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19.02.04
10:32 Uhr
CDU

Jost de Jager: Hochschulpolitisch ist das Land seit 1991 nicht vorangekommen

Nr. 96/04 19. Februar 2004


IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG PRESSESPRECHER Torsten Haase Landeshaus, 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de

Hochschulpolitik TOP 5 und 32 Jost de Jager: „Hochschulpolitisch ist das Land seit 1991 nicht vorangekommen“
Es gibt eine verdächtige Häufung von Berichten und Großen Anfragen, die die Landesregierung oder die Regierungsfraktionen von sich selbst abverlangen. Dazu gehört der vergangene Woche vorgestellt Bildungsbericht der Bildungsministerin über Bildung und Erziehung in Schleswig-Holstein, so eine Art OECD-Studie im Selbstbausatz. Jetzt folgt die Große Anfrage von Bündnis 90 / Die Grünen zum Thema Forschung und die Antwort der Landesregierung. Wir befinden uns im Vorwahljahr.
Wissenschaft, Forschung und Lehre sind unbeschritten ganz wesentliche Bestandteile der Wissensgesellschaft. Sie sind darüber hinaus strategisch wichtige Felder der Landespolitik. Strategisch deshalb, weil die Forschungs- und Hochschulpolitik von heute die Innovationsfähigkeit von morgen bestimmen wird. Strategisch auch deshalb, weil es sich um einen Bereich handelt, in dem die Landespolitik tatsächlich noch wichtige Stellschrauben selber betätigen kann. Ich werde nachher noch zu den Mischzuständigkeiten in der Forschungspolitik kommen, aber zunächst einmal gilt: Wissenschaft und Hochschule fallen unter die Kulturhoheit der Länder und die Bilanz der Landesregierung in diesen Fragen lässt sich nicht mit Berlin und der Bundespolitik erklären.
Da ist es dann schon erstaunlich, dass in dieser Großen Anfrage mehrfach deutlich wird, dass der letzte Landeshochschulplan dieser Landesregierung aus dem Jahr 1991 datiert. 1991 hat es das letzte Mal eine ganzheitliche Äußerung dieser Landesregierung zum Thema Hochschule und Wissenschaft in Schleswig-Holstein gegeben. Alles danach war nur noch Stückwerk. Hochschulpolitisch sind Sie seit 1991 nicht mehr vorangekommen.
Die von den Grünen abgefragte Liste der Neugründungen und Erweiterungen in der Forschungslandschaft des Landes liest sich dann auch eher wie die Selbstverwirklichung der 68er-Generation. Neuzugänge sind das Institut für Zeit- und Regionalgeschichte, das Institut für Friedenswissenschaften (SHIFF) an der CAU, das Zentrum für Interdisziplinäre Frauenforschung (ZIF), ebenfalls an der CAU, das Institut für Frauenforschung und Genderstudien (EFfG) an der FH Kiel. Zwei weitere Neuzugänge, nämlich der Multi-Media-Campus in Kiel und die International School for New Media in Lübeck haben beide mit großen Schwierigkeiten zu tun – geben Sie es zu!
In einem weiteren Punkt hat es keine Fortschritte gegeben, die Kooperation mit unserem Nachbarn Hamburg. Danach wurde vorsorglich in der Großen Anfrage gar nicht gefragt und es findet sich auch nichts darüber. Ich halte es für beschämend, dass es diese Landesregierung nicht hinbekommen hat, mit Hamburg eine bessere Kooperation auf dem wichtigen Feld von Wissenschaft und Forschung zu erreichen.
Dabei wäre die Gelegenheit so günstig. Hamburg stellt sich hochschulpolitisch auf der Grundlage des Dohnanyi-Gutachtens neu auf. In Schleswig-Holstein hat es das Erichsen-Gutachten gegeben. In beiden Bundesländern wird jetzt zwar mit der Umsetzung begonnen. Doch der günstige Zeitpunkt für eine Kooperation wird nicht genutzt.
Es ist meine feste Überzeugung, dass wir im Norden nur als eine gemeinsame Wissenschaftsregion Hamburg und Schleswig-Holstein / Schleswig-Holstein und Hamburg Zukunft haben werden. Aus diesem Grund haben wir Anfang der Woche einen Staatsvertrag für Forschung und Wissenschaft vorgeschlagen.
