Anne Lütkes zur Regierungserklärung
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 2 – Regierungserklärung Düsternbrooker Weg 70 24105 KielDazu sagt die Fraktionsvorsitzende Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 von Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Anne Lütkes: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh-gruene.de Nr. 101.05 / 25.05.2005Bremsen und Vollgas zugleich!Herr Präsident, meine Damen und Herren,Politik muss gemeinwohlorientiert handeln, nur dann ist sie gerecht! Diesen Anspruch er- füllen Sie, Herr Ministerpräsident, nicht. Treffender kann ihr Programm nicht betitelt wer- den als mit „Bremsen und Vollgas geben zugleich“!Meine Damen und Herren Am 20. Februar dieses Jahres haben die WählerInnen von Schleswig-Holstein mit dem Wahlergebnis den politisch Verantwortlichen im Landtag eine schwierige Aufgabe ge- stellt. Das Vorhaben von SPD und Grünen, einer vom SSW tolerierten Rot-Grünen Min- derheitenregierung für Schleswig-Holstein, wäre ein für Deutschland noch immer unge- wöhnliches, aber demokratisch legitimiertes Unterfangen gewesen.Die ausgearbeiteten Verträge waren und sind inhaltlich und politisch ausgewogen. Sie hätten für Schleswig-Holstein ein Aufbruch sein können. Dies wurde nicht durch eine politische Auseinandersetzung verhindert, sondern durch Hinterlist. Zum 17. März 2005 ist viel, vielleicht alles, gesagt worden aber nichts vergessen.Wir alle, auch Sie Herr Ministerpräsident, sind im politischen Alltagsgeschäft angekom- men. Das dachten wir wenigstens bis zum vergangenen Sonntag. Jetzt geht der Wahl- kampf sofort weiter. Neuwahlen zum Bundestag versetzen die Herren Westerwelle und Co in Entzücken, lassen sie doch ihre eklatanten Verluste in Schleswig-Holstein und auch in NRW nebensächlich erscheinen.Für die hier im Land regierende große Koalition aber offenbart sich, kaum geschlossen, das politische Dilemma ihrer Formelkompromisse und Prüfaufträge! Im Wahlkampf rei- chen diese Kniffe vielleicht, aber kaum in der Regierungspraxis. Das Land erwartet mit Recht die Einlösung all der vollmundigen CDU-Ankündigungen, die den Landtagswahl- kampf Anfang des Jahres bestimmt haben.1/8 Schleswig-Holstein hat, da haben Sie Recht, Herr Ministerpräsident, einen guten Namen in der Bundesrepublik Deutschland und Europa. Sie wollen nun alles anders, alles bes- ser machen, so die Parole hier und in NRW in den Wahlkämpfen. Andere Antworten auf alte Fragen, wir waren gespannt und sind enttäuscht.Ihren Koalitionsvertrag haben wir genau studiert und durften feststellen, dass viel aus „unserem“ Vertrag einfach abgeschrieben wurde. So können wir natürlich ihre Grundsatzerklärung nur begrüßen, stammt sie doch weitgehend aus unserer Feder.Beispielsweise die Bestimmung der wichtigsten Problemkreise für Schleswig-Holstein ist im Wesentlichen von Grün-Rot abgeschrieben. 1. Bildungsreform 2. Arbeitsplätze schaffen und Wirtschaftswachstum voranbringen 3. Finanzpolitik und Haushaltskonsolidierung 4. Verwaltungsstrukturreform und FunktionalreformDas sind die drängenden Aufgaben, zu denen Sie, meine Damen und Herren der großen Koalition, langfristige Lösungswege aufzeigen müssen.Ihre Definition, Herr Ministerpräsident, „Arbeit schaffen, Wachstum garantieren, Haus- haltskonsolidierung anpacken“ ist vordergründig schlüssig oder wie Sie sagen, das We- sentliche. Aber was erwarten wir von einer Regierungserklärung? Wir haben keine Wahl- kampfrede aber auch keine Haushaltsrede erwartet. Eine Regierungserklärung ist die programmatische Grundsatzrede für die nächsten fünf Jahre - und Sie wollen doch fünf Jahre durchhalten?!Wir meinen: Eine kurze Ausführung zur ihren politischen langfristigen Zielvorstellungen für Schleswig-Holstein wäre angebracht gewesen.