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26.07.05
12:32 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel und Marlies Fritzen zum Flughafen Lübeck-Blankensee

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh-gruene.de

Nr. 185.05 / 26.07.2005

Das OVG hat das Verkehrsministerium bereits vor einem Jahr gewarnt!
Zum Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) zum Flughafen Lübeck-Blankensee und zur aktuellen Diskussion um den Ausbau des Flugha- fens erklären die Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Marlies Fritzen, und der Stellvertretende Fraktionsvorsitzende und umweltpolitische Sprecher, Karl-Martin Hentschel:
1. Das Verkehrsministerium hat die Rechtsauffassung des OVG seit einem Jahr gekannt Die Bewertung des OVG, dass der Planfeststellungsbeschluss des ehemaligen Ver- kehrsministeriums ohne Rechtsgrundlagen erfolgt ist, hätte dem Ministerium bereits seit Sommer 2004 bekannt sein müssen.
In einer Verfügung vom 31. August 2004 informierte der damalige Senatsvorsitzende des OVGs Schleswig alle Beteiligten darüber, dass nicht davon ausgegangen werden könne, „dass der Senat den Flughafen in seiner jetzigen Form als rechtlich durch Planfeststel- lung abgesichert ansehen werde.“ (OVG-Beschluss vom 18.7.2005, S.6 oben). Pikant daran ist: Ausgerechnet der jetzige Staatssekretär im Justizministerium, Peter Nissen, war der damalige Senatsvorsitzende des OVG Schleswig. Von daher ist es nicht ver- wunderlich, dass sein Minister eine andere Rechtsauffassung hat und die Position der Grünen bestätigt.
Wir Grüne hatten den Verkehrsminister zuvor mehrmals darauf hingewiesen, dass nach unserer Kenntnis die ab 1959 errichteten baulich-technischen Anlagen des Flughafens Lübeck-Blankensee ohne die erforderliche Planfeststellung errichtet worden sind und dass damit der bisherige Ausbau ohne Rechtsgrundlagen erfolgt ist. Das Ministerium hat zwar nie das Gegenteil behauptet, hat dies aber stets als unproblematisch angesehen.
1/4 Es ist im Nachhinein höchst erstaunlich, dass das Ministerium trotz der Warnung des OVG vom Sommer 2004 die Bedenken weiterhin abgebügelt hat. Dies ist nur dadurch zu erklären, dass der Minister ein halbes Jahr vor der Wahl nicht zugeben wollte, dass er schon seit Jahren rechtswidrig Ausbaumaßnahmen genehmigt hat.

2. Die Grünen haben zu keiner Zeit geplant, das Naturschutzrecht zur Verhinderung des Flughafenausbaus einzusetzen Es ist richtig, dass wir den Ausbau des Flughafens Blankensee ablehnen und diese Posi- tion auch schon in der rot-grünen Regierung vertreten haben. Die Gründe sind: Erstens der extrem hohe Subventionsbedarf in Lübeck. Zweitens halten wir grundsätzlich die Subventionierung des Verkehrsmittels Flugzeug in Konkurrenz zu Straße und Schiene für falsch, da schon heute der Flugverkehr durch Steuerfreiheit das am höchsten subven- tionierte Verkehrsmittel ist.
Deswegen haben wir gegen die Förderentscheidung votiert. Dabei bezogen wir uns auf die Koalitionsverträge von 1996 und 2000, in denen eine Förderung von Flughäfen sich allein auf Sicherheitsmaßnahmen erstrecken darf. Weitere Ausbaumaßnahmen zur Stei- gerung der Kapazität sollten deshalb nicht durch das Land gefördert werden.
Es ist aber falsch zu behaupten, dass wir zu irgendeinem Zeitpunkt versucht hätten, das Naturschutzrecht zu benutzen, um den Ausbau zu verhindern. Das Naturschutzrecht ist auch nicht dazu da, um politisch beschlossene Infrastrukturinvestitionen zu verhindern.
Allerdings müssen die Belange des Naturschutzes ordnungsgemäß berücksichtigt wer- den und die EU-Richtlinien sind vollständig zu erfüllen. Dies haben wir immer klargestellt.