• Wir wollen, dass die Zusammenarbeit zwischen beiden Bundesländern in Fragen von Hochschule und Forschung institutionalisiert wird; • wir wollen, dass die Hochschulstrukturentwicklung in beiden Bundesländern miteinander abgeglichen werden muss; • wir wollen, dass man Parallelstrukturen identifiziert und abbaut und • wir wollen, dass beide Bundesländer mit einer Abstimmung über eine gemeinsame Ressourcenverteilung beginnen.
Es gibt viele Felder, wo eine gemeinsame Planung sinnvoll wäre. In beiden Ländern wird zum Beispiel über die Medizin nachgedacht. In beiden Bundesländern wird über die Theologie nachgedacht. In beiden Bundesländern sollen Schwerpunkte und Cluster gebildet werden. Jetzt wäre die Zeit, einen solchen Staatsvertrag zu schließen und als Norden gemeinsam aufzutreten, bei der Einwerbung von Drittmitteln, von Forschungsförderungsgeldern und Projekten.
Forschungsförderung funktioniert im Regelfall über die staatliche Finanzierung. Dabei ist a) über eine reine Landesförderung zu sprechen und b) über die Bundesforschungsförderung sowie über die Mischfinanzierung im Bereich des Hochschulbaus.
zu a): Lassen Sie mich hier im Lande beginnen: In der Großen Anfrage wird völlig korrekt die Relation zwischen der Grundausstattung einer wissenschaftlichen Einrichtung und ihrer Drittmittelfähigkeit hergestellt. In der Tat geben Drittmittelgeber Geld eigentlich nur dann, wenn sie auch erkennen können, dass das Land selber seiner Grundausstattungsverpflichtung nachkommt und die Drittmittel nicht für das verwendet werden, was eigentlich von der Grundausstattung finanziert werden müsste. In Zeiten knapper Kassen – wie im Moment – stellt sich die Frage, wie man dies hinbekommen kann.
Die Zeiten sind vorbei, wo man für alle mehr Geld fordern kann. Insofern stellt sich die Überlegung, wie man das vorhandene Geld so einsetzen kann, dass drittmittelfähige Projekte diese Drittmittel auch tatsächlich einwerben können. Die CDU-Fraktion hat dazu den Vorschlag gemacht, einen steigenden Prozentanteil der Landesmittel für die Hochschulen nach einer Leistungs- und Wettbewerbsorientierung zu vergeben. Derzeit haben wir im Innovationsfonds 5 Mio. Euro, die nach einem Wettbewerbsverfahren vergeben werden. Wir wollen, dass auf mittlerer Sicht 5 % der Landesmittel nach dem Verfahren aus dem Innovationsfonds vergeben werden. Dies wird zugegebenermaßen den Finanzdruck in den Hochschulen erhöhen. Ich sehe darin aber die einzig gangbare Möglichkeit, zu einer überdurchschnittlich hohen Finanzierung von überdurchschnittlich guten Angeboten zu kommen.
Jeder, der dieses Modell nicht will, muss hier und heute sagen, wie er es anders machen will. So weitergehen, wie bisher, kann es nicht.
Das Thema Leistungsbezogenheit in der Hochschulfinanzierung hat das Ministerium komplett verschlafen. Seit 1995 redet das Ministerium darüber, neun Jahre später hat sie es immer noch nicht umgesetzt. Auch das Verfahren des Innovationsfonds ist noch nicht geklärt. Drei Monate nach Verabschiedung des Haushaltes gibt es noch keine Vergaberichtlinien! Die Hochschulen beraten schon Anträge und die Ministerin hüllt sich in Schweigen, wie die 5 Mio. € verteilt werden sollen.
