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12.11.04
17:05 Uhr
CDU

Martin Kayenburg: Wettbewerbsföderalismus statt Kuschelföderalismus!

Nr. 540/04 12. November 2004


IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG PRESSESPRECHER Torsten Haase Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de



TOP 42 Martin Kayenburg: Wettbewerbsföderalismus statt Kuschelföderalismus! Fast ein Jahr ist vergangen, seit die Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung ihre Arbeit aufgenommen hat. Nach ihrer zehnten Sitzung in der vergangenen Woche geht sie in die Zielgerade und will am 17. Dezember konkrete Vorschläge für eine Reform des deutschen Föderalismus vorlegen.
Ziel der Kommissionsarbeit ist es, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern zu verbessern, die politischen Verantwortlichkeiten deutlicher zu- zuordnen und die Effizienz der Aufgabenerfüllung zu steigern. Gleichzeitig sollen die Defizite der deutschen Verhandlungsposition auf europäischer Ebene reduziert wer- den.
Trotz noch vieler ungeklärter Fragen zeigen sich der SPD-Vorsitzende Müntefering und Ministerpräsident Stoiber zuversichtlich, am 17. Dezember ein tragfähiges Kon- zept von Bund, Parlament und Ländern zur Neuordnung des föderalen Systems vor- legen zu können.
Meines Erachtens muss es vor allem politisches Ziel sein, eine föderale Ordnung zu schaffen, die den Wettbewerb um politische Lösungen innerhalb Deutschlands mög- lich macht. Ein so verstandener Wettbewerbsföderalismus dürfte auch von der über- wiegenden Mehrheit der SPD mitgetragen werden können.
Die Vorlage der „Münchener Erklärung“ ist eine gute Gelegenheit, eine Zwischenbi- lanz der bisherigen Arbeit zu ziehen.
Deutschland hat einen gewaltigen Reformstau, der ganz schnell aufgelöst werden muss, wenn unser Land zukunftsfähig sein soll. Aber gerade in Deutschland gehen - im Gegensatz zu unseren europäischen Nachbarn - Reformen nur schwer voran oder scheitern gänzlich. Es gibt viele Baustellen, doch ernsthafte Veränderungen kommen nur schwer voran. Die Reformnotwendigkeit wird inzwischen von niemandem bestrit- ten. Das verkrustete System des koordinierenden Föderalismus hemmt Innovationen im öffentlichen und privaten Bereich. Der ursprüngliche Gestaltungsföderalismus hat sich inzwischen zu einem bloßen Beteiligungsföderalismus reduziert. Überzeugt von der Notwendigkeit, die Handlungsfähigkeit der Politik und insbeson- dere der Parlamente in Zeiten eines großen Reformdrucks wiederherzustellen bin ich mit sehr viel Euphorie und Zuversicht in die Arbeit der Kommission gegangen. Inzwi- schen ist eher Ernüchterung eingetreten und mein Optimismus gesunken. Leider ist der bisherige Beratungsverlauf wenig ermutigend. Es wäre jedoch ein schwerer Rückschlag für den Standort Deutschland, vor allem für die Zukunftsfähigkeit unserer politischen Ordnung, wenn keine grundlegende Reform zustande käme.
Ich habe auch nicht den Eindruck, dass es der Föderalismuskommission gelungen ist, ihre Themen in ausreichendem Maße in die Öffentlichkeit zu tragen. Eine breite politische Debatte in den Medien und der Öffentlichkeit wäre wünschenswert gewe- sen.
Schleswig-Holstein kann für sich allerdings in Anspruch nehmen, mit seiner Initiative zur „Lübecker Erklärung“ vom 31. März 2003 einen maßgeblichen Anstoß zur Föde- ralismusreform gegeben zu haben. Mit dieser Erklärung haben wir betont, dass sich der Föderalismus als politisches Modell bewährt hat, jedoch fortentwickelt werden muss.
Die Fraktionsvorsitzenden von CDU und CSU der deutschen Länderparlamente ha- ben in ihrer Konferenz am 17. Mai 2004 in München einen sehr umfassenden und weitreichenden Beschluss zur Reform des Föderalismus in Deutschland gefasst. Diesen Beschluss habe ich zusammen mit dem Kollegen Dr. Rüttgers aus Nordrhein- Westfalen in die Föderalismuskommission eingebracht. Mit diesem Beschluss haben wir eine möglichst vollständige Aufteilung der verschiedenen Materien in die aus- schließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes oder der Länder gefordert. Auch die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz sollte soweit wie möglich in die aus- schließliche Kompetenz des Bundes oder der Länder überführt werden oder zumin- dest mit einem Zugriffsrecht der Länder versehen werden. Wir haben außerdem eine weitestgehende Übertragung der Gemeinschaftsaufgaben nach Artikel 91 a und b des Grundgesetzes in die Zuständigkeit der Länder gefordert, da diese Gemein- schaftsaufgaben inzwischen zu einem System organisierter Unverantwortlichkeit ge- worden sind. Wir haben ferner gefordert, dass Organisations- und Verfahrensregeln bei Bundesgesetzen wieder in die Kompetenz der Länder fallen, da sie die Gesetze ohnehin auszuführen haben. Schließlich haben wir klar gemacht, dass eine durch- greifende Reform der bundesstaatlichen Ordnung weiterhin einer Neuordnung der Finanzverfassung auf Basis einer großen Steuerreform bedarf.
Das waren sehr mutige weitreichende Forderungen. Doch wo stehen wir heute in der Kommission?
Zunächst ist festzuhalten, dass es um zentrale Aspekte sehr still geworden ist. Von der Stärkung der Landtage als eigenständiges Ziel der Föderalismusreform ist nur noch wenig zu hören. Die Kommissionsarbeit ist immer stärker zu einer Insider- Veranstaltung geworden. Man hat sogar den Eindruck, dass manches noch kompli- zierter oder die Gemeinschaftsaufgaben sogar noch erweitert werden sollen.
Während sich die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen in der Kommissionsarbeit sehr reformfreudig zeigen - und ich möchte insbesondere den Kollegen Kretschmann aus Baden-Württemberg hervorheben - finden sich die Blo- ckierer eindeutig bei der SPD, vor allem bei der Bundesregierung, die eigentlich nur beratend am Tisch sitzt, aber auch einigen SPD-Ministerpräsidenten. So geht Minis- terpräsident Platzeck aus Brandenburg als neuer Präsident des Bundesrates sogar so weit, eine Stärkung des Zentralismus zu fordern. Gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Ringsdorf aus Mecklenburg-Vorpommern fordert er ebenfalls die Beibehaltung der Gemeinschaftsaufgaben. Zum Erstaunen wurde in der Kommission sogar noch die Ausweiterung der Gemeinschaftsaufgaben auf den Hochwasserschutz gefordert.
Dass, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, ist der falsche Weg. Die SPD-Ministerpräsidenten der ostdeutschen Länder möchten es sich am liebsten wei- terhin mit Mitteln aus dem Länderfinanzausgleich, aus Bundesergänzungszuweisun- gen und aus Gemeinschaftsaufgaben finanziell gemütlich machen.
Wir wollen jedoch Wettbewerbsföderalismus statt Kuschelföderalismus!
Die Kommissionsvorsitzenden Müntefering und Stoiber haben noch eine große Auf- gabe vor sich, wenn sie bis zum 17. Dezember die Kommissionsarbeit zu einem er- folgreichen Ende führen wollen. Mit der uns heute vorliegenden „Münchener Erklä- rung“ wollen wir noch einmal an die gesamtstaatliche Verantwortung aller Beteiligten zu notwendigen Reformen appellieren.