Untersuchungsausschuss: Schwer zu vermitteln, worin der Wert für die Demokratie ligen soll
Presseinformation Kiel, den 12.11.2004 Es gilt das gesprochene WortAnke SpoorendonkTOP 48 2. Parlamentarischer Untersuchungssauschuss Drs. 15/3729Warum eigentlich dieser Untersuchungsausschuss? Das fragte der NDR schon vor Mona-ten Passanten auf der Straße. Kaum jemand wusste darauf eine Antwort. Hatte sich derAusschuss also selbst überholt? In gewisser Weise schon. Die sehr lange Dauer der Arbeithat uns selbst ins Abseits gestellt, aber dazu später mehr.Ich möchte noch einmal an die Ereignisse erinnern, die der Einsetzung des Untersu-chungsausschusses vorangegangen waren: Gerüchte waren im Umlauf, dass Karl Pröhlneben seiner Aufgabe als Expo-Beauftragter des Landes Schleswig-Holstein genug Zeitgefunden hatte, sich anderweitig zu engagieren. Ich weiß noch genau, wie sich die Er-eignisse damals überschlagen haben. Wilde Vermutungen schossen ins Kraut. Alle ließensich von dieser hektischen Stimmung anstecken. Hatte sich also unbemerkt von derÖffentlichkeit ein Kieler Klüngel formiert, der sich gegenseitig das lukrative KielerSchloss zuschustern wollte? Ein Klüngel von Beamten, Politikern und Stadtpolitik? Genau das waren die Vermutungen, die Anlass gaben, mittels eines Untersuchungsaus-schusses die Vorgänge genauer zu untersuchen. Schon damals empfand ich ein gewissesUnbehagen. Ich möchte mich im Nachhinein nicht als schlauer darstellen als ich war,aber diese Eigendynamik aus Verdächtigungen, Halbwahrheiten und Fakten, die uns vonTag zu Tag schneller vor sich her trieb, verdrängte jedes rationale Nachdenken. Allesschien möglich. Wenn es monatelang unentdeckt geblieben war, dass der höchst bezahl-te Angestellte des Landes sich eines der Filetstücke unter den Nagel reißen wollte, dannkonnte noch viel mehr unentdeckt geblieben sein.Nach fast 30 Monaten hat der Untersuchungsausschuss aber gezeigt, dass da wirklichnicht mehr war, zumindest nichts, was einer harten Beweisprüfung Stand hält. Dr. KarlPröhl hatte nach Ende der EXPO vielfältige nebenberufliche Tätigkeiten entfaltet, ohneseinen Arbeitgeber darüber zu informieren. Angeblich musste er sich nach beruflichenAlternativen umsehen, weil die Landesregierung ihm keine adäquate Anschlussbeschäf-tigung angeboten habe. Tatsache ist aber, dass Dr. Pröhl zu keinem Zeitpunkt gekündigtwurde. Es gab aber Anzeichen, dass die Landesregierung seine Personalangelegenheitnicht mit dem nötigen Nachdruck vorangetrieben hat. Dem Ausschuss zeigte sich dasBild, dass die zuständigen Personalstellen ganz froh waren, dass Pröhl bei der I-Bankquasi geparkt war.Das zeugt von einer Personalpolitik, wie ich sie so nicht von der Landesregierung erwar-tet hatte. Aufgaben, die nicht in das Muster alltäglichen Verwaltungshandelns passen,und dazu gehörte ohne Zweifel die Beteiligung des Landes an der Weltausstellung, fan-den offensichtlich keine adäquate Andockstelle in der Ministerialstruktur. Das Gleichegalt übrigens auch für die Beschaffung eines Computerprogramms oder den Verkauf desKieler Schlosses: auch mit diesen Aufgaben waren Personen betraut worden, ohne sie inentsprechende Strukturen einzubinden. Gilt also bei der Personalpolitik der Landesregie- rung die Maxime: Aus den Augen, aus dem Sinn? Das kann niemals