Monika Heinold und Angelika Birk zur Steuerreform und Ehegattensplitting
Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene-landtag-sh.de Nr. 073.04 / 19.02.2004Landtag fordert einstimmig Reform des Steuerrechts und Abkehr vom bisherigen EhegattensplittingZu den Beschluss des schleswig-holsteinischen Landtags, die Landesregierung aufzu- fordern, ein Konzept zur Steuervereinfachung und Steuergerechtigkeit vorzulegen und zum verabschiedeten Antrag „Schleswig-Holstein – Land für Kinder und ihre Familien“, erklären die finanzpolitische Sprecherin, Monika Heinold, und die sozialpolitische Spre- cherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Angelika Birk:Wir stimmen mit allen Fraktionen darin überein, dass eine grundlegende Reform des Steuerrechts mit den Ergebnissen des Vermittlungsausschusses noch nicht abgeschlos- sen ist. Die grüne Landtagsfraktion hat letzte Woche ein Steuerkonzept verabschiedet (siehe Anlage), das das Steuerrecht familienfreundlicher, transparenter, gerechter und ökologischer gestalten soll.Ausdrücklich fordern wir in unserem Konzept eine Änderung des Ehegattensplittings. Nach dem Motto: „Familie ist, wo Kinder sind“, soll das bisherige Splitting durch höhere Grundfrei- beträge für Erziehende ersetzt werden.In der heutigen Sitzung des Landtages wurde einstimmig und nach ausführlicher Bera- tung im Sozialausschuss ein familienpolitischer Antrag beschlossen, welcher sich explizit dafür ausspricht, die geltende Regelung des Ehegattensplittings umzugestalten. Wörtlich heißt es: „Der Schleswig-Holsteinische Landtag unterstützt das Ziel, die staatlichen Leis- tungen weitgehend von der Institution der Ehe auf die Kinder zu verlagern.“Damit sind wir uns in einer zentralen Forderung zur Umgestaltung des Steuersystems über die Parteigrenzen hinweg einig. Das ist beachtlich und lobenswert. Wir hoffen, dass die Landespolitiker von FDP und CDU auch in Berlin für diese Position werben. ***Anlage: Vorschläge für eine große Steuerreform Vorschläge für eine Große Steuerreform Beschluss der Grünen Landtagsfraktion Schleswig-HolsteinsUnsere Vorschläge stehen unter dem Motto: gerecht transparent und bürgerfreundlich familien- und kinderfreundlich ökologisch1. Reform der Einkommensteuer:Die Einkommensteuer muss einfacher, transparenter und gerechter werden. Wir wollen einen linear-progressiven Steuertarif mit einem Eingangssteuersatz von 15 Prozent und einem progressiven Anstieg auf 42 Prozent, wie bereits vom Bundestag beschlossen und ab 1.1.2005 gültig. Wir sprechen uns damit gegen einen Stufentarif aus, um die Besteuerung so gerecht und nachvollziehbar wie möglich zu gestalten.Sondertatbestände und Steuersubventionen, insbesondere ökologisch kontraproduktive, sollen drastisch reduziert werden. Das Ziel ist, dass alle BürgerInnen anhand einer Tabelle oder des Internets leicht errechnen können, wie viel Steuern sie zahlen müssen. Die zur Ein- kommenserzielung notwendigen Ausgaben müssen auch weiterhin abgesetzt werden kön- nen. Im Sinne der Steuergerechtigkeit ist es notwendig, für die Abzugsfähigkeit bestimmter Ausgaben, z.B. bei Firmenwagen, Höchstbeträge einzuführen.Der Steuertarif soll regelmäßig der Einkommensentwicklung angepasst werden, um zu verhindern, dass die BürgerInnen aufgrund von Tariferhöhungen einen höheren Steuersatz zahlen müssen.Mit der Einführung eines Grundfreibetrags in Höhe von mindestens 8000 Euro für jedes Familienmitglied wollen wir vor allem Familien und kleine Einkommen entlasten. Als Famili- enmitglied zählen Kinder und LebenspartnerInnnen, für deren Unterhalt der/die Steuerzahle- rIn aufkommt. Der Grundfreibetrag steht jeder Person nur einmal zu. Diese Regelung ersetzt sowohl das bisherige Ehegattensplitting als auch die Freibeträge für Alleinerziehende. Ge- fördert werden nur noch das Leben mit Kindern und übernommene Unterhaltspflichten. Falls nötig, sind wir für eine Änderung des Grundgesetzes.Diese Reform der Einkommensteuer soll dafür sorgen, dass das bisherige Steueraufkommen erhalten bleibt und zusätzlich durch die Abschaffung des Ehegattensplittings Mittel für die Betreuung von Kindern in Kindertagesstätten und Schulen erwirtschaftet werden. 