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05.04.05
15:31 Uhr
Landtag

Landtagspräsident Kayenburg: "Position beziehen und uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst bleiben"

35/2005 Kiel, 5. April 2005 Sperrfrist: 5. April 2005, 18:30 Uhr Es gilt das gesprochene Wort!


Landtagspräsident Kayenburg: „Position beziehen und uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst bleiben“
Kiel (SHL) – In seinem Grußwort zur Ausstellungseröffnung „Kirche, Christen, Juden in Nordelbien 1933 - 1945“ am heutigen Dienstag (5. April) im Kieler Landeshaus sagte Landtagspräsident Martin Kayenburg unter anderem:
„Die Wanderausstellung ‚Kirche, Christen, Juden in Nordelbien 1933 -1945’ will nicht unterhalten. Sie verlangt vielmehr nach Auseinandersetzung. Sie ver- pflichtet zur Beschäftigung mit unserer Vergangenheit und sie zwingt 60 Jahre nach Kriegsende, dass wir Position beziehen, dass wir uns unserer gesell- schaftlichen Verantwortung für die Folgen des Nationalsozialismus bewusst bleiben.
In den vergangenen Jahren, in denen die Ausstellung schon an vielen Orten in Schleswig-Holstein gezeigt wurde, hat sich bestätigt, dass die Besucher dieser Ausstellung sich in der Tat mit unserer Geschichte auseinander setzen wollen; denn außerhalb der rechten politischen Szene will heute wohl niemand mehr die Verbrechen des Nationalsozialismus vertuschen.
In diesem Zusammenhang sei mir auch ein Satz zur letzten Landtagswahl ge- stattet: Wie auch immer man das Ergebnis beurteilen mag, ein uneinge- schränkt positives Teilergebnis hat es gegeben: Die NPD ist – weit abgeschla- gen – nicht in unseren Landtag eingezogen; die gleiche Hoffnung haben wir auch für die bevorstehenden Wahlen in Nordrhein-Westfalen.
Die zum Teil unglückliche und manchmal auch verantwortungslose Rolle der beiden christlichen Kirchen im 3. Reich ist ein Aspekt, der offenbar verdrängt wurde oder vielen Menschen nicht genügend bewusst geworden ist. Viele Jah- re, ja Jahrzehnte, wurde die Rolle auch der Evangelischen Kirche im 3. Reich nicht thematisiert, weder im kirchlichen noch im politischen Raum. 2


Dies zu verändern, war von Anfang an das Ziel dieser Ausstellung. Kirchliches Fehlverhalten sollte offen und unvoreingenommen dargestellt werden. Es sollte und soll mit dieser Ausstellung zur Auseinandersetzung mit diesem Teil unse- rer Geschichte angeregt werden, ohne moralische Werturteile vorzugeben oder gar auszusprechen.
Diese Ausstellung und die sie begleitenden zahlreichen Veranstaltungen haben aber dazu beigetragen, dass auch dieser Bereich unserer Landesgeschichte vielen Menschen deutlich geworden ist. Die Augen zu öffnen, neue Sichtwei- sen zu ermöglichen, Bewusstsein zu schaffen – das ist das wichtige mit dieser Ausstellung verfolgte Anliegen.
Viele der Dokumente, die hier ausgestellt sind, werden uns erschüttern. Wer kann sich heute vorstellen, dass sieben Landeskirchen, darunter auch Schleswig- Holstein und Lübeck, am 17. Dezember 1941 folgende Erklärung abgaben:
‚Die nationalsozialistische deutsche Führung hat mit zahlreichen Dokumenten unwiderleglich bewiesen, dass dieser Krieg in seinen weltweiten Ausmaßen von den Juden angezettelt worden ist.’ Und – unter Berufung auf Martin Luther for- derten sie, ,schärfste Maßnahmen gegen die Juden zu ergreifen und sie aus deutschen Landen auszuweisen. Durch die christliche Taufe’, so heißt es weiter in der Erklärung, ‚wird an der rassischen Eigenart eines Juden, seiner Volkszu- gehörigkeit und seinem biologischen Sein nichts geändert. Eine deutsche evan- gelische Kirche hat das religiöse Leben deutscher Volksgenossen zu pflegen und zu fördern. Rassejüdische Christen haben in ihr keinen Raum und kein Recht.’
Das heutige Datum, der 5. April 2005, ist aber guter Anlass, einen Blick auf einen Christen zu werfen, der für ein ganz anderes Christentum stand und dafür sein Leben verlor: Heute vor 60 Jahren gab Hitler den Befehl zur Ermordung von Dietrich Bonhoeffer.
Dietrich Bonhoeffer war ein entschiedener Verfechter der Barmer Erklärung. Die Barmer Erklärung wurde schon im Mai 1934 von oppositionellen Vertretern der Kirche aus allen Teilen des Deutschen Reiches verabschiedet.
Ich will die zweite These dieser Barmer Erklärung zitieren und sehr bewusst der Erklärung von 1941 und unserer heutigen Situation gegenüber stellen. Dort heißt es: ‚Wir verwerfen die falsche Lehre, als gäbe es Bereiche unseres Lebens, in denen wir nicht Jesus Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären, Berei- che, in denen wir nicht der Rechtfertigung und Heilung durch ihn bedürften.’
Wer diese These mit der vorhin zitierten Erklärung aus dem Jahr 1941 vergleicht, erkennt, dass die Verfasser und Vertreter der Barmer Erklärung das Unrecht erkannt hatten, das der NS-Staat anrichtete. Sie hatten auch den Mut, dies öf- fentlich zu sagen. Sie nahmen als bekennende Christen Stellung gegen die Rechtsbrüche des nationalsozialistischen Staates, und gegen die Versuchung der Gleichschaltung der Kirche mit dem Staat. Diese Erkenntnis mag uns die Auseinandersetzung mit der Ausstellung und unserer Vergangenheit leichter machen, sie sollte uns vor allem aber Mahnung sein, unsere Entscheidungen an den ethischen Normen des christlichen Grundgesetzes, der Bibel, zu orientie- ren – unbeeindruckt vom jeweiligen Zeitgeist.“