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26.01.05
11:16 Uhr
FDP

Wolfgang Kubicki: "DNA-Analyse kein Thema für populistischen Wahlkampf"

FDP Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1



Presseinformation Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Dr. Heiner Garg, MdL Nr. 022/2005 Stellvertretender Vorsitzender Dr. Ekkehard Klug, MdL Kiel, Mittwoch, 26. Januar 2005 Parlamentarischer Geschäftsführer Christel Aschmoneit-Lücke, MdL Sperrfrist: Redebeginn Joachim Behm , MdL Günther Hildebrand, MdL Es gilt das gesprochene Wort! Veronika Kolb, MdL
Rechtspolitik/ DNA-Analyse



www.fdp-sh.de Wolfgang Kubicki: „DNA-Analyse kein Thema für populistischen Wahlkampf“ In seinem Redebeitrag zur Aktuellen Stunde (Ausweitung der DNA- Analyse) erklärte der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Schleswig- Holsteinischen Landtag, Wolfgang Kubicki:
„Das Thema Anwendung und Ausweitung der Möglichkeiten der DNA-Analyse ist zu wichtig, um es populistisch im Wahlkampf zu verwenden. Es ist dennoch eine notwendige Diskussion, die uns weiter begleiten wird, je weiter der Stand der Wissenschaft hinsichtlich der Auswertungsmöglichkeiten von Genmatierial voranschreitet.
Die Art und Weise, wie mit diesem wichtigen Thema insbesondere in den letzten Wochen nach dem Verbrechen an dem prominenten Münchner Geschäftsmann Rudolph Moshammer umgegangen wurde, war aus Sicht meiner Fraktion unangemessen und verfehlt. Die DNA-Analyse als wichtiges Instrument zur Aufdeckung von Straftaten wurde quasi als biblisches Heilmittel der Verbrechensbekämpfung dargestellt. Diejenigen, die vor juristischen Schnellschüssen warnten und auf das verfassungsmäßig garantierte Abwehr- und Freiheitsrecht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hinwiesen, wurden fast schon als Blockierer in die Ecke der Täter – also von Schwerverbrechern gestellt.
Wir sollten uns aber davor hüten mit dem Finger auf diejenigen zu zeigen, die auf darauf hinweisen, dass es so etwas wie Grundrechte und einen Rechtsstaat gibt, dessen Aufgabe es im übrigen nicht nur ist, die Bevölkerung vor Straftätern zu schützen, sondern auch Bürgerinnen und Bürger vor unbegründeten Eingriffen durch Strafverfolgungsorgane.
Um was geht es bei der DNA-Analyse?
In jeder Zelle tragen wir unsere komplette Erbinformation, doch in circa fünf Prozent der DNA (zu deutsch Desoxiribonucleinsäure) steckt der gesamte Bauplan unseres Körpers. 95 Prozent sind sozusagen „genetischer Mörtel“ – Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 2 der nichtcodierende Bereich, auf den es die Strafverfolgungsbehörden abgesehen haben.
Aus diesem Mörtel sind nicht die Erbinformationen abrufbar, die im codierenden Bereich vorhanden sind – also in den fünf Prozent. Dennoch reicht der nichtcodierende Bereich, um die Identität einer Person mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen, da die Längen der nichtcodierenden Stränge von Mensch zu Mensch verschieden sind.
Mit dem genetischen Fingerabdruck haben die Strafverfolgungsbehörden seit Mitte der 80er Jahre ein ausgesprochen wirksames Mittel zur eindeutigen Identifizierung einer Person in der Hand. Nur bei eineiigen Zwillingen scheitert das Verfahren wegen der identischen Erbanlagen.
Der genetische Fingerabdruck erlaubt eine Aussage über die Identität von Spurenverursacher und Tatverdächtigem. Man kann also mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sagen, eine bestimmte Person hat eine am Tatort gefundene Spur verursacht.
Für den genetischen Fingerabdruck reichen Minispuren am Tatort aus, solange sie noch Erbmaterial enthalten: beispielsweise die Blutspur an einem Glassplitter, die Wurzel eines ausgefallenen Haares oder Speichel- und Zellreste an einer Zigarettenkippe.
Die DNA-Analyse ist bisher auf eine ausreichende rechtliche Grundlage gestellt. Sie hat sich aus polizeilicher Sicht in den letzten zwei Jahrzehnten sehr bewährt.
So war es möglich die beiden Mörder der Geschwister Sonja und Tom aus Eschweiler mit Hilfe der DNA-Analyse zu überführen.
In Viersen wurde ein 15-jahre zurückliegendes Vergewaltigungsdelikt mit Hilfe der DNA-Analyse aufgeklärt.
Nicht zuletzt der Mord am Münchner Geschäftsmann Moshammer konnte schnell aufgeklärt werden, weil der Täter bereits in der DNA-Datei erfasst war.
Was zeigen uns diese Fälle?
Sie zeigen uns
1. dass die DNA-Analyse ein wirksames Mittel bei der Verbrechensaufklärung ist, 2. dass die DNA-Analyse ihre Berechtigung hat, 3. das die Erfolge bei den genannten Delikten aufgrund der bereits heute geltenden Bestimmungen möglich waren und hierzu keine Erweiterung der Eingriffsbefugnisse notwendig ist und sie zeigen uns 4. dass trotz der bereits vorhandenen Speicherung einer DNA-Analyse eine Straftat nicht verhindert werden konnte.
Bei Ersttaten ist dies grundsätzlich der Fall. Jemand, der bis zum Zeitpunkt seiner Tat unbescholten gelebt hat, befindet sich in keiner Datei. Es wird also auch bei der Sicherung und Auswertung einer entsprechenden Spur keinen Treffer ergeben.

Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 3 Die Speicherung in einer DNA-Datei führt nicht grundsätzlich zu dem präventiven Effekt, dass ein Täter von weiteren Verbrechen abgehalten würde.
So war es im Fall Moshammer. Die DNA-Analyse des Täters Herish A. war bereits wegen eines Sexualdeliktes in der Gendatei eingestellt. Das hielt in von dem Tötungsdelikt an dem Münchner Geschäftsmann nicht ab.
Vom Mörder Christian Bogner wissen wir nicht, ob er vor seinem Ausbruch aus der Lübecker Justizvollzugsanstalt in einer DNA-Datei erfasst worden war. Das mag sein, aber darauf kommt es auch nicht an.
Glauben wir denn wirklich, dass jemand von der Gefährlichkeit Bogners sich von seinen Ausbruchsplänen hätte abbringen lassen, wenn er in einer solchen Datei erfasst worden wäre?
Glauben wir wirklich, dass Bogner den Landschaftsgärtner Danielsen nicht ermordet und versucht hätte dessen Identität anzunehmen, nur weil er in einer DNA-Datei erfasst gewesen wäre?
Der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Frage, ob wir die DNA-Analyse auf Bagatelldelikte ausweiten dürfen, weichen deren Befürworter aus.
Es gibt hierzu ein Urteil des Bundesverfassungsgericht aus dem Jahr 2000, dass als Ausgangstat mindestens ein Straftat im Bereich der mittleren Kriminalität vorsieht. Wir fühlen uns an diese Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts gebunden.
Diejenigen, die die Anwendung der DNA-Analyse ausweiten wollen, müssen sich folgende Fragen gefallen lassen:
1. Wann manifestiert sich eine nachhaltige normenfeindliche Einstellung bei einem Straftäter, die erwarten lässt, dass er weiterhin Straftaten, und zwar solche von erheblicher Bedeutung begehen wird? 2. Wie viele Taten mit welcher Tatschwere müssen bei einem Wiederholungstäter vorliegen, um die Gefahrenprognose zur Begehung weiterer Straftaten von erheblicher Bedeutung zu tragen? 3. Müssen die wiederholten Straftaten eine durchgehende Steigerung der Tatschwere aufweisen oder führen auch Widerholungstaten geringerer Tatschwere zu einer Gefahrenprognose relevanten Verfestigung der normenfeindlichen Einstellung?
Herr Innenminister, Sie haben hierzu das Wort!
Eine Abschaffung des Richtervorbehalts, wie es auch von einigen gefordert wird, die sich in Verbindung der DNA-Analyse mit der erkennungsdienstlichen Behandlung ergeben würde, ist aus unserer Sicht indiskutabel. Der Richtervorbehalt ist ein grundrechtssicherndes und rechtsstaatliches Verfahrenselement von hoher Bedeutung, das im übrigen gerade bei der geforderten Erweiterung der DNA-Analyse noch an Bedeutung gewinnt.
Meine Fraktion kann sich nur der Empfehlung des Deutschen Anwaltsvereines anschließen, der von politischen Schnellschüssen in der Frage der Ausweitung der DNA-Analyse ausdrücklich warnt. Der Anwaltsverein vermag, wie wir, keine Eilbedürftigkeit in dieser Frage zu erkennen. Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 4
Der Anwaltverein stellt darüber hinaus fest, dass der sogenannte genetische Fingerabdruck in keiner Weise mit dem herkömmlichen Fingerabdruck zu vergleichen sei. Er biete deutlich mehr Erkenntnismöglichkeiten.
Beratungsbedarf besteht – und auch das zu recht – bei den Datenschützern in folgenden Fragen, die wir gemeinsam, intensiv und nicht in einer aktuellen Stunde des Parlaments zu klären haben.
Dazu gehören
- die Festlegung gesetzlicher Mindestanforderungen an die Begründung des Gerichts bei Anordnungen einer DNA-Analyse, - die Präzisierung der gesetzlichen Regelungen zur Speicherung und Verwendung von DNA-Identifizierungsmustern, - die Frage nach der Einführung eines Richtervorbehaltes für die „Umwidmung“ von bei einem Beschuldigten gewonnenem DNA- Identifizierungsmuster und - die Frage der Zulässigkeit und einer entsprechenden gesetzlichen Regelung für DNA-Massentests als absolute „ultima ratio“ bei Fehlen anderer Ermittlungsmöglichkeiten.
Wir werden uns einer solchen Diskussion nicht verschließen.
Aber einer nicht begründeten, undifferenzierten Ausweitung der DNA- Speicherung werden wir uns entgegenstellen, auch und gerade dann, wenn andere die Gunst der Stunde nutzen wollen.“



Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/