2. Weitere SteuervereinfachungDurch eine Abschaffung der Kfz-Steuer (die dann auf die Mineralölsteuer umgelegt werden müsste) würde die Steuerverwaltung erheblich entlastet. Allein in Schleswig-Holstein könnten ca. 130 SteuerbeamtInnen zur Verstärkung von Betriebsprüfung und Steuerfahndung einge- setzt werden. Wir treten für eine Reform der Grundsteuer ein, welche zukünftig sowohl Bauland als auch Immobilienvermögen nach neu festgelegten Einheitswerten auf der Grundlage des tatsächli- chen Wertes besteuert. Im Gegenzug zu der Besteuerung von Bauland wollen wir die Grunderwerbsteuer abschaffen, um dem Anspruch der zunehmenden Flexibilität von Er- werbstätigen gerecht zu werden. Ziel ist eine Besteuerung, welche aus ökologisch und städ- tebaulicher Sicht verträglich ist und den Kauf von Eigentum nicht unnötig verteuert.Auch die Besteuerung landwirtschaftlicher Betriebe (Grundsteuer A) bedarf einer neuen Regelung, da der Verwaltungsaufwand für die Erhebung der Steuer unverhältnismäßig hoch ist. Wir unterstützen deshalb die Initiative mehrerer Bundesländer zur Abschaffung der Grundsteuer A. Die Landwirte müssten dann Grundsteuer B für die Wohngebäude zahlen und Agrarflächen blieben steuerfrei.Das kommunale Hebesatzrecht für die Grundsteuer soll erhalten bleiben.3. Eindämmung von Steuerbetrug: Die unterschiedliche Steuergesetzgebung in Europa schafft viele Möglichkeiten legaler und il- legaler Steuervermeidung. So ist es möglich, dass Steuerzahler mit hohen Einkommen pro forma im Ausland wohnen und Steuern hinterziehen. Solange es keine einheitliche Besteuerung in Europa gibt, schla- gen wir vor, zu prüfen, ob eine Anknüpfung der Steuerpflicht von Personen an ihre Staatsan- gehörigkeit (wie in den USA) eine Lösung für diese Problem sein kann. Ebenso müsste die Steuerpflicht von Unternehmen an den einzelnen Betrieb und nicht wie bisher z.B. an die Mutter-Holding anknüpfen. Dies umfasst auch die Abschaffung der gewer- besteuerlichen Organschaft.Außerdem fordern wir eine weitere Einschränkung des Verlustabzugs. Der Kompromiss des Vermittlungsausschusses sieht vor, dass nach einem Sockelbetrag von 1 Mio Euro nur noch 60 Prozent des Gewinns mit Verlusten aus anderen Jahren verrechnet werden können. Wir wollen eine weitere Absenkung auf 50 Prozent und eine zeitliche Begrenzung auf fünf Jahre.Besonders wichtig ist eine einheitliche Mehrwertsteuer in der EU, da allein dem deutschen Staat jährlich 18 Mrd Euro durch Umsatzsteuerbetrug verloren gehen. Solange es in Europa noch unterschiedliche Mehrwertsteuersätze gibt, muss durch Kontrolle und internationale Verträge der grenzüberschreitende Betrug verhindert werden. 4. Umweltgerechte BesteuerungDas Prinzip der ökologischen Steuerreform besteht darin, schrittweise Steuern auf Ressour- cenverbrauch und Schadstoffemissionen zu erhöhen und das Aufkommen zur Senkung von Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeträgen zu verwenden. Dazu gehört unter ande- rem die Besteuerung von Flugbenzin/Kerosin, die endlich in Angriff genommen werden muss. Am effektivsten wäre dabei eine europaweite Regelung.Auch die Umlegung der Kfz-Steuer auf die Mineralölsteuer hat einen ökologischen Len- kungseffekt: das Fahren und damit die Umweltverschmutzung wird besteuert, nicht das Hal- ten eines Kfz.5. Beteiligung der Vermögen Wir wollen wieder eine Vermögensteuer einführen, um die Vermögenden stärker als bisher an der Finanzierung des Staates zu beteiligen. Die gezahlte Vermögensteuer soll von der Einkommensteuer abgesetzt werden können, so dass sie als Mindestbesteuerung wirkt.Wir wollen eine Reform der Erbschaftssteuer mit einer Anpassung der Bewertung an die tatsächlichen Werte. Die Vererbung eines Hauses an Kinder muss durch Senkung der Steu- ersätze oder höhere Freibeträge steuerfrei bleiben. Die Weitergabe und Fortführung mittel- ständischer Betriebe soll hierdurch nicht beeinträchtigt werden.6. Teilweise Übernahme der Sozialversicherung durch SteuernDie Lohnnebenkosten müssen drastisch gesenkt werden, um die Kosten für Arbeitsplätze in Deutschland zu verringern. Dies ist möglich durch Absenkung der Sozialversicherungsbeiträ- ge, Umsteuern in Richtung einer Bürgerversicherung und Erhöhung von Verbrauchsteuern und Ökosteuer. Insbesondere die Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer) ist im europäischen Ver- gleich sehr niedrig.