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10.11.04
15:02 Uhr
SPD

Lothar Hay zu TOP 21: Wir werden die Sparkassen in ihrer jetzigen Struktur erhalten

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 10.11.2004 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
Top 21 – Zukunft der Kreditwirtschaft


Lothar Hay:

Wir werden die Sparkassen in ihrer jetzigen Struktur erhalten!

In der Auseinandersetzung um die Zukunft der Sparkassen durften wir in den vergan- genen Tagen ein ganz anderes Gesicht des sonst so liberalen Geistes von Herrn Ku- bicki kennen lernen. Was war geschehen? Da passierte der FDP etwas, was der SPD auf Parteitagen in den letzten Jahren häufiger passiert ist: Menschen, die sich von Entscheidungen negativ betroffen fühlten, übten Kritik an einer inhaltlichen Position. Dies ist ihr gutes Recht. Damit muss man sich politisch auseinandersetzen.

Nicht so die Opposition. Die ebenfalls kritisierte CDU ruderte – einem bereits bekann- ten Bild aus den letzten Wochen folgend – sofort zurück und wollte alles nicht so ge- meint haben, wie es in den Entwürfen zum Wahlprogramm stand.

Anders der Einzelkämpfer Kubicki – er holt zum fundamentalen Gegenschlag aus: „…oder kommt der rot-grünen Landesregierung die Hilfe des öffentlich-rechtlichen Sparkassen- und Giroverbandes gerade recht? Dann allerdings wäre der Tatbestand der politischen Korruption perfekt.“

Herr Kubicki, Sie erweisen sich hier als Politiker, dem für eine Schlagzeile fast jedes Mittel recht ist. Abgesehen von der Ungeheuerlichkeit Ihrer Formulierung bleibt die Frage, warum gerade die im Sparkassen- und Giroverband stark vertretenen CDU-
Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



Landräte der Landesregierung helfen sollten. Sie sollten lernen, mit Kritik angemessen umzugehen!

Die Sparkassen bilden das Herzstück der Kreditwirtschaft in unserem Land. Dies war in den letzten Jahrzehnten so, das ist heute so und soll nach der festen Überzeugung der SPD auch in Zukunft so bleiben. Auch 77 Prozent der Menschen in Schleswig- Holstein wollen, dass die Sparkassen nicht verkauft werden. Jetzt hat die CDU auf ih- rem Landesparteitag den Beschluss gefasst, die Sparkassen für die Beteiligung Dritter zu öffnen. Auch wenn diese Dritten „nur“ Mitarbeiter, Kunden und Institutionen der Sparkassengruppe sein sollten, dann dürfte Ihnen dennoch nicht verborgen geblieben sein, dass dies zu EU-rechtlichen Folgen führen könnte, die zumindest wir uns für die Sparkassen nicht wünschen: nämlich zu einer Erzwingung der Öffnung für private Banken.

Wir haben unsere klare Position für den Erhalt der Sparkassen deutlich gemacht. Wir stehen an der Seite der Bürgerinnen und Bürger, die auch in Zukunft ihre Sparkassen in der Fläche gesichert wissen wollen. Wir werden uns gegen eine Demontage des öf- fentlich-rechtlichen Bereichs zur Wehr setzen.

Wir haben die Große Anfrage vor allem gestellt, um uns über grundlegende Fragen und auch viele Details auf einen aktuellen Stand bringen zu lassen.

Ich möchte mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums für die Beantwortung unserer Großen Anfrage bedanken.

