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02.09.05
17:58 Uhr
SPD

Konrad Nabel zu TOP 16: Keine Störfälle in der Energiepolitik für Schleswig-Holstein

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 02.09.2005 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell TOP 16 – Energiewende erfordert Atomausstieg / Zukunftsfähige Energiepolitik (Drucksache 16/191 und 16/224)

Konrad Nabel:

Keine Störfälle in der Energiepolitik für Schleswig-Holstein

Ähnlich wie im Frühjahr die FDP mit ihrem Antrag zum Naturschutzgesetz versuchen nun auch die Grünen mit dem Antrag 16/191 unter dem Titel "Energiewende erfordert Atomausstieg" einen Keil zwischen die Koalitionspartner der großen Koalition in Schleswig-Holstein zu treiben, ist doch der Dissens beider Parteien in Fragen der A- tomenergie nicht nur bekannt, sondern auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Es heißt dort: "In der Frage der weiteren Nutzung der Kernenergie sind wir uns be- wusst, dass die jetzt im Atomgesetz normierten Restlaufzeiten gelten und zur Zeit nicht zu verändern sind. Es besteht Einigkeit, dass die Landesregierung nicht initiativ wird, den Energiekonsens aufzukündigen. Wir werden uns im Bundesrat enthalten, wenn widerstreitende Auffassungen, wie zum Beispiel bei der Kernenergie, vorliegen.“ Dem- entsprechend könnte es auch zum Antrag der Grünen kein einheitliches Votum hier im Landtag geben.

Das Thema „Zukunft der Energiepolitik" ist jedoch – wie uns jeden Tag die Schlagzei- len zeigen – zu wichtig, als dass wir den Antrag der Grünen lediglich ablehnen könn- ten. Wir haben uns daher erlaubt, einen eigenen Antrag zur zukunftsfähigen Energie- politik für Schleswig-Holstein vorzulegen, den wir bitten, gemeinsam mit dem Antrag der Grünen in den Ausschuss zu überweisen. Wir bitten mit diesem Antrag – ver-


Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



gleichbar dem zweiten Teil des Grünen-Antrags – die Landesregierung um einen schriftlichen Bericht, den wir in der Novembertagung diskutieren wollen.

Die SPD Schleswig-Holstein hat sich seit Ende der 70er Jahre massiv und bundesweit für den Ausstieg aus der Atomenergie eingesetzt. Wir waren damit erfolgreich und füh- len uns zu Recht als die Vordenker und Vorkämpferinnen für den seit einigen Jahren geltenden Atomkonsens zwischen Politik und Energiewirtschaft, der mit klaren Rest- laufzeiten für die einzelnen AKWs den mittelfristigen Ausstieg aus dieser Technologie festschreibt und auch dem Atommülltourismus in andere Länder ein Ende bereitet hat.

Und der in der Regierungszeit der SPD beschlossene Konsens greift: Drei AKWs wur- den schon stillgelegt, und seit dem 1.7. gibt es keine Transporte bestrahlter Kern- brennstoffe aus Deutschland mehr nach Sellafield oder La Hague. Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sind uns mit überwältigender Mehrheit auf diesem Weg des Ausstiegs gefolgt, weil auch sie sehen, dass die Gefahren, die von der Nutzung der Atomenergie ausgehen, den Nutzen dieser Energieform bei weitem übersteigen. Bundesweit 70% der Bürgerinnen und Bürger sind gegen den weiteren Betrieb von AKWs – übrigens auch 53% derer, die sich der CDU zugeneigt fühlen.

• Aus dem Wissen, dass die Sicherheitsprobleme von AKWs langfristig nicht be- herrschbar sind und dass Zwischenfälle wie in Three Mile Island oder Tschernobyl je- den Tag wieder vorkommen können, • aus der Erkenntnis, dass es bis heute kein Konzept für eine sichere Endlage- rung des über Tausende von Jahren weiter strahlenden Atommülls gibt und auch • aus der Tatsache, dass Atomenergie keinen nachhaltigen Beitrag zur Senkung der Kohlenstoffdioxidbelastung leistet, haben wir uns für den Ausstieg und für die gleichzeitige Entwicklung und den Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energieträger eingesetzt. Und das war und das ist der richtige Weg. -3-



In unserer Regierungszeit in Schleswig-Holstein seit 1988 haben wir uns überaus er- folgreich für eine nachhaltige Energieversorgung im Dreiklang Energiesparen, höhere Energieeffizienz und Ausbau der regenerativen Energieformen eingesetzt. Auch hierzu gibt es überaus lesenswerte Passagen im Koalitionsvertrag, wo es unter anderem heißt: "Die Windenergie spielt in Schleswig-Holstein heute bereits eine große Rolle, denn mit ihr wird Wirtschaftskraft vor Ort erreicht und Einkommen – insbesondere in den ländlichen Räumen – erzielt. Wir werden die Windenergienutzung mit Augenmaß weiter ausdehnen. ... Bei der Errichtung von Offshore-Anlagen müssen Schiffsicher- heit, Tourismus und Umwelt berücksichtigt werden. Repoweringmaßnahmen werden wir unterstützen. Wir werden neue Energietechnologien wie z. B. die Brennstoffzelle, die Nutzung von Wasserstoff und die modernen Technologien zur Kohlenutzung weiter entwickeln. Außerdem werden wir das umweltfreundliche Potenzial der Biomasse- Nutzung, der Kraft-Wärmekopplung, der Geothermie und der Solarenergie verstärkt nutzen und ausbauen."

