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15.12.04
12:44 Uhr
FDP

Wolfgang Kubicki: Die Justizministerin ist gescheitert

FDP Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1



Presseinformation Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Nr. 399/2004 Dr. Heiner Garg, MdL Stellvertretender Vorsitzender Kiel, Mittwoch, 15. Dezember 2004 Dr. Ekkehard Klug, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer Sperrfrist: Redebeginn Christel Aschmoneit-Lücke, MdL Joachim Behm , MdL Es gilt das gesprochene Wort! Günther Hildebrand, MdL Veronika Kolb, MdL Justiz/Srafvollzug
Wolfgang Kubicki: Die Justizministerin ist gescheitert



www.fdp-sh.de In seiner Rede zu TOP 38 (Entlassung der Ministerin für Justiz, Frauen und Familie) sagte der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki:
„In dem Fall Bogner, der mittlerweile zu einem Fall Lütkes geworden ist, habe ich in den vergangenen Tagen interessante Erklärungen der Sozialdemo- kraten vernommen. Der Fraktionsvorsitzendenkollege Lothar Hay verwechselt Zurückhaltung mit Rückzug, die Sozialdemokraten fordern, wie ich meine, zu recht, die Unschuldsvermutung zu beachten und von Vorverurteilungen abzusehen. Im Rahmen partieller Prinzipienlosigkeit der Genossen gilt dies allerdings nur für die Ihren, während sie in Schleswig- Holstein und anderswo genau diese Prinzipien bei politischen Konkurrenten nicht gelten lassen.
Frau Ministerin Lütkes hat einen Anspruch darauf, dass der Ausbruch des Strafgefangenen Bogner und die diesen Ausbruch begünstigenden Fehlentscheidungen und Versäumnisse im Vollzug nicht zu Wahlkampfzwecken missbraucht werden. Aber Ministerin Lütkes hat keinen Anspruch darauf, dass wir auf Aufklärung verzichten und Konsequenzen nicht anmahnen, nur weil gerade Wahlkampf ist.
Ministerin Anne Lütkes muss sich an ihren eigenen Maßstäben messen lassen:
Am 07. April 2000 erklärte die frisch gewählte grüne Justizministerin Anne Lütkes in einer Pressemitteilung: „Die weitere Entwicklung des Strafvollzuges in Schleswig-Holstein ist ein zentraler Punkt meines Arbeitsprogramms und steht auf unserer rechtspolitischen Prioritätenliste ganz oben. Entwicklung des Strafvollzuges bedeutet dabei zweierlei: Zum einen geht es darum, die Sicherheit der Justizvollzugsanstalten zu gewährleisten. Zum anderen gilt es einen menschenwürdigen und humanen Vollzug zu sichern, um so den Resozialisierungsauftrag des Strafvollzugsgesetzes zu verwirklichen.“

Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 2 Die Justizministerin ist gescheitert. Sie hat Ihrem eigenen Anspruch nicht genügt, die Sicherheit des Strafvollzuges in Schleswig-Holstein zu gewährleisten. Durch schwere Fehler, die auch die Justizministerin selbst einräumt, ist ein Mensch ums Leben gekommen.
Es war möglich, dass der Serienausbrecher Bogner aus der Justizvollzugsanstalt Lübeck fliehen und auf seiner Flucht eine arglose Person, den Landschaftsgärtner Danielsen, ermorden konnte, um dessen Identität anzunehmen.
Dies war möglich, obwohl bekannt war, dass es sich bei Bogner um einen siebenfacher Ausbrecher handelte,
- der bereits einmal aus einer Gefängnisschlosserei ausgebrochen war, der bereits beim vorigen Ausbruch, die Identität einer anderen Person angenommen hat, die seit dieser Zeit vermisst wird, - der seinerzeit bereits wegen Mordes an dieser Person angeklagt worden war und deshalb freigesprochen wurde, weil die Leiche bisher nicht gefunden wurde.
Bereits heute steht fest:
– wären im Zuständigkeitsbereich der Justizministerin nicht so viele haarsträubende Fehler geschehen, – hätte das Justizministerium und hier die zuständige Abteilung 2 die fachlich gebotene Aufsicht über die Vollzugsleitung in der JVA Lübeck wahrgenommen, – dann könnte Herr Danielsen heute noch leben.
Es war dem Ministerium bekannt, welches Kaliber mit Bogner in Lübeck untergebracht war. Es war dem Ministerium bekannt, welche persönlichen Probleme der Vollzugsleiter hatte, den man mit der Aufgabe einer Vollzugsplanung für Bogner allein ließ.
Es war bekannt, welche Sicherheitsmängel es in der Schlosserei gab und welche Personalmängel im allgemeinen Vollzugsdienst vorherrschten, weil Vollzugsbedienstete zu Verwaltungsaufgaben abgezogen wurden, die durch die Weigerung des Finanzministeriums, zusätzliche Verwaltungsstellen zu bewilligen, nach Auskunft des Ministeriums hätten „zweckentfremdet“ werden müssen.
Trotzdem hat das Ministerium sich nicht veranlasst gesehen, seiner Fachaufsicht zu genügen und wenigstens nachzufragen, wie ein siebenmal erfolgreicher Ausbrecher in der JVA Lübeck untergebracht ist.
Die Ministerin räumt selbst ein, dass Bogner nie hätte in der Schlosserei arbeiten dürfen. Sie hat uns erklärt, hätte das Ministeriums davon gewusst, es hätte dies unterbunden. Das Ministerium hätten dies wissen können und wissen müssen. Hier liegt der zentrale Vorwurf, den in Wahrheit auch die Kollegin Fröhlich in der ihr eigenen charmanten Art im Innen- und Rechtsausschuss festgestellt hat mit der Bemerkung, die Vielzahl der Fehler und Versäumnisse, die unglücklichen Umstände erzwinge geradezu eine neue Supervision, zu deutsch: „Fachaufsicht“. - Wir stimmen ihr zu.
Die Ministerin hat in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken versucht, ihr bzw. ihrem Haus seien durch das Strafvollzugsgesetz die Hände gebunden gewesen, es sei weder Praxis, noch von Gesetzeswegen geboten, sich in die einzelne Vollzugsplanung seitens des Ministeriums einzumischen. Dies ist, gemessen am Empfängerhorizont, eine schlichte Lüge, denn niemand will, dass das Ministerium in jedem Einzelfall Vollzugsentscheidungen trifft, obwohl es dies im Einzelfall auch könnte.
Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 3 Aber es ist nicht hinnehmbar, den Eindruck zu erwecken, es sei unüblich oder von Gesetzeswegen verboten, sich seitens des Ministeriums danach zu erkundigen, wie ein erfolgreicher Serienausbrecher in der JVA untergebracht sei.
Mittlerweile ist das Ministerium auch zu dieser sich jedermann aufdrängenden Erkenntnis gelangt. Nach dem Tod von Herrn Danielsen hat das Ministerium durchaus gehandelt.
Folgende Maßnahmen werden ergriffen:
1. Es werden nunmehr die Erhebungsbögen für die Vollzugsplanerstellung und den Vollzugsplan und seine Fortschreibung über die gesetzlichen Vorgaben des Strafvollzugsgesetzes hinaus verändert, um sicherzustellen, dass Sicherheitsbelange ausreichend geprüft und dokumentiert werden. Das Ministerium wird Überprüfungen vornehmen.
2. Bei besonders gefährlichen Gefangenen und Sicherungsverwahrten wie Bogner sind die beabsichtigten Vollzugsplanentscheidungen und Fortschreibungen dem Ministerium vorzulegen.
Hierzu stelle ich folgendes fest:
Man hat im Ministerium gelernt. Das Ministerium räumt ein, dass in der Vergangenheit Sicherheitsbelange nicht ausreichend geprüft wurden und dass eine Überprüfung der Vollzugsplanung durch das Ministerium notwendig ist. Es räumt ein, dass das Heraushalten des Ministeriums aus der Vollzugsplanung besonders gefährlicher Straftäter ein Fehler war. Ansonsten machten die nun vom Ministerium angekündigten Maßnahmen keinen Sinn.