„Schleswig-Holstein ist ein wunderschönes Land, es lohnen sich Kraftanstrengungen“, das wissen die Schleswig-HolsteinerInnen genau so gut wie Sie, aber was sind die Krite- rien, an denen Sie das politische Handeln ausrichten, an welchen politischen Leitlinien messen Sie ihre Maßnahmen für dieses Land? Sie setzen auf Freiheit, Verantwortung, soziale Gerechtigkeit und Leistungsbereitschaft. Aber wie deklinieren Sie an diesen Wer- ten ihre Maßnahmen?Die Zitate im schwarz-roten Koalitionsvertrag, die Sie aus dem Rot-Grünen-SSW-Vertrag entnommen haben, enden in der Regel dort, wo Konsequenzen gezogen wurden, wo deutlich das Ziel und der Weg genannt sind. Ihr 100-Tageprogramm hilft da wenig .Es ist im Wesentlichen laufende Verwaltung, Aufstellung eines Nachtragshaushaltes, Novellierung des Kindergartengesetzes, Beginn der Verwaltungsstrukturreform – ver- bunden mit massiven Angriffen auf die ökologischen Grundlagen dieser Gesellschaft, zum Beispiel bei der „Überprüfung der Vogelschutzkulissen“ und der „Reduzierungskon- zepte“ für Tierarten.Sie geben der Energiewende und der Verkehrwende keinen Platz, setzen auf Flugver- kehr und Deregulierung.Deshalb ist zu Beginn ihrer Regierungsarbeit die Frage nach den Grundsätzen geboten.Das von Ihnen formulierte Bekenntnis zu christlicher und humanistischer Verantwortung ist nur dann glaubwürdig, wenn es sich niederschlägt in dem Anerkenntnis eines jeden Einzelnen, einer BürgerIn gleich welchen Geschlechts, welcher Hautfarbe, Alters oder Staatsbürgerschaft, in dem Anerkenntnis des Anspruchs auf gerechtes Zusammenleben.Es geht hier um Gerechtigkeit: Entgegen dem neoliberalen Mainstream ist der Freiheit wenig gedient, wenn sie beliebig viel Entscheidungsfreiheit postuliert, aber in Ermange- lung der elementarsten Existenzvoraussetzungen von der Freiheit kein Gebrauch ge- macht werden kann.Gerecht ist eine Gesellschaft dann, wenn als Menschenrecht anerkannt ist, dass eine materielle Existenzsicherung gewährleistet wird, dass geistige Entfaltung, eigene Le- benspläne und Eigenständigkeit möglich bleiben. Gerecht ist eine Gesellschaft, die ande- re respektiert in ihrer Gleichheit aber auch Differenz und die ökologischen Grundlagen der Menschheit achtet.Freiheit, Wohlstand, soziale Sicherheit und die natürlichen Lebensgrundlagen zu bewah- ren, formulieren alle Parteien und Fraktionen dieses Landtages als Ziel des politischen Handelns. Aber, Herr Ministerpräsident, bei Ihnen fehlt die soziale und ökologische Ge- rechtigkeit, auch wenn Sie heute zweimal „sozial gerecht“ gesagt haben.Es fehlt die Vision der zukunftsfähigen Zivilgesellschaft, einer gerechten Gesellschaft. Aber an dem Verhältnis zur Gerechtigkeit ist eine moderne Regierung zu messen. Und dabei, meine Damen und Herren, gehen wir von einem Gerechtigkeitsbegriff aus, der umfassend ist, der Generationen- wie Geschlechtergerechtigkeit und Gerechtigkeit ge- genüber Natur und Umwelt beinhaltet, sich aber nicht in sozialdemokratischer und christsozialer Verteilungsgerechtigkeit erschöpft.Mutige Reformen sind bundesweit gefragt. Allerdings nicht im Sinne konservativer und neoliberaler Freiraumpolitik, die im Bundesrat blockiert oder sich enthält. Im Blick auf die kommende Bundestagswahl sagen wir deutlich:- Wir brauchen eine neue Struktur des föderalen Systems in der Bundesrepublik Deutschland. - Wir brauchen eine Neuordnung der Bundesländer, bis hin zur Gebietsreform. - Wir brauchen ein Ende der Kleinstaaterei in Deutschland. - Wir brauchen eine andere, eine