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12.11.04
11:09 Uhr
B 90/Grüne

Detlef Matthiessen zum 2. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss

Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 48 – 2. Parlamentarischer Untersuchungs- Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel ausschuss Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Dazu sagt der Obmann der Fraktion Telefax: 0431/988-1501 Bündnis 90/Die Grünen im Ausschuss, Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Detlef Matthiessen: Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 377.04 / 12.11.2004


Die CDU hat den Bogen überspannt!
Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist das schärfste Schwert der Oppositi- on. Die Beschlüsse zu seiner Einsetzung bedürfen nur einer qualifizierten Minderheit e- benso wie einzelne Beschlüsse in der Arbeit des Untersuchungsausschusses.
Davon hat die Opposition reichlich Gebrauch gemacht.
Das ist ihr gutes Recht. Wir unterstützten es von Anfang an, dass es solche Instrumente für die Opposition gibt. So hat auch die Grüne Fraktion die Aufklärung der Pröhl-Affäre genauso gefordert und unterstützt wie die des Falles Dr. Lohmann und die Aufklärung der Umstände bei der Einführung der Kosten-Leistungsrechnung und der damit verbun- denen Auftragsvergabe.
Wir halten dieses Recht einer parlamentarischen Minderheit für unverzichtbar in einer funktionierenden Demokratie.
Allerdings hat die CDU die Frage zu beantworten, warum es zu mehr als achtzig Sitzun- gen kommen musste, warum dieser enorme Untersuchungsaufwand betrieben werden musste, zu dem das erarbeitete Ergebnis in einem aus meiner Sicht offensichtlichen Missverhältnis steht.
Ich möchte auf keinen Fall von einem Missbrauch eines Parlamentarischen Instrumentes reden, weil es ein gutes und wichtiges Instrument ist und solch eine Wertung der Mehr- heit nicht zusteht. Ein gutes Instrument wird durch die Art des Gebrauchs nicht schlecht, höchstens schmuddelig.
Trotzdem glaube ich, dass in der Öffentlichkeit ein schlechter Eindruck über unsere Ar- beit entstanden ist, weil der Bogen überspannt wurde.

