Klaus Müller zum Flughafen Lübeck-Blankensee
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 14 und 32 – Regionalflughafen Lübeck- Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Blankensee Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Dazu sagt der verkehrspolitische Sprecher Telefax: 0431/988-1501 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Klaus Müller: Internet: www.sh-gruene.de Nr. 222.05 / 02.09.2005Arbeitsmarktpolitisches NullsummenspielHerr Präsident, meine Damen und Herren!Sie kennen das alle, geht etwas gründlich schief, dann wird gerufen: „Haltet den Dieb“. Damit wird von der eigenen Verantwortung abgelenkt und ein Sündenbock angeprangert.Das hat nach dem Baustopp-Beschluss des OVG Schleswig zum Flughafen Blankensee aber nicht geklappt. Die Grünen, wer sonst, sollten die bösen Buben sein. Es hätte nicht geschadet, vor lauten und hektischen Stellungnahmen von CDU, SPD und FDP den Be- schluss des OVG erst ein mal in Ruhe durchzulesen.Die aufgedeckten erheblichen Mängel des Planfeststellungsbeschlusses haben zu dem glasklaren und unanfechtbaren Beschluss des OVG geführt. Das ist eine Ohrfeige für den verantwortlichen Ex-Verkehrsminister und den Lübecker Bürgermeister Bernd Saxe aus Lübeck.Bei dem Vorhaben die anzumeldenden Vogelschutz- und FFH-Gebiete möglichst klein zu halten, um so zu einem schnellen Ausbau zu kommen, ist genau das Gegenteil heraus- gekommen, nämlich der Baustopp. Die Landesregierung hat inzwischen richtig reagiert, den Planfeststellungsbeschluss faktisch einkassiert und einen völligen Neubeginn ange- kündigt.Im Übrigen führten nicht einmal in erster Linie die unzureichenden Ausweisungen der Vogelschutz- und FFH-Gebiete zum Baustopp-Beschluss des OVG. Die nach 1959 er- richteten baulich-technischen Anlagen des Flughafens Lübeck Blankensee sind nach Auffassung des OVG ohne die erforderliche Planfeststellung errichtet worden sind. Damit ist der bisherige Ausbau ohne Rechtsgrundlagen erfolgt.1/4 Das OVG nennt ausdrücklich die Großbauten zur Abfertigung, die Hangars, die Rollwege B und C, die Erweiterung des Vorplatzgeländes und die Installation des ILS CAT II. Die Rechtsauffassung des damaligen Verkehrsministers und des Landesbetriebs für Stra- ßenbau und Verkehr, der den Planfeststellungsbeschluss zu verantworten hat, ist so vom OVG Schleswig eindruckvoll verworfen worden.Und zumindest eine Reihe von Beteiligten dürfte sich an die unterschiedlichen Rechtsauffassungen zu ILS CAT II in der Rot-Grünen Landesregierung erinnern.Weiterhin bemängelt das OVG, dass in der Planrechtfertigung der Flughafengesellschaft nicht die geplanten sprunghaften Steigerungen der Zahl der Flugbewegungen bis an die augenblickliche Kapazitätsgrenze und darüber hinaus benannt worden waren.Hierbei wird auf den Kauf der Flughafengesellschaft durch Infratil und die angekündigten 42 täglichen Start- und Landungen von Ryanair ab Winterflugplan 2005/2006 Bezug ge- nommen. Die Realisierung eines solchen Ausbauhintergrundes müsste gemäß OVG- Beschluss „einer neuen, hinsichtlich ihrer Planrechtfertigung grundlegend geänderten Planung zugeführt werden“.Nach dem Ausbaustopp des OVG für den Flughafen Lübeck-Blankensee hat Ryanair seine Pläne für den Winterfahrplan fallengelassen. Statt bisher täglich 14 Starts- und Landungen sollten ab November 2005 42 tägliche Starts- und Landungen stattfinden.Die Absage ist nicht sachlich begründet, denn