zu b): Die Bundesforschungsförderung In der Großen Anfrage wird darauf verwiesen, dass die Bund-Länder- Zuständigkeiten, u. a. in der Forschungspolitik, derzeit im Rahmen der Föderalismusdebatte überprüft werden. Eine politische Festlegung in diesem Zusammenhang erfahren wir aus der Großen Anfrage nicht. Nur den Hinweis, dass man die Ergebnisse abwarten wolle. Ich glaube, dass eine gemeinsame, von Bund und Ländern getragene Finanzierung von Forschungsgroßprojekten unverzichtbar ist. Ich glaube, dass hier eine Mischfinanzierung auch nicht auflösbar ist, weil die Existenz etwa der Leibnitz-Gesellschaft, des Fraunhofer-Instituts oder der Helmholz- Gesellschaft ohne eine Bund-Länder-Beteiligung gar nicht denkbar wäre. Eine Auflösung der Mischfinanzierung würde hier die Auflösung solcher Wissenschaftseinrichtungen bedeuten.
Auf einem anderen Blatt steht die Mischfinanzierung im Hochschulbau. Inhaltlich gesehen gibt es keine Notwendigkeit, dass die Finanzierung von Hochschulgebäuden eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern sein muss. Aus diesem Grund nimmt die CDU-Fraktion in den Föderalismusberatungen eine positive Position zur Entflechtung in diesem Bereich ein.
Rechnerisch gesehen haben wir in Schleswig-Holstein von der gemeinsamen Aufgabe Hochschulbau in den vergangenen Jahren sehr wohl profitiert. Dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass wir durch eine Rücküberführung dieser Aufgabe rein in die Hoheit der Länder mehr Freiheit in der Forschungspolitik gewinnen als uns die Gemeinschaftsaufgabe bisher an Geld gebracht hat. Voraussetzung einer Entflechtung in diesem Bereich ist allerdings, dass ein vernünftiger Verteilschlüssel der Bundesmittel erfolgt. Der Königssteiner Schlüssel kann nicht die Antwort sein.
Ohnehin ist Bildungsministerin Bulmahn, die mal eben 250 Mio. € für Eliteuniversitäten locker gemacht hat, bereits angefangen, aus der gemeinsamen Finanzierung auszusteigen. Der Bund hat einseitig seinen Anteil um jährlich 175 Mio. € gekürzt. Dieser Hinweis zeigt übrigens auch noch einmal, wie unehrlich die Politik der Bundesregierung hinsichtlich der Finanzierung von Spitzenforschung derzeit ist. Auf der einen Seite entzieht der Bund den Ländern 175 Mio. € für den Bau von Hochschulen und auf der anderen Seite will er mit 250 Mio. € den Ländern vorschreiben, welche Hochschulen künftig zur Elite gehören sollen. So geht es nicht: Wenn die Mischfinanzierung zum Goldenen Zügel wird, können wir gern drauf verzichten.
Die Grünen fragen in dieser Großen Anfrage, welchen Sachverstand die Landesregierung bei ihrer Entscheidung zur Forschungspolitik einbindet und bekommt keine Antwort. Wesentliche Grundsatzentscheidungen in der Hochschulpolitik, das ist unsere Überzeugung in der CDU-Fraktion, können aber ohne die Einbeziehung von Leuten, die selber Top-Wissenschaftler sind und die die internationale Szene kennen allein von Ministern und Ministerialen nicht mehr getroffen werden. Wir glauben auch, dass die Einbindung solchen Sachverstandes den Hochschulen gegenüber die Plausibilität von Entscheidungen der Politik erhöhen würde.
Aus diesem Grund haben wir vorgeschlagen, mehrfach mittlerweile, einen Landeshochschulrat in Schleswig-Holstein ins Leben zu rufen, der Empfehlungen geben wird zu wichtigen Entscheidungen in der Hochschulpolitik. Wir glauben, dass dies die Erweiterung der Autonomie ist, eine weitere Entstaatlichung hochschulpolitischer Entscheidungen. Wir bekennen uns zu der Verpflichtung des Staates, Wissenschaft und Forschung zu finanzieren. Wir glauben aber auch, dass der Staat sich aus der Reglementierung von Forschung und Wissenschaft weitest möglich zurückziehen soll. Mehr Freiheit von Forschung und Lehre und mehr Einbeziehung von wissenschaftlichem Sachverstand in der Mittelvergabe an Forschungsprojekte ist unser Credo. Damit werden wir eine neue Forschungspolitik für Schleswig-Holstein begründen.