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11.03.04
12:47 Uhr
SPD

Wilhelm Malerius zu TOP 10 + 12: Ältere Anlagen vom Netz nehmen

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 11.03.2004 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell TOP 10 und 12 – Sicherheit von Kernkraftwerken

Wilhelm Malerius:

Ältere Anlagen vom Netz nehmen

Das grundrechtlich zu gewährleistende Recht auf Leben und körperliche Unversehrt- heit verpflichtet die staatlichen Organe, die Bevölkerung vor den Gefahren der Atom- energie zu schützen. Im Unterschied zu anderen Gefahrenquellen, z. B. Straßenver- kehr, hat der einzelne bei der Atomenergienutzung keine Möglichkeit, sich der Gefah- renquelle zu entziehen. Deshalb sind solche Gefahren aus verfassungsrechtlichen Gründen zwingend zu unterbinden. Der verfassungsrechtlich bestimmte Schutzzweck des Atomgesetzes gebietet also Sicherheitsmaßstäbe, die angesichts des Gefahren- potenzials konsequent und anlagenbezogen anzuwenden sind.

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 haben weltweit zu einer neuen Sensibi- lität in Sicherheitsfragen geführt. Dies betrifft auch die Sicherheit von Atomanlagen bei bisher eigentlich nicht für möglich gehaltenen Angriffen mit Passagierflugzeugen. Auch wenn damals und aus heutiger Sicht der Landesregierung keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass von einer konkreten, unmittelbar bevorstehenden terroristischen Be- drohung der im Lande betriebenen Kernkraftwerke ausgegangen werden muss, ist es unser aller Aufgabe, das abstrakte Risiko, das als solches am 11.09.2001 erkannt worden ist, in den Blick zu nehmen.

Um das tatsächliche Ausmaß einer eventuellen Gefährdung durch das neue Szenario präzise und vollständiger bewerten zu können, verlangte die Landesregierung bereits Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



am 12. September 2001 von den Betreibern der schleswig-holsteinischen Kernkraft- werke eine Berichterstattung zum Schutz ihrer Anlagen gegen einen vorsätzlichen Flugzeugabsturz. Die ersten Analysen der Betreiber zeigten, dass die mit unterschied- lichen sicherheitstechnischen Auslegungsmerkmalen genehmigten schleswig- holsteinischen Kernkraftwerke einen unterschiedlichen Schutzstandard aufweisen. Bei den Kernkraftwerken Krümmel und Brokdorf ist zu erwarten, dass die Wahrscheinlich- keit für eine Freisetzung von Radioaktivität auf Grund eines Flugzeugabsturzes sehr niedrig sei. Das Kernkraftwerk Brunsbüttel weist auf Grund des früheren Errichtungs- zeitpunktes nicht einen solchen Schutzstand auf.

Die schleswig-holsteinische Reaktorsicherheitsbehörde hat in Abstimmung mit dem Bund unverzüglich im September 2001 zusätzliche Sicherungsmaßnahmen zur Ver- besserung des Schutzes gegen terroristische Angriffe bei den ihrer Aufsicht unterste- henden kerntechnischen Anlagen veranlasst. Zahlreiche Maßnahmen zur Verbesse- rung der Luftverkehrssicherheit sind seither erfolgt. Die Frage, welches terroristische Bedrohungsszenario und welche Belastungen zukünftig zu unterstellen sind, muss bundeseinheitlich entschieden werden. Es ist erforderlich, dass durch den Bund bun- deseinheitliche Festlegungen hinsichtlich der erforderlichen Schutzstandards und dar- über hinaus gehende Konkretisierungen erfolgen. Dies ist eine originäre Aufgabe des Bundes. Es ist Aufgabe des Bundes, die den Ländern im Jahre 2003 übergebene so genannte GRS-Studie zu ergänzen und zu überarbeiten, da sie in der vorliegenden Form von den Landesbehörden nicht umgesetzt werden kann. Es ist Aufgabe des Bundesgesetzgebers, sich dieser Problematik anzunehmen.

Es geht hier heute nicht darum, irgendwelche Ängste in der Bevölkerung zu schüren. Es geht nicht um Panikmache, sondern um eine Neubewertung der Frage der Sicher- heit von großtechnischen Anlagen allgemein und Atomkraftwerken im speziellen. Es geht um das unterschiedliche Schutzniveau der schleswig-holsteinischen, der deut- schen Kernkraftwerke. Die SPD-Landtagsfraktion unterstützt den Vorschlag des Präsi- denten des Bundesamtes für Strahlenschutz, ältere Anlagen, wie auch das Kernkraft- werk Brunsbüttel, vom Netz zu nehmen und deren Strommengen auf Anlagen mit ei- -3-



nem höheren Sicherheitsstatus zu übertragen. Hierfür bieten der Atomkonsens sowie die Atomgesetznovelle einen gangbaren Weg. Entsprechende Gespräche muss die Bundesregierung mit den Stromkonzernen führen.

Verantwortliches Handeln ist von allen Beteiligten in dieser vorhandenen Situation ge- fordert. Von den Betreibern der Kernkraftwerke und vom Staat. Es geht um die Ver- besserung der Luftverkehrssicherheit, und es geht um anlagentechnische Maßnah- men.

Die Atomenergie ist nicht nur eine riskante Technologie einschließlich der ungelösten Entsorgung des Nuklearmülls, sie ist auch eine Auslauftechnologie, die gegen den Wi- derstand der Bevölkerung nicht durchgesetzt werden kann. Das Ende der Atomenergie ist eine Richtungsentscheidung, die notwendig ist, um die Dynamik für die Neurege- lung der Energieversorgung in Gang zu setzen.

Wir werden den vorliegenden Antrag der FDP-Fraktion ablehnen und ich bitte um Zu- stimmung für den Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie den Abgeordneten des SSW.