Prinzip einer moder-nen Personalpolitik sein.Wenn ich eine Schlussfolgerung aus den Untersuchungen des Ausschusses sicher ziehenkann, dann diese: Wer Personen mit Sonder-Aufgaben betraut, muss diese in verbindli-che Rückkopplungen einbinden und ihnen unterstützende Strukturen mit geben. Ange-sichts des Zuwachses an Sonderaufgaben, die teilweise sogar privatisiert werden, ist hierein Umsteuern dringend notwendig. Ich möchte auf keinen Fall missverstanden werden:es geht dem SSW nicht um ein Mehr an Kontrolle. Ein preußischer Obrigkeitsstaat, der,wie die CDU fordert, der Ministerpräsidentin sogar die Lektüre vorschreibt, ist meinesErachtens weder erstrebenswert noch realistisch. Uns geht es um ein Mehr an Steue-rung, politischer Steuerung. Das hat die Landesregierung vernachlässigt, aller schönenProgramme und Broschüren zum Trotz.Pröhl war ein Hans Dampf in allen Gassen, der vom Chef der Staatskanzlei vielfältigeingesetzt wurde – so eine Art „Task Force auf zwei Beinen“. Klaus Gärtner wollte eineflexible Verwaltung und öffnete bewusst Freiräume. Der Ausschuss konnte zeigen, dassdas von ihm ausgenutzt wurde. Pröhl verfiel nämlich ziemlich schnell dem Gedanken,diese Freiräume zum persönlichen Vorteil zu nutzen. Eigenmächtigkeiten, wie beispiels-weise die nicht-autorisierte Unterzeichnung eines Letters of Understanding, wurdennicht geahndet.Gärtner hat Fehler gemacht und hat daraus selbst die Konsequenzen gezogen – bekannt-lich wurde er am 15. April in den Ruhestand versetzt; übrigens im Jahre 2002. Die CDU-Mitglieder im Ausschuss haben nun noch versucht, eine Verstrickung der Ministerpräsi-dentin an Pröhls Machenschaften zu belegen. Das ist ihnen nicht gelungen. Für den SSW stelle ich dagegen fest: Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ministerpräsidentinnicht die Wahrheit gesagt haben soll. Wir halten ihre Aussagen für glaubhaft.Besonders ärgerlich erschien uns die Untersuchung der so genannten Computer-Affäre.Die Hintergründe dieser Affäre waren zeitnah im Finanzausschuss diskutiert und beratenworden – ausführlich, sowohl in öffentlichen als auch in nicht-öffentlichen Sitzungen.Dem Finanzausschuss lagen eine Stellungnahme des Landesrechnungshofes und einausführliches Rechtsgutachten vor, das vom Finanzministerium in Auftrag gegebenworden war. Im Nachhinein steht fest, dass der Untersuchungsausschuss keine neuenErkenntnisse auf den Tisch legen konnte. Hinzu kommt, dass bereits der Finanzausschussdie damaligen Entscheidungsstrukturen im Finanzministerium gerügt hatte. Diese Kritikführte einerseits dazu, dass das Vergabe-Verfahren geändert wurde, andererseits wurdeparallel dazu das interne Controlling verbessert. Mit anderen Worten: Als der Untersu-chungsausschuss anfing, sich mit dieser Materie zu befassen, hatte das Finanzministeri-um schon längst die Konsequenzen aus der SAP-Geschichte gezogen.Der Ausschuss hat viel Zeit – und auch zu viel Zeit in Anspruch genommen. Was nichtheißt, dass wir uns als Parlamentarier ständig den Aufmerksamkeitszyklen der Öffent-lichkeit unterordnen sollten. Aber jeder Fehler muss schnellstens aufgeklärt werden.Sonst laufen die Konsequenzen ins Leere. Wird die Zeit zwischen Fehlverhalten undKonsequenz zu lang, verpufft alles.In den vorliegenden Fällen gilt das gesagte besonders. Wobei die