3. Das Natura 2000-Gebiet Wulfsdorfer Heide hat höchste Qualität In den Lübecker Nachrichten vom 24. Juli 2005 behauptet Ulrich Dieckhoff, ein ehemali- ger Referent im Bundesverkehrsministerium: „Es geht der EU um großräumige und re- präsentative sowie ungestörte Flächen und nicht um diese klitzekleine Wulfsdorfer Hei- de.“ Es gäbe weitaus besser geeignete Flächen für Natura 2000.
Die Wulfsdorfer Heide und die Blankenseeniederung sind jedoch nicht „klitzeklein“, son- dern die Größe dieses Gebietes liegt über dem Durchschnitt aller Gebiete in Schleswig- Holstein. Es gibt auch keine besser geeigneten Flächen. Das Gebiet besitzt naturschutz- fachlich überdurchschnittliche Qualität und ist eines der wichtigsten Gebiete in Schles- wig-Holstein sowohl für den Vogelschutz als auch hinsichtlich seiner Bedeutung als FFH- Gebiet.
Das Gebiet ist ein ehemaliger Truppenübungsplatz, der sich viele Jahre unberührt entwi- ckelt hat. Das Gebiet ist von der EU in einem Schreiben vom 22.4.04 explizit angefordert worden, weil es Arten und Biotope enthält, die in Deutschland einmalig sind. 4. Der fehlerhafter Planfeststellungsbeschluss ist nicht vom früheren grünen Umweltminister zu verantworten Der jetzt als fehlerhaft vom OVG gerügte Planfeststellungsbeschluss ist auch natur- schutzfachlich nicht von dem früheren Umweltminister Klaus Müller zu verantworten. Zu- ständig für das Planfeststellungsverfahren ist das Verkehrsministerium. Die unvollständi- ge Ausweisung des Natura 2000-Gebietes ist gegen das fachliche Votum des Umweltmi- nisters durch die SPD durchgesetzt worden.
Das Gericht hat bemängelt, dass die Flächen, die für den Flughafenausbau benötigt werden, nicht als Natura 2000-Gebiet angemeldet wurden. Dies mag zunächst überra- schen, aber der Sachverhalt ist eindeutig. Die EU verlangt, dass die Flächen nach rein naturschutzfachlichen Kriterien ausgewiesen werden. Soll eine solche Fläche dennoch bebaut werden, dann muss eine Ausnahmegenehmigung erfolgen. Dies ist möglich wenn ein schwerer wiegendes öffentliches Interesse (Investitionen, Arbeitsplätze) vorliegt als das des Artenschutzes.
Demgegenüber stellt das OVG fest, dass die Ausweisung der Wulfsdorfer Heide vor al- lem nach „verkehrlichen Erfordernissen“ erfolgt ist. „Ein Ausgleich zwischen den Belan- gen des Vogelschutzes und den Verkehrsinteressen des Flughafenbetreibers (ist) auch nicht ansatzweise ver- oder gesucht worden“. (OVG-Beschluss, S. 8)
Die EU-Vorgaben haben sowohl beim Bau der A20 als auch beim Mühlenberger Loch dazu geführt, dass die Planfeststellungsbehörden stets auf eine schnelle Ausweisung von Naturschutzgebieten gedrängt haben, damit eine Ausnahmegenehmigung erfolgen kann.
Dass dies beim Flughafen Lübeck nicht auch so gehandhabt worden ist, war Folge der aufgeregten Diskussion in Lübeck. So bestand die SPD auf der Nichtausweisung und setzte auf das Prinzip Hoffnung.
Eine Nichtausweisung von qualitativ hochstehenden Flächen hat zur Folge, dass keine Ausnahme beantragt werden kann, der Schutz aber trotzdem gilt. Diese Regelung ist ex- plizit geschaffen worden, um zu verhindern, dass die Länder mogeln und Flächen nicht ausweisen. Genau dies hat das OVG gerügt.

5. Was sind die Konsequenzen des Urteils? Wir Grüne sind der Auffassung, dass der Planfeststellungsbeschluss nicht durch Ände- rung oder Ergänzung geheilt werden kann, sondern neu erstellt werden muss. Ein neues Planfeststellungsverfahren erfordert folgende Schritte:
a. Ausweisung des gesamten Gebietes um den Flughaben einschließlich der Flächen für den Taxi-way. Dies gilt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für die Fläche des künftigen Airport- Business-Park, der diesmal noch nicht Gegenstand des Verfahrens war!
b. Beantragung einer Ausnahmeregelung mit Festsetzung der erforderlichen Aus- gleichsmaßnahmen. Denn darum geht es letztlich: Naturschutzfachliche Gründe können den Ausbau wahrscheinlich nicht verhindern, aber den nötigen Ausgleich sichern. c. Erweiterung des Planfeststellungsverfahrens auf den gesamten Flughafen. Also auch alle bestehenden Teile des Flughafens müssen nachträglich planfestge- stellt werden. Dies bedeutet, dass es auch mit den AnwohnerInnen endlich zu einem angemessenen Ausgleich kommen muss.
d. Offenlegung der gesamten Ausbauvorhaben. Das OVG bemängelt nämlich, dass der wahre Grund für den Ausbau nicht benannt wurde für den Planfeststellungsbeschluss. Das tatsächliche Ziel ist die Ausweitung der Linienverbindungen für Ryanair. In der Planrechtfertigung der Flughafengesell- schaft sind die geplanten sprunghaften Steigerungen der Zahl der Flugbewegungen bis an die augenblickliche Kapazitätsgrenze und darüber hinaus nicht benannt wor- den. Hierbei wird auf den Kauf der Flughafengesellschaft durch Infratil und die ange- kündigten 42 täglichen Start- und Landungen von Ryanair Bezug genommen. Die Realisierung eines solchen Ausbauhintergrundes müsste gemäß OVG-Beschluss „ei- ner neuen, hinsichtlich ihrer Planrechtfertigung grundlegend geänderten Planung zu- geführt werden“. (OVG-Beschluss, S. 11)
Die Sicherheit und die Abwicklung der Linienverkehre sind durch den Bausstopp des OVG in keiner Weise gefährdet. Auch mit der jetzigen Start- und Landebahn wird der Flugverkehr reibungslos abgewickelt und es gibt genug Kapazitätsreserven für mögliche weitere Linien. Die heutige Auslastung liegt bei knapp 20 Prozent. Das Bemessungsflug- zeug ist die B737-800, die von Ryanair eingesetzt wird.

6. Unser Fazit: Für den Bau einer Schrebergartenlaube muss ein ordentlicher Bauantrag vorgelegt wer- den. Von einer Stadt und einer Verkehrsbehörde, die einen Flughafen bauen will, kann man das auch erwarten.
Die vom Ex-Minister Rohwer losgetretene Kranich-Debatte und die Ausfälle von Bürger- meister Saxe, der anscheinend ohne Sachkenntnis versucht, die Fehler der Planfeststel- lung den Grünen anzuhängen, waren und sind Wahlkampfmanöver, um die Schwächen des Planfeststellungsbeschlusses und das jahrelange rechtswidrige Handeln der Stadt Lübeck zu kaschieren.

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