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10.03.04
17:14 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zu gesetzlichen Mindestlöhnen

Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 11 – Keine gesetzlichen Mindestlöhne Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Dazu sagt der Fraktionsvorsitzende Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 von Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Karl-Martin Hentschel: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene-landtag-sh.de

Nr. 105.04 / 10.03.2004

Die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Firmen wird durch einen Mindestlohn nicht tangiert.
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
Wieder ein Antrag der Partei der Besserverdienenden mit dem Ziel, den freien Fall von Stundenlöhnen zu beschleunigen. Ich weiß nicht, wem Sie damit imponieren wollen, ich weiß nur, dass Profilierung auf Kosten der Ärmsten unserer Gesellschaft, ein ganz übles Spiel ist.
Nun zu den Argumenten der FDP. Der Arbeitmarkt in Deutschland ist sehr flexibel und die Zahl der Arbeitnehmer, die keine Tariflöhne kennen oder unter den geltenden Tarif- löhnen arbeiten, wächst ständig an. Wenn das nicht so wäre, warum hätten wir uns dann mit dem Tariftreue-Gesetz im Landtag befassen müssen? Doch nur, weil es ein gnaden- loses Lohndumping gibt, im Baugewerbe, in der Entsorgungswirtschaft, im ÖPNV, im Ho- tel- und Gaststättengewerbe und so weiter. Es muss doch für einen normalen Arbeit- nehmer möglich sein, mit seinem Nettolohn ohne Überstunden, eine Familie zu ernähren. Wenn das nicht mehr möglich ist, was haben wir dann für einen Arbeitsmarkt. Ein Min- destlohn kann keine Zugangssperre sein für gering qualifizierte Menschen in den ersten Arbeitsmarkt. Denn die Löhne müssen auf jeden Fall höher sein als die Sozialhilfe oder das zukünftige Arbeitslosengeld II.
Die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Firmen wird durch einen Mindestlohn nicht tangiert. Wo deutsche Firmen auf dem Weltmarkt bestehen, dann machen sie das mit hochwerti- gen Produkten, die von qualifizieren Ingenieuren entwickelt und von gut ausgebildeten Facharbeitern gefertigt werden. Da geht es nicht um billige Massenware, mit den Lohn- höhen der Ukraine kann sowieso nie mitgehalten werden.
1/2 Meine Damen und Herren der FDP, haben sie noch nie davon gehört, dass nach Osteu- ropa verlagerte Produktion wieder zurück nach Deutschland geholt wurde, weil einfach die Qualität nicht stimmte. Qualität und Motivation gibt es nicht mit Hungerlöhnen.
Wir haben keine gesetzlichen Mindestlöhne, aber es gibt Mindestlöhne in bestimmten Branchen, die von den Tarifpartnern ausgehandelt werden. Mindestlöhne haben wir im Baugewerbe, unterschiedlich nach Ost und West unterteilt. Zur Zeit sind das in der Lohn- gruppe 1 in den neuen Bundesländern 8,95 EUR/h und bei uns 10,36 EUR/h, bei Lohngruppe 2 für die qualifizierten Arbeitnehmer sind es 9,65 EUR/h und 12,47 EUR/h im Westen. Mindestlöhne gibt es weiter im Maler- und Lackiererhandwerk, im Elektro- handwerk (noch allgemeinverbindlich) und bei Dachdeckern sowie Abbruch- und Ab- wrackgewerbe (nicht mehr, beziehungsweise noch nicht allgemeinverbindlich.)
Nun hat der Geschäftsführer des Baugewerbeverbandes, Georg Scharek, die Senkung des Mindestlohnes gefordert. Er will dadurch einen einheitlichen Standard für alle am Bau Beschäftigten erreichen. Schareck ist einer der Wortführer von vier norddeutschen Bauverbänden. die gegen den Zentralverband des Deutschen Baugewerbes opponieren. Die erreichten Lohnsteigerungen durch Tarifverhandlungen werden als zu hoch einge- schätzt und die Konkurrenz der Branche aus Mecklenburg-Vorpommern hat Vorteile bei den Lohnkosten bis zu 4,47 EUR/h.
Ich kann mich aber gut erinnern, dass es bei dem Tariftreuegesetz des Landes um den Lohn der Baustelle ging. Im Gesetz heißt es „mindestens die am Ort der Leistungsaus- führung einschlägigen Lohn- und Gehaltstarife“. Also bei einer Baustelle in Kiel gilt der Mindestlohn West und kann dann nicht unterboten werden. Ansonsten brauchen wir ein solches Gesetz nicht.
Ob nun ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wird oder nicht, ist noch unklar. Es gibt aber zwei wichtige Aspekte. Der Mindestlohn bietet eine Untergrenze für Löhne, die nicht mehr unterschritten werden dürfen. Die Wirkung hängt von der Höhe ab. Der Mindest- lohn in den USA ist so niedrig, dass die „working poor“ mehrere Jobs benötigen, um zu überleben. Es gibt ja den Witz, als Präsident Clinton im Fernsehen von sieben Millionen neuen Jobs sprach und der Zuschauer darauf sagt, von den neuen Jobs habe ich allein fünf.
Ein zweiter Aspekte eines Mindestlohns ist aber auch das Signal, bis dahin kann es noch runter gehen bei den Arbeitnehmern; ein konkretes Drohpotential der Arbeitgeber. Den Antrag der FDP lehnen wir ab, er trägt zur Lösung der Arbeitsmarktproblem nicht bei und ist überflüssig. Als Land werden wir uns zu verhalten haben, wenn ein Gesetzentwurf aus Berlin vorliegt, dann muss Schleswig-Holstein sehen, ob das für uns passt oder ob Ände- rungsbedarf besteht. Ein generelles Nein bringt uns nicht weiter.

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