Uwe Eichelberg: Wirtschaftsbericht 2004 nichts hat sich von den Prognosen erfüllt, Herr Rohwer!
Nr. 285/04 27. Mai 2004 IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG PRESSEMITTEILUNG PRESSESPRECHER Torsten Haase Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.deWirtschaftspolitik TOP 38 Uwe Eichelberg: Wirtschaftsbericht 2004 – nichts hat sich von den Prognosen erfüllt, Herr Rohwer! Heute haben wir den letzten Wirtschaftsbericht dieses schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministers gehört. Und das ist gut so! Wieder wird ein positives Szenario für die Zukunft gemalt und werden Aktivitäten angekündigt, so als wäre man für die Wirtschaftspolitik der vergangenen 16 Jahre gar nicht zuständig gewesen.Da wird sogar wieder einmal die konjunkturelle Erholung angekündigt, natürlich nur „ wenn die Verbraucher und Investoren verstärkt Vertrauen in die zukünftige Entwicklung gewinnen“. Bei den Regierungen in Berlin und Kiel, wie soll das funktionieren, frage ich Sie.Da werden im Bericht Appelle an die Bundesregierung formuliert und dabei ganz vergessen, dass diese Bundesregierung auch von rot-grünen Genossen geführt wird, zu denen man anscheinend kein Vertrauen hat.In den 10 Minuten Redezeit kann man leider nicht detailliert auf die 120 Seiten Ausführungen eingehen, aber es hat auch wenig Zweck, zumal in 8 Monaten sowieso eine andere Regierung Verantwortung trägt.Nichts hat sich von den Prognosen erfüllt, Herr Minister Dr. Rohwer, die Sie im letzten Jahr hier im Parlament wie auch in den Jahren zuvor anlässlich der Wirtschaftsberichte ankündigten. Luftblasen und blutlose Theorie.Schon wieder reden Sie von Wachstumsraten um 1,8 bis 2% für Deutschland, die schon längst von allen Wirtschaftsweisen auf max. 1,5% und von Ihnen vor der Bauindustrie sogar auf 1,3 % nach unten korrigiert wurden.Haben Sie vergessen, Herr Minister Dr. Rohwer, was im letzten Jahr passierte? Es wurde das Wirtschaftswachstum für unser Land - entgegen Ihren Prognosen - nicht nur stetig nach unten korrigiert, sondern wir hatten in Schleswig-Holstein nach den schwachen Vorjahren ein reales Minuswachstum von 0,6% ,und waren damit dramatisch schlechter als die anderen Bundesländer. Europa hinkt der Weltkonjunktur hinterher. Deutschland mit seiner erodierenden Wirtschaftslage und dramatischen Finanzlage der öffentlichen Hand, bremst Europa.Schleswig-Holstein, angeblich mit großen Chancen als Brücke zum Norden und zu den Ostseeanrainerstaaten, hält die Schlusslaterne am rot-grünen Zug ins Nirwana! Gerade erst in der vorletzten Woche konnte der Sozialausschuss in Estland erfahren, das auch hier kaum noch ein Blumentopf zu holen ist. Die anderen europäischen Länder haben schon längst investiert, ausgebildet und eng verzahnte volkswirtschaftliche Netzwerke aufgebaut. Frau Ministerpräsidentin, Sie kommen bei Ihrem nächsten Besuch mit den Herren der Firma Dräger zu spät. Selbst die Krankenhäuser sind bereits bestens mit anderen europäischen Geräten ausgestattet. Es wurde korrekt ausgeschrieben und von bayrischen sowie den skandinavischen Ländern geliefert und finanziert. Gebrauchte Hüte aus Schleswig-Holstein benötigt man nicht mehr!Herr Dr. Rohwer, Optimismus ist eine wichtige Tugend für einen Wirtschaftsminister, aber vorher muss man klare Vorstellungen von der Ausgangslage und den Zielen haben, die bisher seit 16 Jahren fehlten. Was nützen die besten Ankündigungen, Aktionismus und Forderungen z.B. für den Ausbau der Außenhandelsaktivitäten, des Tourismus oder des Straßenbaus, wenn Sie noch nicht einmal in ihrer eigenen Regierung und Regierungskoalition dafür Mittel