Zu den Ergebnissen im Detail: Die Zahl der Geldinstitute hat sich von 1998 bis 2003 im öffentlich-rechtlichen, im genossenschaftlichen und auch im privaten Sektor zum Teil gravierend verringert; bei den Sparkassen von 32 auf 24. Während diese Entwicklung für den Kunden kaum spürbar sein dürfte, schlägt der Abbau der Filialen gerade in ei- -3-



nem Flächenland in erheblichem Umfang auf die Verbraucher durch: Im öffentlich- rechtlichen Sektor ging die Zahl der Filialen von 599 1998 auf 452 im Jahre 2003 und im genossenschaftlichen Bereich von 506 auf 363 zurück. Dies sind in beiden Berei- chen um die 25 Prozent. Mag dies aus Sicht der Verantwortlichen wirtschaftlich als sinnvoll erscheinen, so bedeutet es insgesamt einen Abbau von Service gerade für einkommensschwächere und nicht mobile Gruppen, den wir für die Zukunft mit Sorge sehen.

Die Globalisierung der Kreditwirtschaft macht auch vor Schleswig-Holstein nicht halt. Das sichtbarste Zeichen ist die Fusion der beiden nördlichsten Landesbanken zur HSH-Nordbank. Der größte Schiffsfinanzierer der Welt hat sich in den Monaten nach der Fusion positiv entwickelt und ist gleichzeitig das einzige schleswig-holsteinische Kreditinstitut mit Töchtern im Ausland.

Mit knapp 20.000 Beschäftigten im Kreditgewerbe ist dieser Bereich ein bedeutsamer Faktor für den Arbeitsmarkt. Es besteht allerdings die Gefahr, dass die weitere Verrin- gerung der Zahl der Filialen auch zu einem spürbaren Abbau von Arbeitsplätzen füh- ren wird.

Wir sind nicht der Auffassung, dass die Bundesrepublik overbanked ist. Zwar gibt es hierzulande die größte Anzahl an Geldinstituten, was sich jedoch relativiert im Ver- gleich zur Größe, zur wirtschaftlichen Bedeutung oder auch zum Bruttoinlandsprodukt. Auch die Zahl der vollwertigen Filialen ist nicht überdimensioniert. Für Schleswig- Holstein teile ich diese Bewertung.

Bei Sparkassen und genossenschaftlichen Banken waren im Jahr 2002 fast 1.300 Auszubildende beschäftigt. Genauer untersucht werden muss die Frage, warum an- geblich im Bereich der Sparkassen mangels geeigneter Bewerber das Ausbildungs- platzangebot in den letzten Jahren nicht ausgeschöpft werden konnte. Ich vermute hier -4-



neben einem Qualifikationsproblem vor allem ein Kommunikationsproblem. Wir erwar- ten in Zukunft, dass die Sparkassen vermehrt Auszubildende einstellen.

Der Anteil der Kreditinstitute am Bruttoinlandsprodukt liegt bei 2 Prozent. Bei den Bi- lanzsummen insgesamt in den letzten Jahren liegt der öffentlich-rechtliche Sektor weit vorn, die Bilanzsumme stieg seit 1998 um 50 Prozent.

Im internationalen Vergleich liegen die deutschen Banken bezüglich der Eigenkapital- rentabilität weit zurück. Das bedeutet, sie verdienen sehr wenig, was auf den geringen Ertrag aus Provisionsgeschäften zurück zu führen ist. Bei den öffentlich-rechtlichen In- stituten macht das Zinsgeschäft sechsmal mehr aus als das Provisionsgeschäft. Bei den privaten ist das Verhältnis ausgeglichener.

Bei der Kreditvergabe fallen die Kreditbanken inklusive HSH Nordbank besonders auf, deren Kreditgeschäft sich zwischen 1998 und 2002 von 43,1 auf 62,2 Milliarden Euro erhöhte. Die Spareinlagen sanken in allen Bereichen. Die Kredite an Unternehmen blieben bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken in etwa gleich, während sie sich bei den Kreditbanken von 14,2 auf 22,2 Milliarden erhöhten.

Die Förderzusagen der KfW-Mittelstandsbank an schleswig-holsteinische Unterneh- men sanken erheblich – von 648 Millionen Euro 1999 auf 262 im Jahr 2003. Hier wird man noch einmal intensiv nach den Gründen fragen müssen.