1/4 Anlass zur Einsetzung einer Untersuchung war ausreichend vorhanden und es sind im Verlaufe der parlamentarischen Befassung, insbesondere auch im Finanzausschuss bei der komplexen SAP-Angelegenheit, Ungeschicklichkeiten und Fehler bis hin zu Geset- zesverstößen herausgearbeitet worden. Letzteres betraf vor allem das Vergaberecht und das Fehlverhalten des Betroffenen Dr. Joachim Lohmann, das letztlich nach staatsan- waltlichen Ermittlungen und einem Gerichtsverfahren mit einem Strafbefehl endete we- gen nicht angemeldeter Nebentätigkeit nach Lohmanns Ausscheiden aus dem Landes- dienst. Der Vorwurf der Bestechlichkeit konnte nicht verifiziert werden.
Der Finanzausschuss hat hier erheblich zur Aufklärung beigetragen. Offene Fragen konnten weitestgehend geklärt werden. Die ausführliche Zweitbearbeitung durch den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss hat dies im Wesentlichen nachvollzogen und keine wesentlichen neuen oder andere Ergebnisse und Bewertungen erbringen kön- nen.
Bei der Einführung des Mittelbewirtschaftungs- und Kostenrechnungssystems in der Landesverwaltung sind Fehler gemacht worden.
Es wurde kein Vergabevermerk angefertigt. Der Finanzausschuss stellt fest: Die Kabi- nettsvorlage, die den Vorgang teilweise darstellt, ersetzt einen Vergabevermerk nicht. Das Verfahren muss damit als formell rechtsfehlerhaft angesehen werden. Das ist be- sonders in einem Finanzministerium eine peinliche Sache und mit den relativ neuen und komplizierten vergaberechtlichen Bestimmungen nur begrenzt erklär- und entschuldbar.
Die personelle Ausstattung der Projektgruppe genügte weder qualitativ noch quantitativ. Auch darauf sind die Fehler und die unzureichende Dokumentation zurückzuführen. Verwaltungsmodernisierung erfordert eben einen adäquaten Aufwand, um ordnungsge- mäß abgearbeitet werden zu können.
Gleichwohl, und das ist auch ein Ergebnis der parlamentarischen Befassung, war die Entscheidung für SAP in der Sache richtig, der Vertrag rechtskräftig und der Vertrags- nehmer hatte an einer guten Abarbeitung schließlich auch ein eigenes Interesse.
Ein Schaden für das Land ist nicht entstanden, sondern es ist letztlich ein gutes Ender- gebnis herausgekommen.
Nach der Arbeit der Regierung, des Rechnungshofes und des Finanzausschusses und nicht zuletzt auch der Staatsanwaltschaft wäre eine Befassung im Zweiten Parlamentari- schen Untersuchungsausschuss eigentlich nicht mehr zwingend erforderlich gewesen. Dies war dem unnachgiebigen Aufklärungseifer der CDU und ihres Chefaufklärers ge- schuldet.
Erfolglos wurde versucht, nach oben durchzustechen und aus der Sache noch mehr rauszuholen. Die schlichte Frage jedes Untersuchers Cui bono – Wem nützt es? - war von einer Mischung aus Profilierungssucht und Verschwörungstheorie überlagert.
Das gilt noch viel mehr für den Komplex der Pröhl-Affäre. Auch wenn Dr. Pröhl zu kei- nem Zeitpunkt ein Dienstzimmer in der Staatskanzlei hatte, sondern bei der Investitions- bank arbeitete, unterstand er doch der Dienstaufsicht und dem Lenkungsausschuss, der vom Chef der Staatskanzlei geleitet wurde. Und dieses Wort Staatskanzlei schien von Anfang an ungeheure Zauberwirkung auf die CDU auszuüben. Und das gilt nicht nur für den übereifrigen Chefermittler.
Bereits am 15. März 2002 reibt sich der Oppositionsführer Kayenburg in einer Presseer- klärung die Hände: Der Fall Pröhl würde immer weitere Kreise ziehen, wörtlich:
"Im Fall Pröhl gibt es jetzt offenbar täglich neue Enthüllungen. Wenn die neuesten Be- richte zutreffen, verstärkt sich der Eindruck, dass Klaus Gärtner ein Bauernopfer sein musste, um von der eigentlichen Verantwortung der Ministerpräsidentin abzulenken."
Am 19. März redet er von Filz und kündigt einen Untersuchungsausschuss an.
Am 25. März erklärt Kayenburg: Mit den neuen Ereignissen vom Wochenende stelle sich erneut die Frage nach der politischen Gesamtverantwortung der Ministerpräsidentin.
Am 26. März fragt Kayenburg besorgt: Was weiß Frau Simonis noch?