bekommen.Man kann eine Wirtschaftspolitik nicht nur auf die Hoffnung auf einen Wirtschaftsaufschwung in Amerika aufbauen und gleichzeitig den Anteil an Steuern und Abgaben beim Strompreis von 35 % in 1998 auf über 40 % erhöhen. Bei der Wettbewerbsförderung ist es kein Wunder, wenn selbst die großen Chemiefirmen den Standort Schleswig-Holstein verlassen.Ihre Sonderlehrstunde zum Thema „Cluster-Bildung“ ist zwar sehr interessant, aber ich kann selbst den Definitionen von „landesweiten Clustern“ nicht folgen. Bei solcher Interpretation von Clustern sind Sie auch als Theoretiker auf dem Holzweg. Gerade das Thema Tourismus zeigt den Unsinn deutlich auf. Wenn allein 50% der Urlauber der Westküste auf Sylt sind, dann gibt es ein Cluster Sylt mit spezifischen Anforderungen, aber nicht das landesweite Cluster Schleswig-Holstein. Man kann den Urlaubstyp von Sylt nicht mit Urlaubern von Büsum oder den Hüttener Bergen vergleichen. Wenn Sie hier das schon nicht differenzieren können, dann weiß ich auch, warum Sie keine konkreten wirtschafts- und tourismuspolitischen Ziele definieren können.Meine Damen und Herren, seit den 8 Jahren, die ich hier im Parlament bin, fordern die Regierung nahezu dieselben Bundesinfrastrukturprojekte bei Schiene, Straße und Wasserwegen und kündigt laufend neue Bautermine an. Nur gebaut wird nicht. Dafür geht man aber fünfmal zu Spatenstichfeiern auf dem A20-Stück von der A1 zur Grenze Mecklenburgs.Selbst bei der so wichtigen A20 befinden Sie sich außerdem doch immer noch im Linienbestimmungsverfahren. Die Baukostenschätzungen für die Elbquerung haben doch mittlerweile kaum noch eine gesunde Basis für eine reine Privatfinanzierung.Selbst der Bau der A1 nach Heiligenhafen musste abgebrochen werden und Sie sehen die feste Fehmarnbelt-Querung bereits im nächsten Jahrzehnt benutzbar? Herr Dr. Rohwer, Sie sind kein Optimist, Sie sind ein Phantast! Schleswig-Holstein hat unzweifelhaft Standortnachteile, nur deswegen bekommen wir ja seit Jahrzehnten Gelder vom Bund und der EU zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur. Wegen schöner Luft allein siedelt sich kein Betrieb an!Diese Gelder wurden aber in den letzten 15 Jahren nicht zielgerichtet eingesetzt, dies wird durch den Abbau von Arbeitsplätzen und das geringe Wirtschaftswachstum und damit durch die hohe Arbeitslosigkeit gerade im Landesteil Schleswig überdeutlich. Erschreckend ist, mit welcher Arglosigkeit davon ausgegangen wird, dass GA-Mittel und die EU-Finanzierung so weiterlaufen wie bisher. Das ist schon sträflich.Wir haben keine 70 Mio. Euro mehr für Strukturveränderungen bis 2006, damit können wir noch nicht einmal einen Flughafen erneuern geschweige denn ein Land.Wenn man sich die Statistiken nach Wirtschaftsräumen über die letzten 15 Jahre genauer ansieht, so müsste doch wenigstens einem Wirtschaftstheoretiker, wie unserem Wirtschaftsminister, auffallen, dass unser Land fast ausschließlich vom Wachstum im Planungsraum I lebt.Die Voraussicht der dortigen Landkreise und das Versagen der früheren SPD- Regierungen in Hamburg haben zu einer Flucht von Firmen und kaufkräftigen Bewohnern ins Umland geführt auch ohne Fördermaßnahmen und ohne Regierungseinfluss aus Kiel. Meine Damen und Herren davon profitiert Schleswig- Holstein seit Jahren. Gut, das wenigstens das der Wirtschaftsminister erkannt hat in seinem Papier „ Eckpunkte unserer wirtschaftspolitischen Strategie bis 2020“, aber der lernt nicht daraus!Im Wirtschaftsbericht schreibt der Minister Dr. Rohwer: „Schleswig-Holstein ist aus Sicht von Unternehmen, Investoren und Existenzgründern ein attraktiver Standort und kann