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27.05.04
16:26 Uhr
SPD

Wolfgang Baasch zu TOP 15: CDU will sozialhilfeberechtigte Menschen mehr belasten

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 27.05.2004 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell TOP 15 – Sozialhilfeausgaben in Schleswig-Holstein (Antrag der Fraktion der CDU)

Wolfgang Baasch:

CDU will sozialhilfeberechtigte Menschen mehr belasten

In diesem Antrag bittet uns die CDU Schleswig-Holstein um Hilfe. Die CDU Schleswig- Holstein bittet tatsächlich uns alle, alle Fraktionen dieses Hauses um Hilfe, um eine Diskussion vorzubereiten, die sie am 21. Juni auf einem kleinen CDU-Parteitag fort- setzen will. Die CDU Schleswig-Holstein überlegt doch tatsächlich, bis 2010 die Sozi- alhilfeausgaben um 25 % zu reduzieren. Und um dieses Ziel zu erreichen, sollen laut CDU nur noch die wirklich schwachen und bedürftigen Menschen Sozialleistungen er- halten. Menschen mit Behinderung, Kranke oder nicht arbeitsfähige Menschen sollen Unterstützung erhalten, alle anderen werden mit einer Pflicht zur Gegenleistung kon- frontiert. Und Erfolge von Kommunen, die die 25 % oder gar mehr bis 2010 erreichen, sollen belohnt werden.

Dies sind die Kernsätze, die die CDU-Fraktion aus einem Arbeitspapier „Die soziale Balance wahren“ uns allen hier vorlegt. Nun fragt man sich, was steht denn sonst in diesem Arbeitspapier, das ja eigentlich erst am 21. Juni von der CDU beraten und womöglich beschlossen wird. Schaut man sich die Seite 7 des Arbeitspapiers „Die so- ziale Balance wahren“ an, so ist es schon seltsam, dass nicht auch andere Formulie- rungen uns heute hier zur Diskussion und Abstimmung im Landtag vorgelegt worden sind. Wie gern hätten wir hier im Landtag noch einmal über Formulierungen wie „Am Bettelstab zu gehen, tut den Menschen weh“, diskutiert und beschlossen.
Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



Aber auch die Vorstellung, dass Menschen notwendige Hilfen zum Leben in bar aus- gezahlt erhalten, wäre doch einmal diskussionswürdig. So fordert die CDU in ihrem Arbeitspapier „Kinder von Familien, die durch die Nicht-Bereitschaft der Eltern zur Ar- beitsaufnahme betroffen sind, sollten die notwendigen Hilfen zum Leben in nicht barer Auszahlung erhalten“. Wunderbar, bedeutet es doch eindeutig eine Stigmatisierung von Kindern und eine sehr prickelnde Vorstellung, wenn Kinder oder ihre Eltern bei großen Discountern wieder mit Kosten-Garantie-Scheinen einkaufen müssen.

Aber das Ziel der CDU ist es ja, bis zum Jahre 2010 die Ausgaben für die Sozialhilfe um mindestens 25 % zu senken. Dafür ist man gerne bereit, auch wieder große ver- waltungsaufwändige Maßnahmen wie z. B. die Abrechnung von Kosten-Garantie- Scheinen mit Einzelhandelsunternehmen einzuführen. Nein, der CDU kann man nur sagen, sie hat die Bedeutung des Bundessozialhilfegesetzes und die Notwendigkeit, dieses durch Reformen zu sichern, nicht begriffen.

Die Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz ist das umfassendste Instrument zur Verhinderung und Bekämpfung von Armut im Rahmen des sozialen Sicherungssys- tems. Die Sozialhilfe ist das unterste Netz unseres Systems sozialer Sicherung, und diese Funktion wird es voraussichtlich auch in absehbarer Zukunft behalten, vielleicht sogar in erhöhtem Maße in der Zukunft erfüllen müssen. Es ist nämlich zu befürchten, dass nach der Zusammenführung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe eventuell noch mehr Bürger ein menschenwürdiges Leben allenfalls durch die Sozialhilfe garantiert bekommen werden, auch wenn dann das Sozialhilfeniveau als Arbeitslosengeld II be- zeichnet wird.