Den Preis für diese Fortbildung des Ministeriums war allerdings zu hoch. Diesen Preis bezahlte der Landschaftsgärtner Danielsen mit seinem Leben.
Die Ministerin hat gesagt, sie übernehme die politische Verantwortung für die Versäumnisse in der Justizvollzugsanstalt Lübeck. Sie übernimmt damit die politische Verantwortung für den Ausbruch Bogners und damit auch für den Tod Danielsens.
Die Ministerin hat den Begriff der „politischen Verantwortung“ aber völlig entstellt.
Die politische Verantwortung übernehme sie dadurch, dass sie gerade wegen der Fehler im Justizvollzug in Lübeck Ministerin bleiben müsse, um die Vorfälle um den Ausbruch aus der JVA-Lübeck und den Mord am Landschaftsgärtner Danielsen aufzuarbeiten und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Sie will also das besser machen, was in der Vergangenheit schiefgelaufen ist.
Aber warum hat die Ministerin dann die Anstaltsspitze suspendiert und ausgetauscht, die doch auch das besser machen wollte, was schiefgelaufen war. Darauf hat sie sich nicht verlassen bzw. verlassen wollen. Sie hat die Anstaltsleitung nicht ihre Verantwortung wahrnehmen lassen, sondern ihr die Verantwortung entzogen. Genau dies verlangen wir heute von der Ministerpräsidentin dieses Landes im Verhältnis zu ihrer Justizministerin.
Mit dem bisherigen Verhalten von Frau Lütkes übernimmt man keine politische Verantwortung, so macht man sich davon.
Die Ministerin lässt in der Justizvollzugsanstalt Lübeck kleinere Köpfe rollen, um einige größere Köpfe im Ministerium und ihren eigenen Kopf zu retten.
Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 4 Gerade wegen meiner persönlichen und unserer politischen Nähe zur Position von Ministerin Lütkes in Justizfragen fällt es mir wirklich nicht leicht, die Forderung nach Entlassung zu erheben. Aber sie ist notwendig, wenn der Begriff der politischen Kultur, wenn der Begriff der politischen Verantwortung noch einen Sinn haben soll.
Dabei mache ich es mir nicht so leicht wie Sozialdemokraten und Grüne anderswo, die zum Beispiel in Hamburg den Rücktritt des Justizsenators fordern, weil in einem der örtlichen Gefängnisse ein Wachturm zeitweise unbesetzt blieb. Der Hamburger Justizsenator wird dort, nachzulesen in den Lübecker Nachrichten vom 05./06.12.2004, von SPD und Grünen als „Sicherheitsrisiko“ und „unfähig“ tituliert.
Ich mache es mir auch nicht so leicht wie die Grünen in Sachsen-Anhalt, die im letzten Jahr den Rücktritt des dortigen Justizministers forderten, weil dieser angeblich in ein Stellenbesetzungsverfahren eingegriffen haben soll.
Aber ich frage, was kann einer Justizministerin und einem Justizminister eigentlich Schlimmeres passieren, als dass nach einem Ausbruch eines Schwerverbrechers aus einem Gefängnis, beruhend auf massiven Fehlern im eigenen Organisationsbereich, ein unschuldiger Mensch umgebracht wird?
Ministerinnen und Minister, die politische Verantwortung ernst nehmen, wären längst zurückgetreten, hätten ihr Scheitern erklärt und einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger den Weg frei gemacht, um die Versäumnisse aufzuarbeiten. Warum glaubt Ministerin Lütkes eigentlich als Betroffene, die Sache besser aufarbeiten zu können, als ein neuer Minister, der unbefangen und ohne Rechtfertigungsdruck an die Aufklärung gehen kann?
Der Rücktritt von Ministerin Lütkes wäre folgerichtig. Aber:
Das ist eine Frage des Charakters, das ist eine Frage der Persönlichkeit, das ist eine Frage des Mutes, das ist eine Frage der Größe.
So hatte beispielsweise der frühere Bundesinnenminister Seiters seinen Rücktritt erklärt, nachdem bei einer Festnahmeaktion ein vermuteter terroristischer Straftäter unter nicht aufgeklärten bzw. nicht aufklärbaren Umständen erschossen wurde, obwohl er dafür keine persönliche Verantwortung trug.
So hatte der parteilose Justizminister von Brandenburg Hans Otto Bräutigam im Jahr 1998 nach dem Ausbruch des Schwerverbrechers Sergej Serow aus der JVA Potsdam unaufgefordert dem Ministerpräsidenten Stolpe seinen Rücktritt angeboten. Dies tat er, obwohl ihn keine persönliche Schuld traf.
Ich stelle fest, dass die Justizministerin des Landes Schleswig-Holstein diese Größe nicht besitzt.
Das ist einem Mitglied einer schleswig-holsteinischen Landesregierung nicht würdig. Deshalb ist Frau Lütkes zu entlassen.“



Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/