sich im Standortwettbewerb behaupten“.Da fragt man sich wirklich, in welchem Wolkenkuckucksheim dieser Minister lebt. Hat er denn nicht die Standortstudie der Universität Kiel aus April diesen Jahres über den Standort Schleswig-Holstein gelesen?Da beschreibt man sehr deutlich die vier größten Defizitbereiche:1. Die Ferne zu existierenden wichtigen Absatzmärkten und Kunden, 2. Die Ferne zu potentiellen Absatzmärkten bzw. Kunden, 3. Die Anbindung an das Straßennetz (die Bahn vermisst keiner!), 4. Die geringe Verfügbarkeit von FacharbeitskräftenUnd was tun wir für die geforderte Infrastruktur?Seit Jahren reduziert Rot-Grün die Straßenbaumittel und baut von dem Rest Radwege statt zwingend notwendiger Querverbindungen.Ansonsten verkündet der Verkehrsminister Baumaßnahmen des Bundes, auf die er gar keinen Einfluss hat und die der Bund gar nicht in der Priorität sieht.Überhaupt nicht so glänzend wird von den befragten Unternehmen das vom Minister so hoch gelobte gute Wirtschaftsklima gesehen. Vielleicht besucht der Minister nur die Firmen, die ausreichende Mittel von ihm bekommen? Die Frage der hinterfragten Ausbildung will ich nicht vertiefen; PISA sagt genug wie auch die Wirtschaft über die zunehmende Zahl der ausbildungsunfähigen Jungen und Mädchen. Was nützt da die Ausbildungsbereitschaft oder noch schlimmer eine Ausbildungsplatzabgabe, wenn, wie auch in Lübeck bei der IHK für die Abgeordneten als Parteien zu verhören war, die Ausbildungsplätze nicht einmal besetzt werden konnten.Bei den Arbeitslosenquoten und Konkursen bleibt Schleswig-Holstein seit Jahren in der Spitzenklasse wie auch bei der Abwanderung gerade der Betriebe, die die landwirtschaftlichen Produkte weiterverarbeiten. Das ist für den Landesteil Schleswig verheerend! Aber darüber lesen wir nichts im Bericht. Das Ende von Firmen fällt dem Minister natürlich nur bei Großbetrieben auf. Der Mittelstand stirbt ungehört von den Medien und somit natürlich auch vom Ankündigungsminister.Im Bericht wird zwar von dem immer noch so wichtigen Wirtschaftsbereich Lebensmittelindustrie gesprochen, aber es gibt nicht dazu die regionalen Analysen.Bei genauer Betrachtung der regionalen Zahlen der Lebensmittelindustrie müsste dem Wirtschaftstheoretiker Prof. Rohwer auffallen, dass zwar hier und dort ein Wachstum gerade der Backbetriebe zu verzeichnen ist, dass aber dafür nur die stark angestiegenen Zahl ,- als GmbH’s ausgewiesenen-, Backstuben verantwortlich sind, die nur vorgebackene Backwaren von Großlieferanten wie „Kamps“ aufwärmen, bleibt verborgen.Gott sei Dank hat die Regierung erkannt, dass die Arbeitspolitik besser im Ministerium für Wirtschaft untergebracht ist. Herr Minister Rohwer, das Umsteuern ist zu erkennen. Nur zu spät kommt die Erkenntnis, denn woher sollen in Zukunft die Gelder kommen. Wenn jetzt so gravierende Änderungen in der Arbeitsmarktpolitik möglich sind, dann frage ich mich, was hat Frau Simonis als verantwortliche Ministerpräsidentin all die Jahre vorher gemacht? Soll es heißen, Frau Simonis trägt die Verantwortung für die viele Millionen Fehlinvestitionen in den 2.Arbeitsmarkt und die Pflege der Arbeitslosigkeit? Der Umsteuerungsprozess kommt einfach zu spät.Meine Damen und Herren, wir stecken in einer schwierigen Lage, die allein die rot- grüne Landesregierung zu verantworten hat. Es gibt ein altes Sprichwort, das lautet:„Die Welt ist das, was wir aus ihr machen“, Sie haben das Land ruiniert, CDU und FDP werden ab dem Februar 2005 das Ruder herumreißen und mit der Bevölkerung und Wirtschaft die Chancen nutzen, denn das Vermögen haben sie schon verkauft, meine Damen von rot-grün !“