auch mit einem Baubeginn im August 2005 wären die Startbahnverlängerung und der Taxiwaybau zum Winterflugplan nicht vollendet gewesen. Auch mit 42 Starts und Landungen hat der Flughafen in seinem jetzi- gen Zustand kein Kapazitätsproblem.Nehmen wir als Beispiel den Zeitraum von 6:00 Uhr bis 20:00 Uhr, das sind 14 Stunden Betriebszeit. Im Durchschnitt ergeben sich bei täglichen 42 Starts und Landungen gerade mal drei Starts und Landungen pro Stunde.Meine Damen und Herren, wo also ist das Problem. Wenn Ryanair jetzt mit Ausstiegs- drohungen Druck auf die Politik ausübt, dann zeigt sich deutlich, wer am längeren Hebel sitzt. Da Ryanair der einzige bedeutsame Kunde ist, bleibt Lübeck diesem Low-cost- carrier auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Wirtschaftlich ist das nicht, pro Passagier kommen gerade mal 4 Euro in die Kasse der Flughafengesellschaft, damit sind noch nicht einmal die Personalkosten abgedeckt.Wie immer bei umstrittenen Großprojekten wird mit der möglichen Schaffung von Ar- beitsplätzen argumentiert. Von 2000 zusätzlichen Arbeitsplätzen ist die Rede, begründet wird das aber nicht.Bürgermeister Saxe hofft in einem Interview vom 20.7.05 auf 1.200 neue Arbeitsplätze am Flughafen. Minister Austermann spricht in einer Pressemitteilung vom 2.8.05 von ge- planten mehreren hundert Arbeitsplätzen. Ryanair selbst nennt die Zahl von 200 neuen Arbeitsplätzen in Lübeck, wenn dort das zweite deutsche Drehkreuz durch die Stationie- rung von 4 B 737-800 errichtet wird.Da wird viel Stimmung gemacht und das Prinzip Hoffnung regiert. Dabei wird immer ver- gessen, dass wenn neue Arbeitsplätze in Lübeck durch Ryanair geschaffen werden, gleichzeitig Arbeitsplätze am Hamburger Airport gefährdet sind oder dort eben nicht ent- stehen.Für die gesamte Wirtschaft der Metropolregion Hamburg ist das ein arbeitsmarktpoliti- sches Nullsummenspiel. Ein Arbeitsplatz, der bei der Lufthansa wegfällt durch die ag- gressive Konkurrenz von Billigfliegern wird sicherlich nicht durch einen gleichwertigen, gleich entlohnten und gleich qualifizierten Arbeitsplatz bei Ryanair ersetzt.Der Hamburger Airport hat viel investiert für die Kapazitätserweiterung auf 15 Mio. Pas- sagiere pro Jahr, er wird wirtschaftlich betrieben, ganz im Gegensatz zum Lübecker Flughafen.Die Stellungnahme des Justizministers Uwe Döring vom 21.7.05 setzte sich wohltuend von den Panikreaktionen der Ausbaubefürworter ab.Minister Döring hat die negative Entscheidung des OVG kommen sehen, weil die Plan- feststellung nicht ordnungsgemäß abgewickelt worden ist. Da gibt es volle Übereinstim- mung mit den Grünen.Verwundern kann das nicht, ist doch der jetzige Staatssekretär im Justizministerium Pe- ter Nissen identisch mit dem damaligen Senatsvorsitzenden des OVG Schleswig, der in einer Verfügung vom 31. August 2004 alle Beteiligten darüber in Kenntnis setzte, dass nicht davon ausgegangen werden könne, „dass der Senat den Flughafen in seiner jetzi- gen Form als rechtlich durch Planfeststellung abgesichert ansehen werde.