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26.05.04
11:37 Uhr
FDP

Ekkehard Klug: "Die generelle und undifferenzierte Einführung einer Bachelor/Master-Struktur nimmt vielen Studenten Berufs- und Lebenschancen"

FDP Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1



Presseinformation Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Nr. 179/2004 Dr. Heiner Garg, MdL Stellvertretender Vorsitzender Kiel, Mittwoch, 26. Mai 2004 Dr. Ekkehard Klug, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer Sperrfrist: Redebeginn Christel Aschmoneit-Lücke, MdL Joachim Behm , MdL Es gilt das gesprochene Wort! Günther Hildebrand, MdL Veronika Kolb, MdL Bildungspolitik/“Bologna-Prozess“
Ekkehard Klug: „Die generelle und undifferenzierte



www.fdp-sh.de Einführung einer Bachelor/Master-Struktur nimmt vielen Studenten Berufs- und Lebenschancen“ In seinem Redebeitrag zu TOP 34 (Schleswig-Holstein im „Bologna- Prozess“) erklärte der hochschulpolitische Sprecher der FDP- Landtagsfraktion, Dr. Ekkehard Klug:
„Die Umstellung aller Studiengänge auf das Bachelor/Master-Konzept, also die sogenannten „gestuften Studiengänge“, wird von den Verfechtern dieser Reform als wesentlicher Schritt in Richtung auf einen gemeinsamen „europäischen Hochschulraum“ gefeiert. Tatsächlich droht daraus das größte bildungspolitische Desaster in der Geschichte der Bundesrepublik zu werden.
Für manche Studiengänge und Fächer mag das Bachelor/Master- Modell ein gangbarer Weg sein. Falls die neuen Studienstrukturen jedoch dogmatisch in allen Fächern und Hochschulen durchgesetzt werden, produziert die Hochschulpolitik massenhaft Berufsattrappen, schafft Arbeitsmarkt-Sackgassen für viele Absolventen, die nur bis zum Bachelor gelangen, und sorgt bestenfalls noch für eine Verlängerung der Studienzeiten, falls die meisten Studierenden dann auch in anschließende Master-Studiengänge drängen.
Ein differenziertes Vorgehen ist daher unbedingt vonnöten. Die Hochschulen brauchen Spielräume für eine sinnvolle Form der Einführung dieser neuen Abschlüsse. Am allerwenigsten brauchen sie deren hektische und globalgalaktische Installierung nach dem Hauruck- System, ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Verluste an Berufs- und Lebenschancen den Studenten und an Qualität und Vielfalt des akademischen Fächerangebots.
Ein Kernpunkt ist die Arbeitsmarkt-Eignung angeblich „berufsqualifizierender“ Bachelor-Abschlüsse. In manchen Fächern mag dies bei einem in der Regel 6 Semester umfassenden Studiengang
Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 1 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 2 gewährleistet sein, in anderen mit Sicherheit aber nicht. Was soll man zum Beispiel mit einem Bachelor in Medizin anfangen?
Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) erklärt in einer im Internet nachzulesenden Stellungnahme: „Was die Einschätzung der Berufsbefähigung und der Einordnung des Bachelor of Science (Chemistry) ... in der chemischen Industrie betrifft, so besteht zur Zeit noch Diskussionsbedarf. Viele Chemieunternehmen stufen den Bachelor als „Zwischenqualifikation“ ein, andere sehen ihn auch als möglichen berufsqualifizierenden Abschluss mit einem interessanten Kompetenzprofil für mittlere technische Funktionen“.
Mit anderen Worten: Bachelor-Absolventen werden auf dem Arbeitsmarkt mit jungen Leuten konkurrieren, die eine entsprechende technische Berufsausbildung im dualen System erhalten haben. Für Forschungsaufgaben in der Chemischen Industrie kann man sie nicht gebrauchen, dafür ist ein solcher Abschluss nicht „berufsqualifizierend“. Anfang April hat eine Vertreterin dieser Branche dies bei einer Diskussion im bildungspolitischen Arbeitskreis des Unternehmensverbandes Nord explizit so festgestellt.
Die Hochschulen stehen vor der Frage, welche Lehr- und damit Aufnahmekapazitäten sie jeweils den Bachelor- und den nachfolgenden Master-Studiengängen zuordnen. Die Befürworter der gestuften Studiengänge, wie z.B. der Wissenschaftsrat, gehen unisono davon aus, dass nur ein Teil der Bachelor-Absolventen in Master-Studiengänge aufgenommen werden soll. Für die Natur- und Ingenieurwissenschaften, in denen die Zahl der Absolventen mit Diplom seit Mitte der neunziger Jahre bereits um rund ein Drittel geschrumpft ist, würde dies auf der vergleichbaren Qualifikationsstufe „Master“ beim wissenschaftlichen Nachwuchs zu einem noch stärkeren Rückgang der Absolventenzahlen führen .
Falls die Hochschulen hingegen für ihre Bachelor- und Masterstudiengänge jeweils gleich große Aufnahmekapazitäten vorsehen, so würde dies wegen des größeren Aufwandes für das Lehrangebot bedeuten, dass weniger Studienplätze zur Verfügung gestellt werden, und für die Studenten, die dann beide Abschlüsse erwerben, ergibt sich eine Verlängerung der Studiendauer statt deren Verkürzung.
Kleine Fächer sind überhaupt nicht in der Lage, das Lehrangebot für Bachelor- und Masterstudiengänge bereitzustellen. Der Präsident der FU Berlin hat kürzlich erklärt, selbst seine große Universität könne dies bei den Lehrämtern nicht für alle Fächer sicherstellen. Bei einem Besuch im Nordfriesischen Institut wurde mir kürzlich ähnliches im Hinblick auf die Erhaltung des Studienfaches Friesisch an der Uni Flensburg gesagt.
An den Fachhochschulen ist man in Deutschland in den letzten Jahren bei der Einführung der neuen Studienstruktur in weiten Bereichen dazu übergangen, Praxissemester bzw. umfangreichere Praxisanteile des Studiums abzuschaffen - weil anders die Vorgabe, in maximal fünf Studienjahren Bachelor plus Master unterzubringen, nicht realisiert werden kann. Der damit verbundene Verlust an Praxisbezügen zerstört eines der wesentlichen Qualitätsmerkmale der deutschen Fachhochschul- Studiengänge.

Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 2 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 3 Fraglich ist auch die angebliche „Internationalität“ der neuen Abschlüsse: Bei genauer Betrachtung vollziehen sich in Europa unter dem Schirm der Bologna-Vereinbarungen und unter der Tarnkappe gleichartiger akademischer Titel sehr heterogene Entwicklungen.
In England konnte sich der Bildungsausschuss des Landtages kürzlich selbst davon überzeugen, dass britische Hochschulen zum Teil, etwa in den Ingenieurwissenschaften, auch grundständige Master-Studiengänge aufrechterhalten, also vom Dogma einer unbedingten Zweistufigkeit abweichen.
In den USA wird in den Ingenieurwissenschaften aktuell über eine Studienreform unter Anlehnung an deutsche Diplomingenieur- Studiengänge diskutiert - die hierzulande jetzt à la Spaghetti Bolognese wegreformiert werden sollen. Das ist wirklich eine bizarre Konstellation!
Das Akkreditierungsverfahren für die neuen Studiengänge ist wenig effektiv und dabei sehr kostspielig. Alle Fehlentwicklungen, wie etwa die Aufgabe der Praxiselemente vieler FH-Studiengänge, sind mit dem Segen der Akkreditierungsagenturen zustande gekommen. Allein die Umstellung aller 285 schleswig-holsteinischen Studiengänge würde in einem Komplett- Durchgang rund 3,5 Millionen € kosten (pro Studiengang ca. 12.500 €), und nach 5 bis 7 Jahren kosten die Re-Akkreditierung wieder neues Geld. Das Jahresbudget der FH Westküste liegt bei rund 4,5 Millionen € - es geht also für unsere schleswig-holsteinischen Verhältnisse um viel Geld.
Meine Damen und Herren, die generelle und undifferenzierte Einführung einer Bachelor/Master- Struktur nimmt vielen Studenten Berufs- und Lebenschancen. Eine verantwortungsbewusste Hochschulpolitik kann dies nicht zulassen.“



Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 3 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/