Hermann Benker zu TOP 28: Langzeitbeurteilung statt Schnelldurchgang
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 28.01.2005 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 28 – EU-Chemikalienverordnung (REACH)Hermann Benker:Langzeitbeurteilung statt SchnelldurchgangVor Wahlen häufen sich die Anträge der Opposition, hier der CDU, die mitten im Verfah- rensgang, also aus der Ausschussberatung heraus, einen Tagesordnungspunkt ins Par- lament bringen. Mit solchen Anträgen versucht die Opposition den Eindruck zu erwecken, dass die Regierung noch nicht tätig geworden ist. Das ist ihr gutes Recht, aber das Ge- genteil ist der Fall.Die Angehörten waren mit dem Verfahren und der Einflussnahme des Wirtschaftsministe- riums auf die EU-Chemikalienverordnung einverstanden und zufrieden. (Der Wirtschaft- sauschuss hat sich am 03.11.2004 und am 01.12.2004 mit dieser Chemikalienverord- nung beschäftigt.) Die Anhörung vom 12.01.2005 ist noch nicht ausgewertet. Der Aus- schuss hat weder die Ergebnisse beraten noch Folgerungen gezogen. Deshalb kann der vorliegende Antrag ebenfalls nur in den Ausschuss überwiesen werden.Die Landesregierung hat sich in einer Stellungnahme zum ersten Mal an einer Internet- konsultation der Kommission beteiligt. Im Verbund mit vielen anderen Stellungnahmen sind von 25 konkreten Vorschlägen neun übernommen worden. Das kann man einen Er- folg nennen. Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-Die Notwendigkeit auf der einen Seite, das derzeitige System für Chemikalienmanage- ment in der EG für die Wirtschaft noch effizienter zu machen und Doppelregelungen zu vermeiden, auf der anderen Seite die im Markt befindlichen so genannten Altstoffe zu er- fassen, bleibt nach wie vor unsere Forderung. Um die Bedeutung und das Volumen deut- lich zu machen: 100.000 Altstoffe sind noch nicht untersucht. 3.800 neue Stoffe sind seit 1981 angemeldet und damit untersucht. 99 % des Gesamtvolumens der auf dem Markt befindlichen Stoffe sind die noch nicht untersuchten Altstoffe und gerade bei diesen Alt- stoffen haben wir hinsichtlich der Langzeitwirkung überhaupt keine Erkenntnisse.Wir stellen nur fest, dass Allergien, Asthma, bestimmte Krebsarten und Fortpflanzungs- störungen zunehmen. Wir können die Beteiligung der Chemie nicht ausschließen, aber wir wissen nicht, welche Chemikalien ursächlich daran beteiligt sind. Die Notwendigkeit einer EU-Chemikalienverordnung erkennt auch die CDU in ihrem Antrag an. Aber dies rechtfertigt nicht, mitten im Verfahren nur schnell mal vier Punkte ins Parlament zu brin- gen und beschließen zu lassen.Die chemische Wirtschaft weiß sich bei der Landesregierung in guten Händen (Herr Ga- lonzka ist mehrmals namentlich genannt worden). Aber wir werden Umweltschutz und Langzeitbeurteilung sowie Wirtschaftlichkeit und Praktikabilität sehr sorgfältig miteinander abzuwägen haben.Wie wichtig die Richtlinie zur Überprüfung und Katalogisierung von chemischen Verbin- dungen ist, will ich an zwei Beispielen deutlich machen: Das Pflanzenschutzmittel Atrazin, das vor mehr als zehn Jahren verboten wurde, ist immer noch im Grundwasser in einem Umfang vorhanden, dass es bei der Aufbereitung von Trinkwasser ausgesprochen große Schwierigkeiten macht. (Nachzulesen in der ZFK vom Januar 2005). Nach 1991 wurde dafür als Herbizid Terbuthylazin eingesetzt. Und - wie das Leben so spielt - auch dieses Mittel steht im Augenblick im Verdacht, das Grundwasser langfristig zu schädigen. Dabei -3-kommt es nicht immer auf den gelieferten Endstoff an, der in der Natur ausgebracht wird, z. B. in der Landwirtschaft, sondern auch auf die Abbauprodukte.Lassen Sie mich abschließend noch ein Beispiel nennen. Diesmal nicht aus der Land- wirtschaft. Wenn im Anforderungsprofil für die Bundeswehr und die Polizei Tränengas ausgewechselt wird, ist das zunächst einmal ein rein versorgungstechnischer Vorgang. Firma A liefert nicht mehr, also Anforderung bei Firma B. Es wird CN- oder CS-Gas an- geboten. Nun ist der Wechsel von CN zu CS nicht nur der Austausch eines Buchstabens, sondern er wäre, würde er in dieser Form vollzogen, ein Wechsel von Chlorazeton- Phenon hin zu Chlorbenzylitenmalodinitril. Da letzteres wirksamer ist und zusätzlich Wür- gereize hervorruft, könnte die Entscheidung dafür ausfallen. Aber niemand weiß aus die- ser Beschreibung, welche Langzeitwirkungen dieses Mittel hat, ob karzinogene oder mu- tagene Bestandteile darin enthalten sind, und deshalb ist REACH wichtig.Also, ich wiederhole mich, hier sind Fachleute gefragt – ich nicht, ich habe mir das alles nur angelesen –, um die Problematik deutlich zu machen und wie wichtig die Fortsetzung der Arbeit im Detail im Ausschuss ist.