Brita Schmitz-Hübsch: Verschleuderung von Landesvermögen
Nr. 592/04 17. Dezember 2004 IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG PRESSEMITTEILUNG PRESSESPRECHER Torsten Haase Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.deWirtschaftspolitik TOP 30 und 64 Brita Schmitz-Hübsch: Verschleuderung von Landesvermögen Es kam, wie es kommen musste: Der öffentlich-rechtliche Vertrag zwischen dem Schleswig-Holsteinischen Sparkas- sen- und Giroverband und dem Land Schleswig-Holstein, die Eigentumsrechte an der Provinzialgruppe betreffend, hat nicht einmal zehn Jahre gehalten. Die Halb- wertzeit der zukunftsweisenden Entscheidungen der Regierung Simonis betrug ge- nau magere neun Jahre. Soviel zur Qualität der vorausschauenden Politik der Minis- terpräsidentin!Die Zeit ist nämlich weitergegangen, und die Versicherungswirtschaft hat nicht nur goldene Jahre hinter sich. Hoher Abschreibungsbedarf bei den Kapitalanlagen, Um- satzrückgänge und zukünftige Eigenkapitalvorschriften haben das Geschäft schwie- riger gemacht. Das hat auch Gesellschaften getroffen, die sich im Eigentum öffent- lich-rechtlicher Banken befinden.Die Provinzial Kiel will nun mit der Westfälischen Provinzial zusammengehen. Ein Angebot der niedersächsischen Versicherungsgruppe Hannover zur Schaffung einer Nord-Lösung wurde abgelehnt. Dies ist eine unternehmerische Entscheidung, die wir nicht zu kritisieren haben. Im Gegenteil, wir wünschen dem Unternehmen Provinzial Kiel, seinem Vorstand und allen Mitarbeitern alles Gute!Nur leider kann das Unternehmen nicht so selbstbestimmt handeln, wie es betriebs- wirtschaftlich notwendig wäre. Sein Hauptaktionär, der SGV SH, dem 90% gehören, hat sich aus Freude über den guten Deal im Jahre 1995 erhebliche Fesseln anlegen lassen. Sie können nur durch den Landtag wieder gelöst werden. Erneut wurden Gutachter bemüht, um bei der Schaffung einer brauchbaren Rechts- grundlage behilflich zu sein. Die Landesregierung hat dafür 70.000 € aufgewendet. Dabei ging es um drei Bedingungen aus dem alten Vertrag, die es zu überprüfen galt: 1. Der Sitz der Provinzial sollte auch nach einer Umwandlung in eine AG in Kiel bleiben. Dies wurde bei der Umwandlung 2001 erfüllt. Bei der jetzigen Ge- fechtslage wird es ungleich schwieriger. Doch man bekommt es hin: Die Sachversicherer bleiben jeweils am regionalen Standort, die Lebensversicherung wird am Standort Kiel zusammengefasst. Die Holding aber, in der ja die unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden, hat ihren Sitz in Münster. Wie kann man das rechtfertigen? Das geht so: Der er- klärte Wille sei gewesen, dass die Arbeitsplätze in Kiel erhalten bleiben, und der Lebensversicherer habe mehr Beschäftigte als die Holding, sagt die Lan- desregierung. Ach so! Leider werden aber ohnehin in Hamburg und Kiel 190 Arbeitsplätze abgebaut. 2. Im alten Vertrag stand zu lesen, dass nach Umwandlung in eine AG 75,1 % der Aktien in der Sparkassenorganisation verbleiben müssen. Diese Bedin- gung lässt sich nun nicht mehr einhalten, denn die Westfälische Provinzial ge- hört zur Hälfte dem Landschaftsverband Westfalen. Nach der Fusion fällt der Anteil der Sparkassenorganisation auf unter 60%. Der SGV SH besitzt dann übrigens nur noch einen Anteil von 18%, also noch nicht einmal mehr eine Sperrminorität. Doch die Landesregierung weiß Rat. Sie wendet den Blick