Offener Brief an Herrn Finanzminister Dr. Stegner
Nr. 603/04 21. Dezember 2004 IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG PRESSEMITTEILUNG PRESSESPRECHER Torsten Haase Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.deFinanzpolitikOffener Brief Herrn Finanzminister Dr. Ralf Stegner Finanzministerium KielIhr Offener BriefSehr geehrter Herr Dr. Stegner, schade, dass Sie nun schon wieder zwei Seiten Papier brauchen, um mit keinem Wort auf die von Ihnen zu verantwortende Finanzlage unseres Landes einzugehen. Wie angekündigt habe ich erneut mit einer Kleinen Anfrage Auskunft über die tat- sächlichen Einnahmen und Ausgaben per November dieses Jahres verlangt. Wie Ihrer Antwort auf meine erste Anfrage zum Haushaltsvollzug Oktober zu entnehmen ist, kann sie mit sechs Seiten Inhalt auf drei Blatt Papier in Form der Haushaltsgrup- penübersicht beantwortet werden. Sollten Sie mehr dazu benötigen – auch mehr Zeit – bin ich gerne bereit, Ihnen zu zeigen, wie ein modernes Rechnungs- und Berichtswesen heute üblicherweise organisiert ist, um zeitnah und umfassend eine Lagebeschreibung zu geben. Die Kleine Anfrage ist das einzige Instrument, mit dem ich die von mir erwünschte Auskunft erhalten kann, weil die Landesregierung keinen Nachtragshaushalt vorlegt und die Parlamentsmehrheit meinen Antrag (Drucksache 15/3770) abgelehnt hat, dem Parlament einen entsprechenden Bericht vorzulegen. Dass ein Parlament – hier mit rot-grüner Mehrheit – es überhaupt ablehnt, die tatsächliche finanzielle Lage des Landes zu erfahren, ist für sich schon ein bemerkenswerter Vorgang! Die Erfahrungen aus den beiden Vorjahren zeigen, wie notwendig das ist. Haben Sie doch 2002 und 2003 jeweils erst im November (!) mit der Vorlage von Nachtrags- haushalten bemerkt, dass Ihnen zum Haushaltsausgleich jeweils rund 600 Millionen Euro fehlten, die gleiche Summe, die das Parlament Ihnen als maximale Neuver- schuldung bewilligt hatte. So kann es Sie nicht verwundern, dass ein Parlamentarier in diesem Jahr wissen will, wie es um die Landesfinanzen steht. AuchIhr Hinweis darauf, dass ein solcher Bericht ‚unterjährig’ nicht aussagekräftig ist, er- staunt, wenn man die Regeln für Aktiengesellschaften betrachtet, die alle drei Mona- te einen aussagefähigen Geschäftsbericht vorlegen müssen. Und das soll für öffentli- che Haushalte nicht gelten? Dass die Landesregierung Parlament und Öffentlichkeit nur ungern informiert und dabei sogar ihren gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachkommt, macht nicht zuletzt auch die immer noch nicht vorgelegte mittelfristige Finanzplanung für den Zeitraum 2004 bis 2008 deutlich, zu der die Landesregierung nach den §§ 9 und 14 des Ge- setzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums verpflichtet ist. Zu diesem Ergebnis kommen der Landesrechnungshof und der wissenschaftliche Dienst des Parlamentes unabhängig voneinander. In dieser Tradition der Verschleierung steht auch der Ihr Offener Brief. In der Sache also nichts Neues. Vielleicht nutzen Sie die paar Tage Weihnachtsruhe, um hier zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein frohes Weihnachtsfest. Mit freundlichem GrußRainer Wiegard