Am 3.April zur Abwechslung mal der Kollege Wiegard: Es ist Zeit, dass die vielen mysteriösen Vorgänge um die Staatskanzlei und vor allem deren politische Hintergründe beleuchtet werden“, erklärte der finanzpolitische Sprecher der CDU im Schleswig- Holsteinischen Landtag, Rainer Wiegard. Wiegard bedauerte besonders, dass die Minis- terpräsidentin nach demselben Strickmuster vorgehe, wie alle auf ähnliche Weise ge- scheiterten Spitzenpolitiker vor ihr.
Am 4. April mahnt Wiegard: Es wird Zeit für die Wahrheit, Frau Ministerpräsidentin! er will wissen, was Gegenstand der Geheimgespräche beim Mittagessen mit dem Außen- minister von Oman war.... Wiegard erwartet in den nächsten Tagen weitere Zugeständ- nisse der Regierungschefin. Frau Simonis gehe nach demselben Strickmuster vor, wie alle gescheiterten Spitzenpolitiker vor ihr, das hat er kreativerweise ja bereits am Vortag festgestellt, und dann lässt er den geneigten Leser nicht länger zappeln und lässt die Katze aus dem Sack:
Scheibchenweise werde mit dem Ausdruck des Bedauerns zugegeben, was nach und nach ohnehin bereits bewiesen sei. Mit diesem Verhalten beschädige Simonis auch noch das Regierungsamt auf ihrem unausweichlichen Weg zum Rücktritt.
Am 8. April tritt ein weiterer CDU-Akteur ins Rampenlicht:
Rainer Wiegard und Werner Kalinka: Für die Ministerpräsidentin wird es langsam enger. Dann folgen anderthalb Seiten Text mit schaurigen Andeutungen und der Schlusssatz: Wie lange meint Frau Simonis dies noch aussitzen zu können?
Dieses Schnellfeuer an Verdächtigungen verfehlt seine Wirkung nicht. Die Neugier war geweckt. Insbesondere die Medien außerhalb der Landesgrenzen wittern eine Sensation. Die selbsternannten Experten der CDU sonnen sich in dieser unerwarteten Presseauf- merksamkeit und satteln drauf.
Weitere Spitzenkräfte wollen nicht beiseite stehen. Stritzl und Kerssenbrock verlautbaren am 9. April: Das Netz wird engmaschiger! Dies alles entfaltet eine eigene psychische Dynamik und es führt mitnichten zu einer Mä- ßigung oder Kenntnisnahme, das mein Fraktionsvorsitzender Karl-Martin Hentschel am selben Tag anmahnt:
Aus unserer Sicht gibt es nach den bisherigen Erkenntnissen keinerlei Anlass, die Integ- rität der Ministerpräsidentin in Zweifel zu ziehen. Sicherlich ist es die Pflicht der Oppositi- on, die Arbeit der Regierung kritisch zu durchleuchten, aber es ist schon auffällig, wie leichtfertig nach einem Rücktritt gerufen wird, ohne dass belastende Fakten gegen Heide Simonis vorliegen.
Insbesondere Dr. Kerssenbrock als bewährte Untersuchungsausschusskraft verbeißt sich in seiner Funktion als Obmann der Fraktion in die Sache. Das Feuerwerk der Pres- seerklärungen und Hintergrundgespräche wird fortgesetzt. Es kommen dann die Todes- fälle hinzu. Die CDU verlangt die Herbeiziehung von Akten der Todesermittlungsverfah- ren der Staatsanwaltschaften.
Jede Zeugenaussage generiert neue Zeugen.
Die angesichts der geweckten Erwartungen ausbleibenden Ergebnisse über 40, 50, 60, 70 Sitzungen führen zu einem abbröckelnden Interesse der Öffentlichkeit und einer zu- nehmenden Genervtheit und Distanzierung auch in den eigenen Reihen.
Nach einem schlechten Platz auf der Landesliste kündigt der Chefuntersucher Kerssen- brock an, für die Erarbeitung des Abschlussberichtes nicht mehr zur Verfügung zu stehen und unterstreicht damit, wie sehr die Arbeit im PUA statt der sachlichen Aufklärung der eigenen Profilierung dienen sollte.
Als Ergebnis der Arbeit der CDU bleibt festzuhalten, dass die Ministerpräsidentin nach Auffassung der CDU aufmerksamer und intensiver den Pressespiegel und ihre Tageszei- tung lesen soll.
Als politisch Hauptbeschädigter des Zweiten Parlamentarischen Untersuchungsaus- schusses bleibt der Chefaufklärer und Obmann der CDU-Fraktion zurück, der den dezen- ten Rückzug seines Fraktionschefs und anderer nicht rechtzeitig wahrgenommen hat.
Dennoch: Für uns bleiben Untersuchungsausschüsse trotz der hohen Arbeitsintensität und Kosten ein wichtiges Instrument für das Funktionieren unserer Demokratie.

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