Beim Verhältnis zwischen Kreditangebot und Kreditnachfrage konstatieren die Kam- mern, vor allem die Handwerkskammern, einen Rückgang bei der Kreditvergabe auf Grund einer geänderten Geschäftspolitik der Geldinstitute. Die Banken selbst sehen eine verminderte Nachfrage aufgrund der konjunkturellen Entwicklung, und der Spar- kassen- und Giroverband sieht keinen darüber hinausgehenden Trend. -5-



Die Landesregierung konstatiert eine deutlich zurückhaltende Kreditvergabepolitik der Kreditwirtschaft. Diese habe dazu geführt, dass es für viele mittelständische Unter- nehmen schwieriger wird, ihren Finanzbedarf über Kredite zu decken. Und das ist für mich der entscheidende Punkt. Was die Landesregierung als „risikobewusst“ bezeich- net, kann dasselbe sein wie fehlende Risikobereitschaft. Und wenn diese zur Methode wird, dann gibt es große Schwierigkeiten für kleine und mittlere Unternehmen. Alterna- tive Finanzierungsinstrumente werden für genau diesen Bereich nämlich nicht so leicht zugänglich sein.

Wenn die Landesregierung feststellt, dass die Mittelstandsfinanzierung schwieriger geworden ist, dann liegt genau hier die Aufgabe der Sparkassen. Wenn in den Bran- chen Bau und Handwerk und wohl auch im Bereich Tourismus sowie bei Klein- und Kleinstunternehmen eine akute Finanzkrise auszumachen ist, dann sind genau hier die Sparkassen gefordert. Dieses gilt auch für die Finanzierung von Betriebsübernahmen.

Wir erwarten, dass vor allem die Sparkassen mit langjährigen guten Kunden gemein- sam die Finanzierung von Investitionen sicherstellen und man dies nicht der öffentli- chen Hand zuschiebt. Das Wirtschaftsministerium hat hier zahlreiche Maßnahmen er- griffen. Investitionsbank und Bürgschaftsbank machen zusätzliche Angebote, aber dies kann und soll den öffentlichen Bankensektor nicht aus der Verantwortung entlassen. Natürlich sind auch die Unternehmen in der Verantwortung, ihre Eigenkapitalquote zu verbessern und sich auf den Strukturwandel einzulassen.

Wenn sich die Kredite an Unternehmen seit 1998 in der Summe offenbar nicht verrin- gert haben, so bleibt eben das Problem, dass bestimmte Bereiche in Gefahr geraten, abgehängt zu werden. Dies muss mit gemeinsamer Anstrengung verhindert werden.

Ich nehme erfreut zur Kenntnis, dass sich die Situation für einkommensschwache Bür- ger unter dem Stichwort „Girokonto für jedermann“ offenbar verbessert hat. Die -6-



Selbstverpflichtung der Banken scheint zu wirken, und die Einrichtung von Schlich- tungsstellen hat dazu sicher beigetragen.

Was den Umgang mit Konten angeht, deren Eigentümer nicht mehr ermittelt werden können, teile ich die in der Antwort vertretene Auffassung nicht. Wenn ein Konto mehr als 30 Jahre lang nicht mehr bewegt worden ist, fließt beispielsweise in Großbritannien das Geld der Allgemeinheit zu. Es handelt sich möglicherweise um hohe Beträge, die zielgerichtet für den Ausbau der Bildung verwendet werden könnten. Hier werden wir nachfassen.

Wir stehen zum Drei-Säulen-Modell, in dem die ertragsorientierten privaten Banken, die mitgliederorientierten Genossenschaftsbanken und die aufgabenorientierten Spar- kassen nebeneinander stehen. Und für die Damen und Herren aus der jetzigen und zukünftigen Opposition: Wir werden die Sparkassen in ihrer jetzigen Grundstruktur er- halten.