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11.03.04
15:21 Uhr
SPD

Dr.Ulf von Hielmcrone zu TOP 13: Ein wichtiges Tätigkeitsfeld der Ganztagsangebote

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 11.03.2004 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell TOP 13 – Förderung der Lesekultur



Dr. Ulf von Hielmcrone:

Ein wichtiges Tätigkeitsfeld der Ganztagsangebote

Die Lesekultur setzt die Beherrschung der Kulturtechnik Lesen voraus, und Lesefähig- keit ist mehr als die Fähigkeit, ein „B“ von einem „P“ zu unterscheiden. Der SSW hat in seinem Antrag und in der Begründung völlig zu Recht auf die bestürzenden Ergebnisse der PISA-Studie hingewiesen. Die dort ermittelte Lesekompetenz setzt sich zusammen aus der Fähigkeit, einem Text Informationen zu entnehmen, diese textbezogen zu inter- pretieren und über sie zu reflektieren und sie zu bewerten.

Mich beunruhigt dabei nicht in erster Linie der 22. Platz, den Deutschland bei der erwei- terten PISA-Auswertung mit 484 Punkten einnahm, sondern dass 10 % der 15jährigen deutschen Schüler nicht einmal die Kompetenzstufe 1 erreichen, anders gesagt: funkti- onale Analphabeten sind. 42 % der Schüler geben an, sie würden nie zum Vergnügen lesen. Nur 13 % lesen nach eigenen Angaben täglich mindestens eine Stunde zu ihrem Vergnügen. Und es kann schon kaum noch überraschen, dass die PISA-Studie den di- rekten Zusammenhang zwischen der sozialen Stellung des Elternhauses und der Lese- kompetenz feststellt.

Es wäre völlig falsch, pauschal festzustellen, dass junge Menschen heute nicht lesen. In meiner Jugend war es Karl May, den wir lasen, auch wenn viele damals Erwachsene das für Zeitverschwendung und Schundliteratur hielten – wie sich doch die Bewer- tungsmaßstäbe ändern! Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



Und heute? Alle drei Jahre wieder, wenn Frau Rowling wieder einen neuen Harry Pot- ter-Band fertig hat, der jedes Mal noch umfangreicher ist als der vorangehende, kom- men die Druckerpressen kaum nach, und den Buchhändlern werden um Mitternacht fettleibige Bände von mehr als 1.000 Seiten, und das ohne Illustrationen, aus den Hän- den gerissen. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede, meine Frau ist Buchhändlerin. Das zeigt: Es ist nicht so, dass der Fisch nicht beißen wollte; aber man muss ihm auch einen Köder anbieten, der dem Fisch schmecken soll, nicht unbedingt dem Angler.

Die Ministerin hat in aller Kürze eine sehr beeindruckende Liste von Maßnahmen vorge- tragen, die im Land zur Förderung der Lesemotivation der Kinder und Jugendlichen er- griffen werden. Auch hier kann ich aus dem Erfahrungsfundus meiner Frau schöpfen: Während noch vor etlichen Jahren der Vorlesewettbewerb im nördlichen Landesteil et- was zäh lief, beteiligen sich jetzt fast alle Schulen, und die Schüler nehmen auch lange Anreisewege in Kauf. Ihnen und ihren Lehrern sollten wir unsere Anerkennung ausspre- chen.

Am besten ist es natürlich, wenn Schule und Elternhaus bei der Lesemotivation an ei- nem Strang ziehen. Gemeinsam können sie der Abwehrhaltung vorbeugen, dass der Umgang mit Büchern und mit Texten nur eine lästige Pflicht sei, die man in der Schule absolviert und dann möglichst schnell abschüttelt. Aber wir müssen uns sicher noch viel mehr um die Kinder und Jugendlichen kümmern, die von zu Hause aus keine entspre- chenden Anreize erhalten können. Ich will das Thema nicht überstrapazieren, aber ich sehe auch hier ein wichtiges Tätigkeitsfeld der Ganztagsangebote, denjenigen Schüle- rinnen und Schülern, denen der Einstieg in die Literatur schwerer fällt als anderen, die- sen Zugang zu erleichtern.

In Schleswig-Holstein ist der Unterschied zwischen Mädchen und Jungen bei der Lese- kompetenz mit knapp 17 Punkten relativ gering; in Deutschland sind es knapp 25, im OECD-Durchschnitt sogar 35 Punkte. Und die Ministerin hat die Zahlen zur unterschied- -3-



lichen Lesemotivation mit 75 % zu 50 % ja bereits genannt. Auch darüber müssen wir reden, warum die Selbstmotivation von Jungen so unzureichend ist.

Ich denke, wir sollten den Bericht, den wir jetzt erhalten haben, im Bildungsausschuss miteinander vertieft diskutieren.