ab vom Wortlaut des alten Vertrages und bemüht stattdessen den Geist, in dem der entspre- chende Paragraph verfasst worden war. Die Vertragspartner hätten damals in der Absicht gehandelt, den öffentlich-rechtlichen Charakter der Versicherun- gen abzusichern, heißt es. Insofern reiche es aus, für die Zukunft festzulegen, dass 75,1% der Aktien von Mitgliedern der S-Finanzgruppe oder der öffentli- chen Hand gehalten werden müssen. Fertig war man damit, obwohl Prof. Lut- ter ausdrücklich in seinem Gutachten darauf hingewiesen hatte, dass Land- schaftsverbände strukturell und von ihren Interessen her völlig verschieden von der Sparkassenorganisation sind. 3. Beim dritten Punkt wird es ernst: Ein Übererlös wird wieder nicht ausgekehrt! Mit vielen guten Worten stellen die Gutachter dar, weshalb kein Übererlös an- fallen könne, da kein Bargeld fließe. Für alle Fälle wird aber neu formuliert: Aus dem Übererlös, der bei einem Verkauf eventuell ganz oder teilweise an das Land auszukehren war, wird nun ein „angemessener“ Übererlös. Was soll die neue Formulierung, wenn doch in der Begründung zu lesen ist: „Eine sachliche Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage ist hingegen nicht beabsichtigt?“ Dann hätte man auch bei der alten Formulierung bleiben kön- nen!Nicht beabsichtigt ist wohl ebenfalls, überhaupt jemals einen Übererlös an das Land auszukehren. Die in Aussicht-Stellung einer weiteren Zahlung durch den SGV SH war 1995 lediglich als weiße Salbe gedacht, um die Parlamentarier zu besänftigen. Die wunderten sich nämlich, wie für ein Unternehmen, dem ein Wert von 1,1 Mrd. DM zugeschrieben wurde, ein Preis von nur 245 Mio. DM bezahlt werden konnte. Die Ministerpräsidentin hatte persönlich verhandelt!Eines der Argumente lautete damals: Der SGV SH sei der geborene Eigentümer der Provinzial-Gruppe, da es bereits viele Geschäftsbeziehungen gebe. Leider habe der SGV nicht mehr Geld! Dafür hatten wir Verständnis! Ich habe damals gefordert, einen zweiten Betrag in mindestens der gleichen Höhe über mehrere Jahre abzustottern, doch das fand bei der Regierung Simonis keinen Anklang. Stattdessen kam man auf die Idee mit dem Übererlös. Ich sage Ihnen, liege Kolleginnen und Kollegen: Niemals wird das Land auch nur noch einen Cent vom SGV SH zu sehen bekommen. Der Verband hält alle Trümpfe in seiner Hand, er kann (fast) alles mit seinem Eigentum machen und ist stolz auf das „Schnäppchen“, das er 1995 mit Hilfe der Sozialdemokraten machen konnte.Im Ausschuss hat ein junger Jurist, Mitarbeiter des Staatssekretärs für Wirtschafts- ordnung, Wilfried Voigt, die Katze aus dem Sack gelassen: Ein Übererlös werde wohl kaum noch anfallen. Zu viele Positionen, einschließlich der unternehmerisch erbrachten Leistung, könnten gegengerechnet werden.Dieser brave Mann, hat die Wahrheit gesagt: Die Ministerpräsidentin hat 1995 das Provinzial-Vermögen verschleudert, und zwar auf immer und ewig. Wir beklagten es damals schon. Die Entwicklung bestätigt unsere schlimmsten Befürchtungen, und der damalige Fehler ist nicht mehr gutzumachen. Dieser neue Vertrag ist das Papier nicht wert, auf dem er steht. Ich prophezeie eine erneute Neufassung in spätestens fünf Jahren, weil sich die wirtschaftliche Situation bis dahin wieder verändert haben wird und neue Engagements eingegangen werden müssen.Wir werden gegen den Vertrag stimmen.