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25.02.05
13:13 Uhr
Landtag

Arens: Friesisch muss noch mehr als bisher ein öffentliches Forum erhalten

28/2005 Kiel, 25. Februar 2005 Sperrfrist: 27. Febr., Redebeginn Es gilt das gesprochene Wort!


Landtagspräsident Arens: Friesisch muss noch mehr als bisher ein öffentliches Forum erhalten
Kiel (SHL) – In seiner Rede beim friesischen Biike-Empfang am Sonntag (27. Febr.) in Leck sagte Landtagspräsident Heinz-Werner Arens unter anderem:
„Das Abbrennen der Biike-Feuer auf dem Festland und den Inseln an der Nord- see-Küste von Schleswig-Holstein ist eine alte Tradition. In grauer Vorzeit – vor über zweitausend Jahren – wollten die Insulaner mit dem Opferfeuer den nordischen Göttervater Wotan gnädig stimmen. Der Sage nach mutierte der Brauch im 17. Jahrhundert zu einem Signalfeuer und Abschiedsfest für die Walfänger, bevor diese sich auf ihre lebensgefährliche Reise in nördliche Ge- wässer begaben. Der alte heidnische Brauch, im Februar lodernde Freudenfeuer zu entzünden, lockt auch in der Gegenwart ganze Ortschaften an die Strände der Nordsee. Ob es stürmt, regnet oder schneit – beim Biike-Brennen wird der Winter mit Feuer und Flamme aus dem Land getrieben. Nicht nur die Einheimischen, sondern immer mehr Menschen aus allen Teilen der Republik und aus dem nahen Ausland stimmen in die Lieder ein, die am lodernden Feuer gesungen werden. Gläser mit dampfendem Glühwein kreisen, launige Ansprachen sind zu hören. Und nach dem Genuss von wärmenden Getränken kann man sich durchaus mit dem Gedanken anfreunden, dass die Biike-Feuer in Wirklichkeit deshalb entfacht wurden, um den daheim gebliebenen Männern auf den Nach- barinseln zu signalisieren, dass die Strohwitwen jetzt ganz allein zu Hause wa- ren und dringend männlichen Schutzes bedurften…
Die Biiken sollen aber auch Aufforderung gewesen sein, zum Thing, also zum Versammlungs- und Gerichtstag zu kommen. Hier wurden Gesetze bekannt 2


gegeben, Steuern eingetrieben und andere wichtige Rechtsangelegenheiten geregelt. Vom Eintrieb der Steuern will ich absehen, und Rechtsangelegenhei- ten werden bei uns nicht mehr am Lagerfeuer geregelt. Aber es freut mich, dass ich dem alten Brauch folgend bekannt geben kann: Der Landtag hat im letzten November das so genannte ‚Friesisch-Gesetz’ mit großer Mehrheit ver- abschiedet.
Dieses Gesetz bewirkt eine Stärkung der friesischen Sprache. Zukünftig darf Friesisch im Kreis Nordfriesland und auf Helgoland neben dem Hochdeutschen im Umgang mit Behörden verwendet werden. Auch können Friesisch- Kenntnisse von nun an ein Einstellungskriterium für den öffentlichen Dienst sein. Und schließlich dürfen die friesischen Farben und das friesische Wappen neben den schleswig-holsteinischen Insignien verwendet werden. Mit diesem Gesetz haben wir somit auch eine stärkere Verankerung des Friesischen im täglichen Leben erreicht. Und es zeigt erneut, dass das fraktionsübergreifende Engagement der schleswig-holsteinischen Politik für die Rechte der Minderhei- ten in unserem Land zu einer guten Tradition geworden ist.
Doch Gesetze allein reichen nicht aus, um Kulturgüter wie das Friesische zu schützen und zu fördern. Friesisch muss noch mehr als bisher ein öffentliches Forum erhalten.
In unserer Gesellschaft verbringen viele Menschen eine beachtliche Zeit des Tages vor Fernsehschirmen und Radioapparaten. Der erläuternde Bericht zur Sprachencharta hebt die besondere Bedeutung der Medien für die Minderhei- tensprachen hervor: „Der Platz, über den Minderheitensprachen in den Medien verfügen, ist entscheidend für ihr Überleben.“ Gerade der Rundfunk ist ein wichtiger und einflussreicher Faktor für die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung. Er hat die Möglichkeit, eine beachtliche Integrationswirkung zu entfalten: Durch seine Programmgestaltung kann er Minderheit und Mehr- heit aufeinander zuführen und zu einem besseren gegenseitigen Verständnis beitragen.
In Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern bekommen Min- derheiten immer selbstverständlicher Zugang zu öffentlich-rechtlichen Medien. Der MDR z. B. bietet mit WUHLADKO ein monatliches Fernsehmagazin sowie ein tägliches Radioprogramm in Sorbisch an.
Ich bin sicher, dass auch das Friesische zukünftig immer mehr ins öffentliche Bewusstsein rückt. Das liegt zum einen an der typisch friesischen Eigenart, hartnäckig und unerschrocken auf etwas hinzuarbeiten. Und eine größere Me- dienpräsenz ist – wie wir auch im Friesengremium immer wieder erleben – er- klärtes Ziel. Zum anderen gibt es das unverzichtbare Engagement des Nordfriisk Instituut, aber auch friesischer Vereine, wie dem ‚ferian för en nuurd- 3


fresk radio’, welcher sich seit 1999 um nordfriesische Sendeplätze in den elekt- ronischen Medien bemüht und kleine Filme über friesische Belange in Auftrag gegeben hat. Diese Filme finden auch über die friesische Volksgruppe hinaus Beachtung. Der Dokumentarfilm über Lorenz Conrad Peters wurde auf den Husumer Filmtagen präsentiert. Und der gebürtige Amrumer Hark Bohm sagte über den Film ‚Ik mai Sölring’, dieser transportiere ‚vorbildlich die mögliche Re- naissance der friesischen Sprache’. Ich freue mich darauf, den Film zum The- ma ‚Minderheiten in Deutschland’ im weiteren Verlauf dieses Empfangs zu se- hen. Auch auf die Musik der Gruppe ‚Drones & Bellows’ bin ich freudig ge- spannt. Diese Musiker haben sich sowohl um die friesische Sprache als auch um das gleichberechtigte Nebeneinander von Kulturen verdient gemacht. Be- sonders beeindruckt hat mich ihre gemeinsam mit dem nordfriesischen Duo ‚Dragseth’ aufgenommene CD: Fünfzehn Lieder in der sprachlichen Tradition und Vielfalt Nordfrieslands und der Westküste Südjütlands erzählen von Land- schaft, Geschichte und Menschen der Region ebenso wie von Traditionen wie ‚Rommelpottlopen’ oder ‚Biikebrennen’.
Die Tradition des Biike-Brennens ist keineswegs nur Nostalgie oder Touristen- attraktion. Sie ist ein Zeichen dafür, dass das Friesische weiter lebt. Das tradi- tionelle friesische Fest hat eine große Stärke: Auf nicht-akademischem Wege vermittelt es, dass die Bewahrung der heimischen Kultur Spaß machen kann. Dass Jung und Alt, Einheimische und Fremde, Minderheit und Mehrheit zu- sammen gebracht werden. Und dass die Tradition so dazu beiträgt, unsere Welt schöner, interessanter und friedlicher zu machen.“