Affäre Lohmann einSonderfall ist, weil der SSW wie gesagt die Angelegenheit bereits als abgeschlossenbetrachtet, bevor sich der Untersuchungsausschuss dem Thema zuwendete. Ich hätte mir gewünscht, dass zwischen den ersten Verdächtigungen gegen Pröhl, alsoim Februar 2002, und der Aufklärung, nicht zweieinhalb Jahre ins Land gehen mussten,sondern höchstens sechs Monate. Die Sachermittlung dauert einfach zu lange. EineReihe von Zeugen hatte bereits zum Zeitpunkt der Befragung vor dem Ausschuss eineneue Position inne. Erinnerungen verblassen mit der Zeit. Und vor allem: die Empörungüber lang zurückliegende Ereignisse wirkt schal. Das alles bestärkt uns in unserem Vor-haben, die parlamentarische Untersuchung auf eine neue Basis zu stellen.Ich möchte hier noch einmal den Gesetzesvorschlag des SSW in Erinnerung rufen. Wirhaben gefordert, dass die Abgeordneten von der Ermittlung der Fakten entlastet werden.Damit werden Ressourcen geschont. Es geht darum, klar aufzugliedern, wer, wann, waserfahren oder angeordnet haben kann. Der Bericht der beiden Vorsitzenden listet genaudas auf. Wie viel Zeit wurde damit zugebracht. Einige Abgeordnete wollten ja gar nichtvon der Sachermittlung entlastet werden. Sie fühlen sich in der Rolle des Sherlock Hol-mes offensichtlich sehr wohl. Denen sei angeraten, lieber Krimis zu lesen, als sie politischzu inszenieren.Der SSW schlägt vor, die Sachermittlung zügig von einer unabhängigen Kommissionvornehmen zu lassen. Da niemand wirklich unabhängig ist, sollte es nicht um den kleins-ten gemeinsamen Nenner gehen. Strittige Punkte sollten durchaus benannt werden.Diese Fakten bilden dann in Form eines Berichtes die Grundlage für das weitere Vorge-hen des Parlamentes. Welche Schlussfolgerungen wir ziehen, welche Nachfragen wir fürnötig halten, bleibt selbstverständlich uns vorbehalten.Worauf es mir ankommt, ist, dass Untersuchungsbeginn und Untersuchungsergebniszeitlich näher zu einander rücken. Dann bleiben wir auch glaubhaft. Ich will die Gegen-sätze, die auch diesen Ausschuss bestimmt haben, nicht einebnen, aber ich möchte den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Lande eine nachvollziehbare, transparente Kontrol-le in die Hand geben.Vorbilder gibt es auch in Deutschland. So wurden die Ereignisse um den Amoklauf imErfurter Gutenberg-Gymnasium von zwei unabhängigen Fachleuten bearbeitet. Bereitswenige Monate nach den tödlichen Schüssen legten sie ihren Bericht vor. Das könntebeispielgebend auch für andere Vorgänge sein.Richtig ist, dass Untersuchungsausschüsse immer politische Kampfinstrumente waren.Im Spannungsfeld zwischen Aufklärung einerseits und Parteienkampf andererseitshängt die Waage aber schon seit langem extrem schief. Es ist schwer zu vermitteln,worin noch der Wert der Untersuchungsausschüsse für die Demokratie – also für dieMenschen dort draußen – liegen sollte, wenn das Ziel der Aufklärung so stark in denHintergrund rückt, wie es auch bei diesem Untersuchungsausschuss der Fall gewesen ist.Bekanntlich hatte der SSW schon Anfang des Jahres einen Antrag zur Änderung desUntersuchungsausschussgesetzes eingebracht. Heute sehen wir uns darin bestätigt,dass neue Wege beschritten werden müssen, wenn es darum geht, wieder Vertrauen indie demokratische Aufarbeitung politischer Skandale zu schaffen