starke Vertretung in Europa für ganz Deutschland. - Wir brauchen eine Einkommenssteuerreform, die Familien und Kinder stützt. - Wir brauchen eine Senkung der Lohnnebenkosten, eine Reform der sozialen Siche- rungssysteme, insbesondere die Einführung der Bürgerversicherung.Sozial feindlich wäre die Einführung der unsozialen Kopfpauschale oder gar der völligen Privatisierung der Krankenkassen. Unmenschlich ist auch die von Frau Merkel propagier- te Aushebelung des Kündigungsschutzes!Und was bedeutet dies für Schleswig-Holstein? Für Schleswig-Holstein verkündete der Finanzminister in der vergangenen Woche, das Ausmaß der zu erwartenden Staatsver- schuldung nehme ungeahnte Ausmaße an, eine Haushaltssperre wurde verhängt und in den Ressorts wird Geld eingesammelt.Was aber sind die Kriterien, an denen Sie dieses Einsammeln ausrichten? Es müssen die der Gerechtigkeit im Konkreten sein. „Wir wollen bremsen und Gas geben“ sagen Sie, Herr Ministerpräsident, oder besser Vollgas, wie Herr Wigard sagt. Schöner kann man eine große Koalition nicht beschrei- ben.Gewöhnlich führt Gas geben und Bremsen zugleich entweder zur völligen Blockade oder zum Schleudern, auf jeden Fall aber zu abgenutzten Reifen und überflüssigem Energie- verbrauch. Allerdings haben wir uns bereits angewöhnt, ihre Floskeln nicht auf ihre Wahrhaftigkeit zu prüfen.Was also möchten Sie verlangsamen, was möchten Sie beschleunigen?Ausgaben für Arbeit und Bildung und der Schleswig-Holstein Fonds sind vom Sparzwang ausgenommen. Natürlich müssen wir gerade die mitteständische Wirtschaft in Schles- wig-Holstein unterstützen - allerdings zu welchem Preis, zu wessen Lasten? Was ist der Unterschied zum Investitionsfond der vergangenen Jahre, der in den Regionen den Mit- telstand unterstützt hat?Lächerlich ist die Hoffnung des Finanzministers, der Haushalt werde durch die Strei- chung der Aufgabe „Krähennester zu zählen“ spürbar verbessert. Das ist ein Rückfall in die Haushaltsreden der CDU-Opposition der letzten Jahre, sie gaben sich der Illusion hin, es läge einzig an den behaupteten „Grünen Spielwiesen“, die die nachhaltige Sanie- rung der Finanzen blockierten. Sie müssen nun zugeben, dass die Haushaltssanierung nicht allein durch Einsparungen zu erreichen ist, dass das Land mehr Einnahmen braucht. Und dass im Bund eine Steuerrechtsreform überfällig ist.Bedeutet dies nun, Herr Ministerpräsident, dass sie der Streichung der Eigenheimzulage im Bundesrat zustimmen? Bedeutet dies, das Sie die Reform der Einkommenssteuer mit- tragen, macht Schleswig-Holstein jetzt noch einmal einen Vorstoß im Bund, das Ehegat- tensplitting abzuschaffen, wie wir es schon vor Jahren taten, zum Entsetzen der Bundes- CDU? Bedeutet dies, dass Sie jetzt endlich auf Bundesebene mit uns die Senkung der Lohnnebenkosten vorantreiben, dass Sie endlich einsehen, dass eine Unternehmens- steuerreform - gegenfinanziert - kommen muss? Oder verstecken Sie sich jetzt einfach bis zur Bundestagswahl hinter Enthaltungen?Die Werbetrommel für Schleswig-Holstein mögen Sie rühren wollen, aber es gilt bundes- politische Konzepte voranzutreiben, die Blockadehaltung der schwarzen Ministerpräsi- denten im Bundesrat aufzugeben.Erneut kündigen sie an, über 2000 Stellen zu streichen. Bedeutet dies, dass CDU und SPD jetzt endlich die Reform des öffentlichen Dienstrechts bis hin zu einer Veränderung des Artikel 33 V GG mittragen?Auch wir sind nach wie vor der Auffassung, dass die Reform der Verwaltungen im Land und in den Kommunen sowie eine konsequente Gebietsreform unabdingbar ist. Das Grüne Konzept liegt vor und findet große Zustimmung, gerade vor Ort!Aber stimmen