Herr Kalinka und die CDU-Landtagsfraktion wollen aber durch eine „enge Auslegung des Sozialhilferechtes“ und durch „strenge Kostenüberprüfungen“ und durch „Leis- tungskürzungen bis zu 100 %“ dafür sorgen, dass bis zum Jahre 2010 25 % der Aus- gaben für die Sozialhilfe eingespart werden. Ob in diesem Zeitraum auch 25 % Rück- gang von Sozialhilfeberechtigten vorgesehen ist, wird nicht beantwortet in dem Ar- beitspapier der CDU. Nein, das Arbeitspapier „Die soziale Balance wahren“ der CDU -3-



hat nicht vor, die soziale Balance zu wahren. Es will einseitig die Lasten auf die sozial- hilfeberechtigten Menschen abwälzen.

Für soziale Sicherheit zu sorgen heißt auch, soziale Gerechtigkeit herstellen. Soziale Gerechtigkeit bedeutet aber, einen aktiven Sozialstaat in die Lage zu versetzen, auch aktivierende Sozialpolitik zu betreiben. Nur: derartige Formulierungen sucht man bei der CDU vergebens. Ein Sozialstaat darf Forderungen nur erheben, wenn er selbst ak- tiv dazu beiträgt, die drängenden Fragen bei der Herstellung von sozialer Gerechtigkeit zu beantworten, und damit zur Akzeptanz von staatlichem Handeln beiträgt.

Also, soziale Balance heißt, nicht einseitig Sozialhilfeberechtigte fordern, sondern auf der einen Seite der Wippe klar machen, dass jedes Mitglied dieser Gesellschaft Rech- te und Pflichten hat, dass auf der anderen Seite aber auch staatliches Handeln steht, das mit einer aktivierenden Sozialpolitik dem Einzelnen die Gelegenheit gibt, seine Aufgaben zu erfüllen. Hier schweigt die CDU, weil sie selbst nicht den Begriff der sozi- alen Gerechtigkeit findet und schon gar nicht in der Lage ist, soziale Gerechtigkeit auch mit Inhalten zu füllen.

Wie wollen wir Sozialdemokraten denn ein „Mehr“ an sozialer Gerechtigkeit erreichen? Wie wollen wir den roten Faden der sozialen Gerechtigkeit aufnehmen und daraus ei- ne rote Schutzweste für in Not geratene und unterstützungsbedürftige Menschen stri- cken? Wir machen das, indem wir die Notwendigkeit der Reform des Sozialstaates se- hen und uns auf den Weg machen, die sozialen Sicherungssysteme zu reformieren. Wir machen Vorschläge für ein neues Steuersystem. Die Diskussion haben wir in der April-Tagung hier im Haus geführt. Sie (CDU und FDP) reden nur von Steuervereinfa- chung und meinen damit nur eine steuerliche Entlastung der ohnehin Bessergestellten. Die Steuergelder, die wir dabei verlieren, sollen dann in die Finanzierung der unsozia- len Kopfpauschale in der Krankenversicherung gesteckt werden. Dies hat mit seriöser Politik nichts zu tun. Dieser Vorschlag soll übrigens 100 Mrd € kosten. Wie soll dies fi- nanziert werden? Ein toller Vorschlag zur Senkung der Sozialhilfeausgaben! -4-



Die Sozialdemokraten haben hingegen für die künftige Gestaltung unseres Gesund- heitswesens einen anderen Weg eingeschlagen. Wir wollen den Umbau der gesetzli- chen Krankenversicherung hin zu einer Bürgerversicherung. Die Finanzierungslast der Krankenversicherung obliegt zu einseitig vor allem dem Lohneinkommen. Durch eine Einbeziehung auch anderer Einkommensarten und aller Erwerbstätigen in eine solida- rische Bürgerversicherung kann die Last gerechter verteilt und der Wettbewerb zwi- schen den gesetzlichen und privaten Krankenkassen verbessert werden.

Sie, Herr Kalinka, wollen dagegen, dass der Manager eines Unternehmens den glei- chen Betrag zahlt wie der Hausmeister. Dies hat mit gerechter Politik nichts zu tun und wird auch nicht die Sozialhilfeausgaben senken.

Also, es kommt nicht darauf an, einseitige Lasten in der sozialen Sicherung zu ver- schieben, sondern die sozialen Sicherungssysteme zu reformieren, um sie damit zu erhalten, und dieses zu nutzen, um auch Sozialhilfekosten zu senken. Das ist der Weg, den unsere Gesellschaft braucht. Sie sind auf dem Holzweg, Herr Kalinka – und das wie immer!