“Minister Austermann hat nun Gespräche mit dem Umweltverbänden und der Gemeinde Groß Grönau angekündigt. Er hat aber zwei schwere Fehler begangen.Zunächst hat er die Verhandlungsstrategie der Landesregierung per Presse bekannt ge- geben, es soll den Umweltschützern eine Verdoppelung der Ausgleichsflächen und mehr Lärmschutz angeboten werden.Zweitens hat Minister Austermann im letzten Wirtschaftsausschuss über die Abschaffung der Verbandsklage nachgedacht. Damit hat er den Widerspruch von NABU und BUND herausgefordert, die entsprechend reagiert haben und die Verhandlungsbereitschaft des Ministers anzweifeln. Keine gute Ausgangsposition für Gespräche mit den Umweltver- bänden.Neu ist, die Ausbaufinanzierung des Regionalflughafens Kiel-Holtenau wird nun in den Schleswig-Holstein-Fonds verlagert. Die eigentlich für Holtenau vorgesehenen GA-Mittel in Höhe von 20,155 Mio. Euro sollen jetzt sukzessive umgeplant und für andere, zusätzli- che GA-Projekte eingesetzt werden.Angeblich drohen ohne diese Umwidmung die für Holtenau reservierten GA-Mittel zu ver- fallen.Ob aus der Umwidmung nun GA-Mittel für Blankensee eingesetzt werden, bleibt unklar, obwohl genau das in der Presse berichtet wurde. Falls doch Blankensee in eine GA- Förderung kommen sollte, kann ich das nicht nachvollziehen.Wenn das neue Planfeststellungsverfahren zirka zwei Jahre dauert, dann ist Mitte 2007 weder in Lübeck noch in Kiel Baubeginn. Die GA-Mittel könnten deshalb gar nicht dafür verwendet werden. Weiter müssen die geltenden Grundsätze für die Gewährung von Investitionszuschüssen zur Sicherung der Sicherheitsstandards an schleswig-holsteinischen Flugplätzen verän- dert werden.Dort steht noch ausdrücklich: „Die Bezuschussung sicherheitsrelevanter Maßnahmen darf nicht zu Angebotserweiterungen der Flugplätze führen. Über den Verkehrslandeplatz Kiel-Holtenau hinaus werden Kapazitätsausweitungen nicht gefördert.“Wir werden nun das neue Planfeststellungsverfahren abwarten. Es soll und muss rechts- sicher sein, also alle Mängel des einkassierten Planfeststellungsbeschlusses beseitigen. Das wird sicher nicht einfach und die erfolgreichen Kläger sind aufmerksame Beobachter dieses Prozesses. Der OVG-Beschluss vom 18. Juli 2005 hat hohe Anforderungen ge- setzt.Nun komme ich zum Antrag der selbst ernannten Bürgerrechtspartei FDP. Sie kommt mit einer Bundesratsinitiative für ein Flughafen-Lübeck-Gesetz. Damit soll das Verfahren bis zum Ausbau beschleunigt werden.Es zeigt sich immer erst in konkreten Einzelfall, was Bürger- und Beteiligungsrechte einer Partei wirklich wert sind: In Konfliktfällen verzichtet die FDP auf ein ordentliches und fai- res Beteiligungsverfahren und will lieber Großprojekte durchpauken.Abgesehen von unserer politischen Ablehnung haben wir erhebliche Zweifel, ob ange- sichts der vor kurzem in der EU eingeführten umfangreichen Beteiligungs- und Klage- rechte für BürgerInnen und Umweltverbände, ein solches Gesetz mit deutschem und EU- Recht kompatibel wäre. Einfach einen Gesetzesentwurf aus dem Jahr 1993 zu übertra- gen, ist zu oberflächlich.Angesichts der weiteren juristischen Niederlage der Flughafengesellschaft vor dem OVG gegen die Auflagen im Planfeststellungsbeschluss zum Schutze des Kranichs, sollte je- dem – gerade einer vermeintlich liberalen Partei – deutlich werden, dass die rücksichts- lose Rabulistik der vergangenen Wochen niemand – noch nicht einmal dem Flughafen – nützt.Die Naturschutzverbände BUND und NABU erklärten, es sei geradezu grotesk, dass ausgerechnet die vorgeblich liberale Partei geltendes Recht aushebeln wolle.Ich habe mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, dass auch die Fraktionen von CDU und SPD von der Gesetzesinitiative aus dem Hause Kubicki nichts halten. Wir werden den Antrag ablehnen. ***