eine Berufsausbildung – unab- hängig davon, ob sie später LehrerInnen werden oder einen anderen Beruf ergreifen. Nur eine Minderheit bleibt nach dem Studium in der wissenschaftlichen Forschung. Deshalb soll das Studium stärker als bisher praktisch auf die möglichen unterschiedlichen Berufs- bilder vorbereiten.2. Die Neuordnung der Studiengänge soll dazu genutzt werden, die Qualität und Stringenz des Lehrangebotes der Hochschulen systematisch zu steigern. Die Lehrveran- staltungen müssen auf die thematischen und didaktischen Anforderungen für die Ausbil- dung zukünftiger LehrerInnen abgestimmt werden, die sich erheblich von den Anforde- rungen an zukünftige WissenschaftlerInnen oder anderen akademische Berufsgruppen unterscheiden können.3. Das Studium soll auf das moderne Berufsbild der Lehrerin/des Lehrers als Fach- frau/mann für Lernprozesse, Kompetenzerwerb und Persönlichkeitsbildung ausgerichtet werden. Die neue Hauptzielsetzung muss sein, dass Lehrkräfte ihre Schüler zum selb- ständigen Lernen befähigen. Neben dem Fachwissen soll vor allem Pädagogik, Didaktik, Psychologie, (Individual-)Diagnostik, Bildungsmanagement usw. im Zentrum des Studi- ums stehen. Dazu gehört auch die Arbeit mit heterogenen Gruppen, die Berücksichti- gung von individuellen Lernvoraussetzungen wie Geschlecht, Muttersprache und soziale Herkunft.4. Die Lehrerausbildung soll sich grundsätzlich an einem Stufenlehrerkonzept orien- tieren. Dies ist erforderlich, um der gegenwärtigen und zukünftigen Schulentwicklung mit einer Pluralität von Schulformen gerecht zu werden und um die internationale Vergleich- barkeit und Anerkennung der Abschlüsse sicherzustellen, da dies der international übli- chen Lehrerausbildung entspricht. Für alle Stufen ist der Masterabschluss erforderlich. Es soll weiterhin möglich sein, die Lehrbefähigung für zwei angrenzende Stufen zu er- werben: Grundschule + Sek I; Sek 1 und Sek 2 (siehe auch die Vision „Lehrer 2015“ des DIHT [Deutscher Industrie- und Handelstag] vom März 2005 sowie das Positionspapier „Bildungsbiografien und Berufskarrieren neu entwickeln“ der BDA [Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände] vom Juni 2005).5. In der zukünftigen Lehrerausbildung sollen Praxis und Theorie von Anfang an sys- tematisch verbunden werden. Nach dem Assistant-Teacher-Modell (Universität Bielefeld) soll nach dem Abschluss des Bachelor ein praktisches Jahr an einer Schule absolviert werden. Dabei soll aktive Mitarbeit in der Schule, verbunden mit aktivem Forschen und Lernen, die anschließende Verknüpfung der fachwissenschaftlichen Inhalte des Master- studiums mit den fachdidaktischen Ansprüchen der Schule sicherstellen.6. Das Referendariat im Anschluss an das Masterstudium kann dann in verkürzter Form durch eine Trainee-Phase ersetzt werden, in welcher die selbständig unterrichten- den Junglehrkräfte noch durch TutorInnen betreut werden.7. Das Bildungswesen soll in den Universitäten als eigener Forschungsgegenstand mehr Gewicht bekommen. Schließlich ist Bildung unsere Wohlstandsquelle Nummer Eins. Die Bildungs- und Erziehungsprozesse von der Kindertagesstätte bis zur Hoch- schule, die berufliche Bildung und die Weiterbildung müssen stärker als bisher Gegens- tand der wissenschaftlichen Forschung werden. Wichtig ist dafür die Verknüpfung der Forschung mit der Arbeit von bestehenden Bildungseinrichtungen in Schleswig-Holstein. Die Konzeption des „Assistant Teacher“ verknüpft in dieser Weise die Ausbildungsaufga- be von Hochschule, Studienseminar und Schule. Nach einer aktiven Mitarbeit der Studie- renden in einer Schule wird sich die Wahrnehmung der beruflichen Relevanz von fach- wissenschaftlichen Angeboten im Masterstudium erheblich wandeln.8. Den StudentInnen soll durch ein achtwöchiges, von der Hochschule begleitetes, Berufspraktikum außerhalb der Schule ein Einblick in die Anforderungen der Arbeitswelt und die Systeme der beruflichen Bildung ermöglicht werden. Die angehenden Lehrkräfte sollen dabei nachweisen, dass sie die spezifischen Bedarfe der Arbeitswelt verstanden haben und Bezüge zum eigenen Studium herstellen können.9. Die Lehrerstudiengänge sollen vom ersten Semester an bis zum Masterabschluss in Hinblick auf das Lehramt konzipiert werden. Der Bachelor-Abschluss soll ein Ab- schluss sein, der für einen fachorientierten Beruf qualifiziert und auch den Wechsel zu einem fachorientierten Masterstudium grundsätzlich ermöglicht. Nach dem folgenden As- sistant-Teacher-Jahr ermöglicht er die Fortsetzung der Lehrerausbildung mit dem Master of Education.10. Das Bachelor-Studium für die Primarstufe und die Ausbildung zur ErzieherIn sol- len in demselben Studiengang erfolgen. Die entsprechende Spezialisierung findet durch Wahl der Studienschwerpunkte und Praktika statt. Der Bachelor qualifiziert je nach Schwerpunkt für die Tätigkeit im vorschulischen, außerschulischen (Jugendzentren, Ju- gendfreizeitbereiche) Bereich, zur SchulassistentIn oder zum weiterführenden Master- studium für die Primarstufe. Fort- und Weiterbildung wie auch Doppelabschlüsse gewähr- leisten den möglichst leichten Übergang von einem pädagogischen Tätigkeitsfeld in ein anderes. LehrerInnen für die Primarschule sollen so ausgebildet werden, dass sie alle Fächer unterrichten können.11. LehrerInnen der Sekundar-I-Schule und der Sekundar-II-Schule sollen in der Re- gel zwei Fächer unterrichten können. Bei Sekundar-I-LehrerInnen soll der Schwerpunkt des Studiums in den Vermittlungswissenschaften sowie der Fachdidaktik liegen, während bei Sekundar-II-LehrerInnen das wissenschaftliche Fachstudium einen größeren Anteil umfasst, damit sie die wissenschaftlichen Grundlagen in ihren Unterrichtsfächern in aus- reichendem Umfang erlernen können.12. Bei der Gestaltung der Studiengänge soll berücksichtigt werden, dass die Verbin- dung von Studium und Kindererziehung ermöglicht wird. Deshalb sollen alle Studiengän- ge so angelegt sein, dass auch ein Teilzeitstudium möglich ist. Nur so kann eine Aus- schöpfung der Bildungsreserven in Deutschland erreicht werden. ***