die regierungstragenden Fraktionen unter Ihrer Führung morgen unserem Vorschlag unter TOP 17 zu, zügig eine Arbeitsgruppe zur Verwaltungsstrukturreform einzurichten oder lassen Sie dem freien Spiel der Kräfte ihren Lauf? Und treiben die MitarbeiterInnen durch allgemeine Streichungsankündigungen in die innere Emigration statt sie zu großer Kraftanstrengung zu motivieren? Meine Damen und Herren von der Großen Koalition, werden Sie mit uns eine Enquete- kommission „Nordstaat“ einsetzen? Ihr rhetorischer Schlenker einem virtuellen Nordstaat in Gegensatz zur echten Kooperation zwischen den Ländern zu setzen, lenkt lediglich ab.Es geht ganz handfest um den weiteren Weg von der Kooperation zur umfassenden Ge- biets- und Staatsreform, der entwickelt werden muss! Im Norden und in ganz Deutsch- land! 16 Landesverwaltungen, 16 Landtage, 16 Regierungen in Europa der Staaten und Regionen ist ein Anachronismus.Aber seitdem die Herrn Stoiber und Müntefering die Föderalismuskommission unprofes- sionell haben scheitern lassen, ist der Weg zu einer echten Reform des föderalem Sys- tems der Bundesrepublik verbaut.Es ging und geht stets um machtpolitisches Gezerre, ohne die Chance in einer strafferen Struktur zu erkennen, die gleichzeitig bürgernah bleibt. So könnte man tatsächlich eine moderne Form eines europatauglichen föderalen Staates schaffen, wenn nicht die Inte- ressen der Fürstentümer sich stets durchsetzen würden. Auch bei Ihnen, Herr Minister- präsident, taucht der Kampf Bund gegen Länder erneut als Leitmotiv auf.Schade, ich dachte wenigstens der rote Teil des Kabinetts hätte aus den Erfahrungen der Föderalismuskommission gelernt.Abbau von Bürokratie ist, Herr Staatssekretär Schlie, kein Zaubermittel. Insbesondere dann nicht, wenn der Abbau mit dem Aufbau Ihrer Behörden beginnt. Das hat schon Schildbürgercharakter. Und wenn man zudem der Chimäre einer überbürokratisierten Umweltverwaltung hinterherläuft. Spannend wäre es, wenn Sie sich einmal mit nachhal- tigem Umwelt- und Naturschutz und Steuerungsmöglichkeiten auseinandersetzen wür- den, statt Jagd auf Kormorane und Grüne zu machen.Die komplette Kommunalisierung der staatlichen Umweltämter ist der falsche Weg, Um- weltgesetze zurecht zu stutzen, Standards zurückzufahren, die Förderung der Grünland- wirtschaft zu streichen, dies sind Schritte die ein sinnvolles, nachhaltiges Umgehen mit der Natur wahrlich vermissen lassen. Von den acht zu überprüfenden Gesetzen, die Sie nennen, sind sechs umweltpolitische. Dass droht ein echter Rückschritt zu werden! Das müssen Sie ihren Kindern und Enkeln erklären!Und wie wirken sich die harten Sparmaßnahmen aus? Wo ist die Aussage zur - langfris- tigen - sozialen Ausgewogenheit ihrer Sparmassnahmen? Ausgaben für Arbeit sind von der Sparverordnung ausgenommen, während gleichzeitig für die nächsten Jahre alle Zu- schüsse und Förderprogramme „deutlich und gleichmäßig“ gekürzt werden. Ist also das Rasenmäherprinzip ihre Leitlinie für die nächsten fünf Jahre?„Vorrang hat, was Arbeit schafft“ stand auf Ihrer CDU-Agenda im Januar 2005. Der Koali- tionspartner SPD hat es übernommen. Wir fragen uns, was dies für die soziale Infrastruk- tur dieses Landes bedeuten wird. Was bedeutet dies langfristig für die Jugendaufbau- werke, was für die Aus- und Fortbildungsmaßnahmen in den Justizvollzugsanstalten, was wird aus den 12 Beratungsstellen „Frau und Beruf“, um nur einige Beispiele zu nen- nen?Die Leitlinie der Gerechtigkeit erfordert nachhaltiges Konsolidieren, nicht kurzfristiges Umlenken von zusammen gesammelten 45 Millionen Euro. Sie erfordert, die Sparmaß- nahmen so einzusetzen, dass das