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28.05.04
13:56 Uhr
SSW

Europapolitik: Das Volk muss bei der EU-Verfassung mitreden können

Presseinformation Kiel, den 28.05.2004 Es gilt das gesprochene Wort



Anke Spoorendonk
TOP 26 Europapolitik ist Landespolitik
Drs. 15/3437

„Europapolitik ist Landespolitik“ heißt es in dem vorliegenden Antrag der regierungstra-
genden Fraktionen. – Recht haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, denn einerseits
wird die Landespolitik mehr als wir uns in unserer täglichen Arbeit bewusst sind, von
Brüssel gesteuert. Anderseits ist es natürlich auch so, dass uns in Schleswig-Holstein
durch Einbeziehung der europäischen Perspektive in die Landespolitik neue Chancen
geboten werden.
Was, in Klammern bemerkt, nicht so aufgefasst werden soll, dass es bei der anstehenden
Europawahl darum geht irgendwelche innenpolitische Denkzettel zu verabreichen. – Oder
hat der Landesvorsitzende der CDU, der geschätzte Kollege Carstensen, etwa vor, in das
Europaparlament einzuziehen?


Doch nun im Ernst: Auch der SSW ist der Auffassung, dass die Ostseekooperation ein
zentrales Element in der Europapolitik unseres Landes ist – und auch künftig sein sollte. 2

Denn für diese Art der regionalen Zusammenarbeit spricht weiterhin, dass sie breit gefä-
chert und von unten gewachsen ist. Historisch betrachtet gehört es auch zu ihren Stärken,
dass sie sowohl Mitglieder der EU als auch nicht EU-Mitglieder umfasst.


Zugegeben, mit der EU-Erweiterung muss man nach nicht EU-Mitgliedern in der Ostsee-
kooperation suchen. Umso wichtiger wird vor diesem Hintergrund die Weiterentwicklung
eines guten nachbarschaftlichen Verhältnisses zu Russland. Man könnte auch sagen,
dass die Strategie der „Nördlichen Dimension“ in der EU aktueller ist denn je ist.


War die Ostseekooperation mit der Etablierung des Ostseerates anfänglich eine Initiative
der Regierungen, so spielt inzwischen auch die parlamentarische Zusammenarbeit eine
wichtige Rolle. Aus Sicht des SSW könnte man ruhig selbstbewusst hinzufügen, dass sich
auch der Schleswig-Holsteinische Landtag mit guten Initiativen einbringt und eingebracht
hat.


Die Ostseeparlamentarierkonferenz stellt dafür einen wichtigen Rahmen dar. Daher un-
terstützen wir die Bemühungen des Landtagspräsidenten, diese Arbeit weiter zu stärken.
Diskutiert wird u.a., dass die Mitglieder der Ostseeparlamentarierkonferenz künftig für
eine Legislaturperiode gewählt und „transparentere“ Beziehungen zwischen dem Ostsee-
rat und der Parlamentarierkonferenz hergestellt werden. Wir bleiben aber dabei, dass wir
es weiterhin mit einer Konferenz und nicht mit einem Regionalparlament zu tun haben.


Vor diesem Hintergrund wünschen wir uns, dass die Ostseepolitik der Landesregierung
wieder einen eigenständigeren Stellenwert erhält. Nur so können wir nach außen hin
dokumentieren, wie wichtig diese regionale „Außenpolitik“ ist und den Einfluss auf die
Bundesebene stärken. Denn eines sollten wir alle befürworten: 3



Die „nördliche Dimension“ in der EU – und damit zusammenhängend die Ostseekoopera-
tion – muss in Zukunft ein zentrales Element deutscher Europapolitik sein.


Abschließend möchte ich auch noch kurz ein paar Worte zur Diskussion um die zukünfti-
ge Europäische Verfassung sagen: Wenn wir der Meinung sind, dass die Wahrung der
kulturellen und sozialen Vielfalt in einem zusammenwachsenden Europa höchste Priorität
hat, dann müssen auch die Minderheiten und Volksgruppen in allen Mitgliedsländern
Anerkennung, Schutz und Förderung genießen. Wichtig ist dabei auch, dass die Kopen-
hagener Kriterien nicht nur für neue EU-Mitglieder gelten müssen, sondern auch für die
alten Mitgliedsländer – wie Frankreich, Griechenland oder Spanien.


Die Menschen- und Minderheitenrechte müssen also nicht nur politisch, sondern auch
rechtlich abgesichert werden. Deshalb müsste aus unserer Sicht ein dementsprechender
Minderheitenpassus in der kommenden Europäischen Verfassung festgeschrieben wer-
den.


Dazu fordert der SSW eine Volksabstimmung über die europäische Verfassung. Die
wichtigen Fragen der Europapolitik werden in Deutschland seit jeher fern von der Bevöl-
kerung entschieden. Es ist nicht verwunderlich, dass viele Menschen kein Interesse und
kein Vertrauen in die EU haben, denn sie dürfen nicht dazu Stellung beziehen, wie die
europäische Zusammenarbeit aussehen soll.


Das Volk muss mitreden können, wenn das Land Souveränität abgibt, um mit anderen
Ländern eng zusammenzuarbeiten. Deshalb fordert der SSW, dass auch in Deutschland 4

Volksabstimmungen zu wichtigen EU-Vertragsänderungen durchgeführt werden. Die erste
muss dem aktuellen europäischen Verfassungsvertrag gelten.


Dabei können wir auf Erfahrungen mit Volksabstimmungen über EU-Verträge in anderen
EU-Ländern verweisen – zum Beispiel in Dänemark und Schweden. Dort ist die Bevölke-
rung durch die Abstimmungskampagnen weit besser über EU-Fragen informiert als in der
Bundesrepublik. Die Menschen wollen auch in Deutschland sachlich informiert werden
und Stellung beziehen können. So lange man sie nur vor vollendete Tatsachen stellt, wird
die Europäische Union für sie ein Projekt der Mächtigen bleiben.


Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass es bei den Wahlen zum Europapar-
lament in der Vergangenheit in Dänemark oder Schweden relativ gesehen eine gute
Wahlbeteiligung gab. In Schleswig-Holstein hatten wir 1999 eine Wahlbeteiligung von nur
etwas über 38%. Es ist leider zu befürchten, dass dieser Wert bei der kommenden Wahl
noch unterboten wird.


Könnte es nicht sein, dass eine Abstimmung über die neue EU-Verfassung die Bürgerin-
nen und Bürger mehr für Europa öffnen und somit auch das Interesse am Europaparla-
ment fördern würde. Ich verstehe nicht, warum insbesondere die beiden großen deut-
schen Volksparteien den Menschen nicht zutrauen, sich in dieser wichtigen Zukunftsfrage
ihre eigene Meinung zu bilden?


Sie wissen, dass der SSW selbst nicht an der Wahl zum Europaparlament teilnimmt.
Dennoch werden wir unseren Mitgliedern und Wählern empfehlen, am 13. Juni zur Euro-
pawahl zu gehen. Um die Wahlbeteiligung auch nur einigermaßen erträglich zu gestal-
ten, haben wir alle aber noch eine ganz gehörige Überzeugsarbeit vor uns.