Ich freue mich über diese Übereinstimmung der großen Koalition, dass Schleswig- Holstein weit über die Küsten hinaus ein hervorragender Standort für alle Formen der regenerativen Energien ist, deren Ausbau nach meiner Überzeugung auf Dauer die Atomkraft überflüssig macht. Über all diese Dinge wird in der Novembersitzung zu be- raten sein.

Ich will mich heute auf die Frage des Atomkonsenses konzentrieren, der ja auch im Mittelpunkt einiger hitziger Debatten im Rahmen des Bundestagswahlkampfes steht. Denn während wir weiter zum Atomkonsens stehen, wollen CDU/CSU und die FDP den Atomkonsens aufkündigen. Was haben wir da nicht schon alles gehört. Zuletzt hatte Frau Merkel ja vorgeschlagen, die Laufzeiten der AKWs zu verlängern, wenn die Energiekonzerne die Strompreise senken. Die haben natürlich abgewinkt – der Markt wird's schon richten: Eine komfortable Position für die mit Milliarden geförderte Atom- wirtschaft. Irgendwie war Frau Merkel da schlecht beraten. -4-



Es ist ja inzwischen bekannt, dass die Kandidatin der CDU sich überall außerhalb ihrer Partei Berater sucht, von deren Vorstellungen sich dann viele in der CDU schnell dis- tanzieren. Der vorletzte in dieser Reihe war Herr Professor Kirchhof, dessen unsozia- les Steuermodell selbst vielen in der CDU nicht gefiel und der nebenbei auch noch durch ein Familien- und Frauenbild aus dem frühen 19. Jahrhundert brillierte.

Anders aber ist es mit den Vorstellungen des jüngst mal wieder konvertierten Herrn von Pierer zur Atomenergie. Wir wissen, dass viele in der CDU ähnliche Absichten ha- ben wie sie Herr von Pierer unlängst geäußert hat. Nicht nur er will den Atomkonsens aufkündigen, aber er ist mit seinem Vorschlag, Atomkraftwerke 60 Jahre laufen zu las- sen, nicht nur besonders schamlos – ist doch jedes abgeschriebene Kraftwerk nach ca. 20 bis 25 Jahren eine reine Gelddruckmaschine für die Betreiber –, sondern Herr von Pierer entwickelt sich damit zum größten Sicherheitsrisiko in der Republik.

Wir wissen doch alle, dass es mit der Sicherheit von AKWs nach zwei oder mehr Jahr- zehnten Laufzeit nicht zum Besten bestellt ist. Wir haben da zum Beispiel mit Bruns- büttel unsere besonderen Erfahrungen – und nicht zuletzt wegen der Sicherheitsrisi- ken soll Brunsbüttel deshalb auch als nächstes AKW vom Netz. Oder sollte Olaf Tschimpke, Bundesvorsitzender des Nabu, doch Recht haben, der Herrn von Pierer unterstellt, noch jede Menge Nachrüstungen von der Firma Siemens verkaufen zu wol- len? Nun wissen wir ja auch, dass der Konzern, dem Herr von Pierer als Aufsichtsrats- vorsitzender vorsitzt, in den letzten Jahren viel an Innovationen und Modernisierung verschlafen hat – denken wir an die Handy-Probleme und den Versuch, die Probleme des Konzerns auf dem Rücken der Belegschaft zu lösen.

Jetzt gehört er jedenfalls auch zu denen, die den Standort Deutschland schlecht reden und die von einer kommenden Bundesregierung erwarten, dass die Energiekonzerne weiterhin viel Geld mit alter Technik, mit einer Dinosauriertechnologie, verdienen kön- -5-



nen statt in einen neuen, modernen Kraftwerkspark zu investieren. Damit soll die not- wendige Energiewende verhindern werden. Das ist nicht unser Verständnis einer mo- dernen, an Grundsätzen einer nachhaltigen Entwicklung orientierten Wirtschafts- und Energiepolitik und kein Weg, Deutschlands Wirtschaft zukunftsfähig zu machen. Wer an der Atomkraft festhält, gefährdet den weiteren Ausbau und die Sicherung der heute schon bestehenden 130.000 Arbeitsplätze in den regenerativen Energien.

Gerade im Bereich der erneuerbaren Energieträger liegen weiter erhebliche Potenziale für Wirtschaft und Arbeitplätze, für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen. Wer dies verschläft angesichts der riesigen Märkte in China, anderen Schwellenländern und vielen Ländern der südlichen Hemisphäre, dem ist eigentlich nicht zu helfen.

Wir in Schleswig-Holstein haben allerdings unseren Beitrag dazu geleistet, mit dem Ausbau der Windenergie dauerhafte Arbeitsplätze und für die mittelständische Wirt- schaft einen Exportschlager zu schaffen. Und darauf sind wir stolz. Und wir werden dies gemeinsam mit unserem Koalitionspartner fortsetzen.

Wir werden mehr zu den Fragen der zukunftsfähigen Energieversorgung in der Debat- te zum Bericht der Landesregierung in der November-Tagung diskutieren. Ich freue mich auf diese Debatte.