soziale Gefüge für die Menschen in Schleswig- Holstein erhalten bleibt.Was schlagen Sie vor, für die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen? Eine ehrliche Bilanzierung von Hartz IV? Sie haben Hartz IV im Bund mitbeschlossen und jetzt darf ihr Finanzminister von einer Missgeburt sprechen?Finanz- und Haushaltspolitik kann nur als gerecht gelten, wenn sie sich der gesell- schaftspolitischen Verantwortung stellt. Eine Sparpolitik, die Zukunfts- und Wachstums- potenziale zerstört, ist unverantwortlich.Kultur hat es schwer, sagen Sie, aber Sie hat ja Ihr Herz, Herr Ministerpräsident. Aber hat Sie auch die notwendige Professionalität in der Verwaltung, in den Ministerkonferen- zen? Es ist ein fatales Signal, der Kultur das eigenständige Ressort zu nehmen. Wir kommen darauf in dieser Landtagssitzung, auf unseren Antrag hin, noch zurück.Es ist unsäglich, die Kulturhoheit des Landes auf die Hochkultur zu reduzieren. Wo bleibt der gesamte soziokulturelle Bereich, wo die Gedenkstätten- und Erinnerungsarbeit?Schleswig-Holstein ist ein weltoffenes Land, es gilt europaweit als Vorbild für partner- schaftliches Zusammenleben und eine exemplarische Minderheitenpolitik, für menschli- che Ausländer- und Asylpolitik. Kulturelle Vielfalt gehöre, so schreiben auch sie es in ih- rem Vertrag, zu Schleswig-Holstein. Kulturelle Vielfalt impliziert wechselseitigen Respekt, dieser offenbart sich Detail! Und dort werden sie dann ehrlich!Frauen, meine Herren, sind nicht lediglich Objekt der Familienpolitik. Der Satz von dem Recht auf Gleichheit und Differenz im Grundgesetz verpflichtet. Die Landesregierung hat bei der tagtäglichen Umsetzung der gebotenen Geschlechtergerechtigkeit eine Vorreiter- rolle einzunehmen. Es stimmt bedenklich, wenn das Kabinett nicht quotiert ist und die CDU gerade mal eine Staatsekretärin und eine ehrenamtliche Beauftragte aufbieten kann. Im übrigen, ausgewiesene Fachfrauen sollten es nicht nötig haben, sich zu Alibifrauen degradieren zu lassen.An der Frauenpolitik ist zu erkennen, wie ernst die Geschlechtergerechtigkeit genommen wird. Der kulturelle Unterschied zeigt sich genau hier!Eine Gesellschaft kann auch tot gespart werden. Es gilt, die jugendpolitische Infrastruktur zu erhalten, dies ist für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft unabdingbar. Beteiligungs- politik ist keine grüne Luxusunternehmung, wenn Demokratie nicht von Kindesbeinen her gelernt wird, wird Politikverdrossenheit zur Lebenslinie.Die Sozial- und Jugendministerin hat im Vertrag eine Fortschreibung der bisherigen Poli- tik formuliert, nur wo bleibt die gebotene Klarstellung in der politischen Schwerpunktset- zung, wo bei den Finanzen!Jedes Kind hat einen Anspruch auf eine Kultur des Aufwachsens, einen Anspruch auf Bildung, und dies bedeutet wahrlich nicht nur schulische Bildung. Nirgendwo anders als in Deutschland ist der Zugang zu gerechten Bildungschancen abhängiger von Herkunft und Geld der Eltern! Schleswig-Holstein kann ein Land für Kinder bleiben, wenn die Kon- sequenzen aus Baby-Pisa gezogen werden. Hier hatte dann das Abschreiben bei Grün einmal mehr ein Ende. Das Programm Clever oder erfolgreich starten für frühkindliche Bildung suchen wir vergebens. Frühkindliche Bildung muss eingebunden werden in den Dreiklang der Jugendhilfe, Er- ziehung, Betreuung und eben Bildung! Das kostet auch bei einer desolaten Haushaltsla- ge Geld, dabei reicht es nicht die jährlichen 60 Millionen Euro auch bei abnehmender Kinderzahl im System zu belassen. Nur wenn die Qualitätsentwicklung in den Kinderta- gesstätten auch finanziell unterstützt wird, haben alle Kinder eine wirkliche Chance.Mit großen Elan und leider auch Erfolg haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU, gegen die „eine Schule für alle“ gehetzt.Mit dem Ergebnis, dass Sie nun die Gemeinschaftsschule auf einen Schulversuch reduzieren. Recht hat der Kollege Baasch aus Lübeck: Das geht so nicht!Kinder bezeichnen Sie als das persönliche Lebensglück ihrer Eltern und als unsere Zu- kunft. Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten, sie haben ein Recht auf Bildung, sie haben ein Recht auf Chancengleichheit!Zu Ihrer persönlichen Bemerkung zu Studiengebühren, Herr Ministerpräsident: Sie haben das falsch verstanden. Wir finden es nicht selbstverständlich und auch nicht völlig in Ordnung, dass hohe Kindergartenbeiträge erhoben werden! Nein, Bildung von der früh- kindlichen bis zum Erststudium muss frei zugänglich werden und bleiben.Die gerechte Zivilgesellschaft braucht die verlässliche Grundlage des Rechts. Innere Si- cherheit ist im bürgerrechtlichen Sinne mehr als eine starke Polizei. Wer sie, wie der schwarz-rote Vertrag, auf polizeiliche Sicherheit reduziert, der verletzt schon im Ansatz verfassungsrechtliche Grundprinzipien. Freiheit darf nicht gegen Sicherheit ausgespielt werden. Sie begeben sich schrittweise auf den Weg zum Überwachungsstaat!Bei der notwendigen Gerichtsstrukturreform ist die Bürgernähe der Rechtsprechung zu garantieren. Wer lediglich die Anzahl der Amtsgerichte schließen will, ohne eine andere Struktur der Gerichtsverwaltung und des Gerichtsaufbaus in der ordentlichen Gerichts- barkeit zu entwickeln, missachtet die besondere Aufgabe der erstinstanzlichen Arbeit der Amtsgerichte.Das Gericht der Zukunft ist das bürgernahe Eingangsgericht - vom Wesen her Amts- und nicht Justizzentrum in Beton gegossen und den Landgerichten nachgebildet. Rechtspre- chung hat viele Aspekte, wer sie auf die Strafjustiz reduziert, hat nichts verstanden.Eine große Justizreform darf nicht gleichgesetzt werden mit dem Abbau der Rechtsmittel, dies kommt einer technokratischen Verkrüppelung der dritten Gewalt gleich.Opposition heißt für uns Grüne Wachsamkeit, heißt aber auch Weiterdenken. Wir wollen einen tragfähigen Entwurf einer gerechten Gesellschaft. Wir geben den Weg zu Bil- dungsgerechtigkeit und Chancen für alle Kinder nicht auf, auch wenn Ihnen der Mut fehlt. Die gebührenfreie Kindertagesstätte, das gebührenfreie Erststudium sind notwendige Bestandteile einer wirklich kinderfreundlichen Gesellschaft.Wir wollen eine Wirtschaftspolitik, die die Stärken Schleswig-Holsteins, zum Beispiel bei den erneuerbaren Energien, fördert und nicht bremst, ein Steuer- und Abgabensystem, das Verbrauch besteuert, eine Energie- und Verkehrswende betreibt und den Wiederein- stieg in die Atomenergie verhindert!Eine Auseinandersetzung mit der demographischen Entwicklung umfasst alle Lebensbe- reiche. Infrastrukturentscheidungen, ob im Wohnungsbau oder der Verkehrspolitik müs- sen der veränderten Bevölkerungsentwicklung angepasst werden.Und dies, meine Damen und Herren, bedeutet, dass sich diese Gesellschaft mit ihrem überkommenen Arbeitsbegriff auseinandersetzen muss, Arbeit subsummiert nicht ledig- lich Produktion und Dienstleistung, sondern eine vielfältige Palette sozialer gemeinnützi- ger Tätigkeiten bis hin zur Familienarbeit.Regierungen schaffen keine Arbeitsplätze, das weiß auch unser Ministerpräsident, aber Regierungen sind verantwortlich für die Grundlagen, für die Wahrung der gerechten Rahmenbedingungen. Und um diese zu gewährleisten reicht das Versprechen hart zu arbeiten nicht, Sie müssen auch hart nachdenken. Ich wünsche dem Land das dies ge- lingt! ***