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17.12.04
16:02 Uhr
SPD

Hermann Benker zu TOP 35: Für einheitlichen Binnenmarkt nicht nur ökonomische Kriterien anwenden

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 17.12.2004 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 35 – Ablehnung der EU-Richtlinie über die Dienstleistungen im Binnenmarkt

Hermann Benker:

Für einheitlichen Binnenmarkt nicht nur ökonomische Kriterien anwenden

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Weißbuch der Kommission der europä- ischen Gemeinschaften zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im September dieses Jahres mit Recht erkannt, dass die Richtlinie, die die EU-Kommission am 13.01.2004 über Dienstleistungen im Binnenmarkt vorgelegt hat, in dieser Form zum jetzigen Zeitpunkt nicht akzeptiert werden kann. Aber – das sei vorweg gesagt – Richtli- nien sind notwendig und bieten auch viele Chancen.

Die Mehrzahl der im Bundestag angehörten Verbandsvertreter hat sich allerdings in we- sentlichen Punkten gegen diese Richtlinie gestellt. Aber auch bei nur formaler Betrach- tung des Entstehungsgangs ist vor 2006 nicht mit einer derartigen Richtlinie zu rechnen. Frühestens nach Inkrafttreten der Verfassung und nach der Bewertung von IT-Netzen und einer Reihe von anderen Bereichen, die ich noch nennen werde, ist eine engere Fassung der Richtlinien zu erwarten.

Die europäische Wirtschaft benötigt ohne Zweifel Impulse für Wachstum und Beschäfti- gung. Immerhin entfallen mehr als 50 % des Inlandproduktes auf nicht vom Staat er- brachte Dienstleistungen. Richtig ist, dass diese Dienstleistungen lange Zeit das Stief- kind der Wirtschaftspolitik in Europa waren. Deshalb ist es natürlich richtig und wichtig,
Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



sich damit zu beschäftigen, um den Zugang zur Lieferung von qualitativen Diensten der Information, also von Dienstleistungen für alle Bürger und Unternehmen, zu ermögli- chen. Das gilt sowohl für den Export als auch für den Einkauf von Dienstleistungen. Die jetzige Form der Richtlinie würde den europäischen Wirtschaftsmarkt zurückwerfen in eine reine Freihandelszone.

Die Einführung des Herkunftslandsprinzips würde dazu führen, dass die Rechtssysteme des Herkunftslandes hier kontrolliert werden müssten. Das heißt z. B., wenn in einem Auftrag das Wort „prüfen“ verwendet wird, hat es 20 verschiedene rechtliche Bedeutun- gen in 25 Sprachen. Und niemand kann alleine aus der Formulierung des Angebots er- kennen, welche Leistungen sich dahinter verstecken, weil nur noch das Herkunftsland über den Inhalt bestimmt. Das würde einen Verwaltungsaufwand mit sich bringen, der nicht akzeptabel und vor allen Dingen den Markt unkontrollierbar machen würde. Betrof- fen wären in erster Linie die Verbraucher und kleine und mittlere Unternehmen, die Dienstleistungen nachfragen. Ohne zusätzliche Prüfkosten sind Unternehmen dem An- bieter ausgeliefert. Immer geringerer Leistungsinhalt und Dumpingpreise wären die Fol- ge.

Mit der Richtlinie in der jetzigen Form würde eine Annäherung bzw. Harmonisierung der einzelstaatlichen Regelungen auf der Grundlage gemeinsamer Ziele, auch gemeinsa- mer Werte und auch eines gemeinsamen wenigstens vergleichbaren sozialen Hinter- grunds unmöglich gemacht werden. Durch die Vielzahl der einzelstaatlichen Regelun- gen würde der Handel mit Dienstleistungen eher erschwert.

Wir Sozialdemokraten vertreten den Standpunkt, dass die Herstellung eines einheitli- chen Binnenmarktes für Dienstleistungen nicht allein nach ökonomischen Kriterien er- folgen kann. Sozialer Schutz und Umweltqualität gehören dabei genauso zu den Bedin- gungen wie überschaubare Leistungskriterien. Die Schutzstandards für Arbeitnehmerin- -3-



nen und Arbeitnehmer und die Kontrollmöglichkeiten bei der Arbeitnehmer-Entsendung im Baubereich müssen auf jeden Fall erhalten bleiben.

Branchenübergreifend geht es für uns auch um die gesetzlich geregelten Arbeitsbedin- gungen (Arbeitszeitgesetz, bezahlter Mindesturlaub, Mindestarbeitsbedingungen im Be- reich der Zeitarbeit, gesetzlicher Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz, Jugendschutz, Mut- terschutz). Die in den Mitgliedsstaaten jeweils geltenden Standards im Bereich von Qualität, Sicherheit und sozialer Sicherung müssen daher ebenfalls mindestens erhalten werden. Dazu muss es entsprechende Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip geben. Der Wunsch nach freiem Zugang zu Dienstleistungen ist der einzige Konsens, der bis- her aus den Stellungnahmen aller Angehörten herauszulesen ist. Aus diesem Grund kann die Regierung nur aufgefordert werden, im Rahmen der Verhandlungen im Bun- desrat dahingehend tätig zu werden, dass Wertvorstellungen nicht der reinen Ökonomi- sierung geopfert werden.

Wir wollen mit unserem Beschluss heute die Auffassung des Bundesrates unterstützen und können nur hoffen und wünschen, dass in der nächsten Legislaturperiode die offe- nen Fragen auch noch einmal aus der Sicht des Landes Schleswig-Holstein konkreter beleuchtet und bis zur Behandlung in diesem Hause eingefordert worden sind.