Lothar Hay und Klaus-Dieter Müller: Große Anfrage zur Kreditwirtschaft in Schleswig-Holstein
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 03.06.2004, Nr.: 101/2004Lothar Hay und Klaus-Dieter Müller:Große Anfrage zur Kreditwirtschaft in Schleswig-HolsteinDie Kreditwirtschaft ist ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaft Schleswig-Holsteins: Sie trägt mit mehr als 5 % zum Bruttoinlandsprodukt bei, während etwa Land-, Forst- und Fischereiwirt- schaft nur noch auf einen Anteil von etwa 2 Prozent kommen. Im dreigliedrigen System von öf- fentlichen, genossenschaftlichen und Privatbanken hat der öffentliche Sektor einen Anteil von fast 50 %.Privatbanken versuchen, sich auf Kosten des öffentlichen Bankensektors mehr Marktanteile zu verschaffen; gleichzeitig ziehen sie sich aus der Fläche zurück. Sie haben durch ihre Klage ei- ne EU-Entscheidung über den Wegfall von Staatsgarantien für Sparkassen und Landesbanken herbeigeführt. Besonders der öffentliche Bankensektor befindet sich in einem Umstrukturie- rungsprozess. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie gut unsere Kreditinstitute in Zeiten der Globalisierung und internationalen Verflechtung der Kreditwirtschaft aufgestellt sind. Um darüber und über die weitere Entwicklung Erkenntnisse zu erhalten, hat die SPD- Landtagsfraktion eine Große Anfrage „Zukunft der Kreditwirtschaft in Schleswig-Holstein“ ge- stellt.Wir wollen das dreigliedrige Bankensystem erhalten, denn wir sind damit bisher gut gefahren. Dabei ist es uns wichtig, dass der Kreditbereich auch weiterhin regionale Verantwortung wahr- nimmt – die wir allerdings in erster Linie durch die Sparkassen gesichert sehen. Denn die Pri- vatbanken werden diesem Anspruch mit ihrem Geschäftsgebaren – z. B. Weigerung, für je- dermann ein Girokonto sicherzustellen, Forderung nach Ankaufmöglichkeiten von Sparkassen und Genossenschaftsbanken – nicht gerecht.Die Große Anfrage spiegelt die „Doppelrolle“ der Kreditwirtschaft wider: Zum einen werden Da- ten, Zahlen und Fakten zur Kreditwirtschaft als Branche in unserem Land abgefragt. Wir wol- len auch wissen, wie es in diesem Bereich mit Arbeits- und Ausbildungsplätzen aussieht. Zum Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-anderen geht es aber auch um die Kreditinstitute als Dienstleister, denn sie sollen die Mittel bereitstellen, mit denen Unternehmen im Lande investieren und damit Wirtschaftskraft, Ar- beits- und Ausbildungsplätze schaffen. Doch Handwerk und Mittelstand beklagen die abneh- mende Bereitschaft der Institute, Kredite zu vergeben. In diesem Zusammenhang fragen wir auch nach der Rolle von Investitionsbank und Bürgschaftsbank des Landes.Aus der Antwort auf die Große Anfrage wollen wir Handlungsstränge ableiten, wie die Basis- versorgung der breiten Bevölkerung und der mittelständischen Wirtschaft mit Finanzdienstleis- tungen regional sichergestellt werden kann. Wir wollen das Konto für jedermann unbedingt er- halten.Bezüglich der Bewertung der Bonität von Unternehmen und Banken stellen wir die Überlegung in den Raum, ob es eine öffentliche Rating-Agentur geben sollte, die transparenter und weni- ger Interessen geleitet prüft und bewertet. Denn die bestehenden Rating-Firmen arbeiten ohne Transparenz und sind nicht überprüfbar.Eine Einlagensicherung ist gesetzlich vorgeschrieben und deckt im Falle des Zusammen- bruchs einer Bank die Einlagen der Kunden ab. Wir möchten wissen, warum der Privatban- kenverband eine zweite Einlagensicherung geschaffen hat, zu der aber nicht jeder Bank Zu- gang gewährt wird. Das Prüfungsrecht für die Entschädigungseinrichtungen liegt beim Bun- desverband der privaten Banken (BdB), der dafür eigene Mitarbeiter einsetzt, während die ge- nossenschaftlichen und öffentlichen Institute vereidigte Wirtschaftsprüfer beauftragen müssen. Das verschafft den Privatbanken Wettbewerbsvorteile, die möglicherweise einer Prüfung durch die EU-Wettbewerbshüter nicht Stand halten.Immer wieder gibt es Fälle in der Kreditwirtschaft, bei denen keine Eigentümer von Konten er- mittelt werden können. Wie gehen die Kreditinstitute damit um? Die Frage nach Auskunfts- pflicht über eigentümerlose Konten verbinden wir mit der Überlegung, ob das dort ruhende Kapital wie in anderen Ländern auch zur teilweisen Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur herangezogen werden könnte.Aufgrund der Fakten, die sich aus den Antworten auf unsere Große Anfrage ergeben, werden wir die Lage und die Zukunft der Kreditwirtschaft als Teil der Wirtschaft Schleswig-Holsteins -3-und die Chancen und Probleme, die sich daraus ergeben, diskutieren, bewerten und gegebe- nenfalls eigene Vorschläge entwickeln.