Heiner Garg: "Aus dem Kernstück wurde ein Krümelchen"
FDP Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1Presseinformation Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Dr. Heiner Garg, MdL Nr. 069/2004 Stellvertretender Vorsitzender Dr. Ekkehard Klug, MdL Kiel, Donnerstag, 19. Februar 2004 Parlamentarischer Geschäftsführer Christel Aschmoneit-Lücke, MdL Sperrfrist: Redebeginn Joachim Behm , MdL Günther Hildebrand, MdL Es gilt das gesprochene Wort! Veronika Kolb, MdLArbeit/Personal-Service-Agenturen (PSA) www.fdp-sh.de Heiner Garg: „Aus dem Kernstück wurde ein Krümelchen“ In seinem Redebeitrag zu TOP 30 (Personal-Service-Agenturen) sagte u.a. der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Dr. Heiner Garg:„Personal-Service-Agenturen (PSA) sollten nach Peter Hartz als das „Herzstück“ der neuen Arbeitsmarktreform gelten.Die PSA sollten nach Hartz 500.000 Arbeitslose als Zeitarbeiter in Unternehmen vermitteln. Jeder dritte, vielleicht sogar jeder zweite Arbeitslos könnte dann – so hoffte Hartz – in eine reguläre Beschäftigung wechseln.Die Realität sieht vollkommen anders aus:Entgegen der großen Hoffnungen gibt es bisher nur 44.000 Leiharbeitsplätze in PSA, von denen rund 32.000 besetzt sind. In einen festen Job vermittelt wurden seit dem Start der PSA im vergangenen April 6.275 Arbeitslose.In Schleswig-Holstein sind von den 1.445 vorhandenen PSA Leiharbeitsplätzen nur 1.113 besetzt. In einen festen Job wurden in Schleswig-Holstein 129 Arbeitslose vermittelt.Die Entwicklung der Personal-Service-Agenturen (PSA) zeigt, wo keine Arbeitsplätze entstehen, gibt es für solche Instrumente auch keinen Bedarf.Die PSA können auch nicht das reparieren, was an strukturellen Rahmenbedingungen fehlt.Politik schafft zwar keine Arbeitsplätze, sie schafft es aber immer wieder deren Entstehung zu verhindern.Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 2Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist, wie an so vielen „Reformbaustellen“ der Bundesregierung, mittlerweile symptomatisch:Konzepte, wie sie Peter Hartz präsentiert hatte, werden so lange verkompliziert und weichgespült, bis sie die ursprüngliche Zielsetzung nicht mehr erreichen können. Diese lautete ursprünglich nämlich: Mehr arbeitslose Frauen und Männer in Lohn und Brot zu bringen.Stattdessen reiht sich eine Reformpleite an die nächste. Anstatt eine wirtschafts- und wachstumsorientierten Politik durchzusetzen, übt sich die Bundesregierung in reinem Politikersatz.Sei es bei der Reform der sozialen Sicherungssysteme, in der Steuerpolitik oder aber in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik.Sobald Rot-Grün ein Problem nicht mehr in den Griff bekommt, weicht man auf andere „Spielplätze“ aus, um von seinem Versagen abzulenken.Lieber versucht man dann auf „Ersatzspielfeldern“ zu regeln, wer wen wohin verschiebt. Das hat den angenehmen Effekt, dass zumindest die offiziellen Statistiken schöner aussehen. Den Menschen hilft es leider nicht.Damit wird keine Arbeitslosigkeit beseitigt und keine Arbeitsplätze geschaffen, sondern nur dafür gesorgt, dass immer mehr Arbeitslose von Maßnahme zu Maßnahme durchgereicht werden.Die Organisation und Verwaltung von Arbeitslosigkeit ist für so manchen zum lukrativen Geschäft geworden.Das Problem dabei ist: Meist handelt es sich um Beitragszahler- bzw. Steuerzahlermittel.Eine Abhilfe aus diesem Dilemma sollten die sogenannten Personal-Service- Agenturen (PSA) schaffen.Aufgabe der PSA sollte sein, Einstellungsbarrieren zu überwinden mit dem Ziel, Arbeitslose mit einer neuen Form vermittlungsorientierter Arbeitnehmerüberlassung schnell wieder in den ersten Arbeitsmarkt integrieren.Bevorzugt sollten durch die PSA so genannte schwer vermittelbare Arbeitslose – Ungelernte, Langzeitarbeitslose, Schwerbehinderte – in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden. Eine Auswertung der IAB (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) vom 15.01.2004 zeigt dagegen, dass PSA-Arbeitnehmer sogar im Durchschnitt besser qualifiziert sind als traditionelle Leiharbeitnehmer. Wenn dies tatsächlich so sein sollte, ist es um so unverständlicher, dass in Schleswig-Holstein die Vermittlung von Leiharbeitnehmern so gering ist.Allerdings hatte Peter Hartz nicht mit Rot-Grün gerechnet: Anstatt PSA und Zeitarbeitsfirmen in die Lage zu versetzen, schwer vermittelbare Arbeitskräfte zu günstigen Konditionen auszuleihen, wurde durch den Zwang zum Abschluss von Tarifverträgen bzw. der Bezahlung nach dem sog. „Equal- Pay-Prinzips“ die Vorteile der Zeitarbeit unterlaufen. Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 3Insgesamt machen diese Regelungen Zeitarbeit teurer und nehmen ihr gerade die entscheidende Stärke: die Flexibilität.Insbesondere für Geringqualifizierte stellt die Verteuerung der Zeitarbeit eine erhebliche Minderung der Wiederbeschäftigungschancen dar.Damit nicht genug: Für die Beschäftigung von zugewiesenen Arbeitslosen erhalten die Betreiber einer PSA eine monatliche Fallpauschale sowie eine Vermittlungsprämie, die dann fällig wird, wenn ein ehemaliger Arbeitsloser zu einem Entleiher oder sonstigen durch die PSA vermittelten Arbeitgeber wechselt.Die monatliche Fallpauschale, die eigentlich dazu gedacht ist, dass die PSA die verleihfreien Zeiten eines Arbeitnehmers Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen finanziert, nutzen mittlerweile viele PSA zur eigenen Subvention. Dafür stellt der Bund rund 600 Mio. Euro zur Verfügung.Dank dieser Wettbewerbsverzerrung haben Zeitarbeitsfirmen in Deutschland eine wesentlich schlechtere Position mit ihren Arbeitsangeboten. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die vorhandenen PSA zu gigantischen Beschäftigungsgesellschaften mutieren.Hier zeigt sich das Dilemma, dass Rot-Grün die eigentlichen Hausaufgaben nicht gemacht hat: Statt die strukturellen Ursachen für die hohe Arbeitslosigkeit zu lösen, wurde Dank neuer Tarifverträge oder der Androhung von „equal pay“ wird der Faktor Arbeit auch für niedrig qualifizierte Arbeitssuchende künstlich verteuert.In einem Punkt geht die Rechnung des Hartz-Konzeptes allerdings auf, aber anders als erwartet: Bei der Vermittlung von Arbeitslosen an die Personal- Service-Agenturen (PSA) geht die Zahl der registrierten Arbeitslosen bei den Arbeitsämtern tatsächlich zurück. Auch wenn die PSA keinem einzigen Arbeitslosen eine reguläre Stelle vermitteln, tauchen ihre „Angestellten“ nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auf. Auch so kann man die Arbeitslosigkeit senken, wenn auch nur auf dem Papier.“Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 4 Hintergrundsinformation:1. Arbeitsmarkt:a) Gesamtdeutschland:Wir haben derzeit in Deutschland rund 7,7 Mio. arbeitslose Frauen und Männer ohne Arbeit. Davon sind rund 1,1 Mio. Arbeitslose in der Januar-Statistik nicht registriert, weil diese sich in Eignungsfeststellungs-, Trainings- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen befinden oder 58 Jahre alt sind. Hinzu kommt noch eine „stille Reserve“ von etwa 2 Mio. Personen, die sich zwar nicht bei der Arbeitsagentur gemeldet haben, aber gerne arbeiten würden, wenn sie einen passenden Job fänden. Die offiziell registrierte Arbeitslosigkeit liegt deshalb „nur“ bei rund 4,6 Mio. Arbeitslosen.b) Schleswig-Holstein:In Schleswig-Holstein liegt die verdeckte Arbeitslosigkeit bei rund 203.400, wenn man die Berechnung des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2003/2004 (Tabelle B1, Anhang, S. 12) zugrunde legt. Berechnet man die Teilnehmer an Eignungsfeststellungs- und Trainingsmaßnahmen, die ab Januar 2004 nicht mehr als offiziell Arbeitssuchend gelten, zu den bei der Bundesagentur für Arbeit registrierten Arbeitslosen von rund 148.000 hinzu, dann läge die Arbeitslosenquote nicht bei 10,5% sondern um 0,3 Prozentpunkte höher bei 10,8%. Im Jahr 2003 gingen in Schleswig-Holstein weitere Arbeitsplätze verloren. Die jahresdurchschnittliche Zahl der Erwerbstätigen verringerte sich um 15.000 oder 1,2 % auf 1.216.000. Der Rückgang war damit größer als im Bundesgebiet (minus 1,0 %).2. Personal-Service-Agenturen (PSA)Eine Abhilfe aus diesem Dilemma sollten die sogenannten Personal-Service-Agenturen (PSA) schaffen. Die PSA sollten nach Hartz 500.000 Arbeitslose als Zeitarbeiter in Unternehmen vermitteln. Jeder dritte, vielleicht sogar jeder zweite Arbeitslos könnte dann – so hoffte Hartz – in eine reguläre Beschäftigung wechseln. Ursprünglich sollten bundesweit seit April 2003 bereits 50.000 Arbeitslose über die PSA einen Job gefunden haben. Derzeit gibt es rund 44.000 Stellen bei den PSA, von denen aber nur 32.000 besetzt sind. Von diesen sind seit Mitte 2003 rund 6.375 vom (Ent- )Leihunternehmen übernommen worden. In Schleswig-Holstein sind von den 1.445 vorgesehenen Stellen in laufenden PSA 1.113 Stellen besetzt. Das entspricht einer durchschnittlichen Besetzungsquote von 77%. Von den tatsächlich besetzten Stellen ausgehend, ergibt sich für ganz Schleswig-Holstein eine durchschnittliche Verleihquote der noch nicht vermittelten Personen von kumuliert 40,5%. Zum Vergleich: Reguläre Zeitarbeitsfirmen haben durchschnittlich Verleihquote von rund 90%. Nach Auskunft des Zentralverbandes für Zeitarbeit ist eine Auslastung von gut 68% notwendig, um überhaupt kostendeckend zu arbeiten. Davon sind z.B. die PSA in Lübeck (durchschnittliche Verleihquote 21,2%) und Heide (durchschnittliche Verleihquote 20,9%) meilenweit entfernt. Von einem Bestand von 1.113 Arbeitnehmern sind insgesamt 220 Personen aus der PSA in eine Beschäftigung ausgetreten. Allerdings wurden nur für 129 der ausgetretenen Arbeitnehmern eine Vermittlungsprämie gezahlt, so dass daraus geschlossen werden muss, dass nur diese Personen tatsächlich durch die PSA vermittelt worden sind.Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/