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19.02.04
10:27 Uhr
SPD

Jürgen Weber zu TOP 5 + 32: Um Spitzenforschung zu sichern, sind neue Initiativen nötig

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 19.02.2004 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 5 + 32 – Große Anfrage Forschung (Grüne) + Bericht Gemeinschaftsaufgabe „Ausbau und Neubau von Hochschulen“ Anmeldungen zum 34. Rahmenplan für den Hochschulbau (2005 – 2008)

Jürgen Weber:

Um Spitzenforschung zu sichern, sind neue Initiativen nötig

Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zur Forschung ist in doppelter Hinsicht hilfreich: Zum einen bietet sie einen guten Überblick über die Leistungen der Forschungslandschaft in Schleswig-Holstein, zum Zweiten formuliert sie aber auch den Handlungsbedarf und die Wege, um noch besser zu werden, um sich für zukünftige Herausforderungen zu wappnen.

Meereswissenschaften, Medizin und molekulare Biowissenschaften können als Bei- spiel für herausragende Forschungsleistungen und eine sehr beachtenswerte Planung zukünftiger Exzellenz dienen. Wir haben in unseren Hochschulen und Forschungsein- richtungen eine ganze Reihe von Leistungen vorzuweisen, die sich national und auch international sehen lassen können. Aus Zeitgründen kann ich sie hier nicht alle aufzäh- len.

Kein Bericht ohne Statistiken und keine Statistik ohne Interpretation. Dazu ein paar Anmerkungen: Die regionale Aufteilung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung in der Bundesrepublik zeigt, dass wir in Schleswig-Holstein lediglich einen Anteil von 1,4 % haben. Das ist natürlich nicht zufrieden stellend. Nun haben wir zwar in Schles- wig-Holstein seit Jahrzehnten einen unterdurchschnittlichen Anteil an den Forschungs- kompetenzen in dieser Republik. Hinzu kommt, dass der Ausbau der Hochschulland- Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



schaft in der Fläche zwar mehr regionale Verteilung der Studienplätze und eine Ver- besserung des Angebots gebracht hat. Der Ausbau in der Fläche hat aber auch Res- sourcen gebunden, die für einen konzentrierten Einsatz in der Forschung nicht zur Verfügung standen.

Es ist deswegen außerordentlich wichtig und zu begrüßen, dass bei den Zielvereinba- rungen, die das Land im Dezember mit den Hochschulen geschlossen hat, eine struk- turelle Verbesserung der Forschungskompetenz der Hochschulen mit auf den Weg gebracht worden ist. Schaut man sich den Anteil der Grundmittel für Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt an, lesen sich die Statistiken durchaus entspann- ter: Wir stellen fest, dass sich Schleswig-Holstein auf dem Niveau von Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern bewegt. Orientiert an der wirtschaftlichen Leis- tungsfähigkeit des Landes liegen wir bei den staatlichen Mitteln für Forschung und Entwicklung im Bundesvergleich auf einem akzeptablen Niveau.

Das Problem, das wir haben, ist bundesweit eine Unterfinanzierung des Forschungs- bereichs sowohl durch staatliche als auch durch private Mittel. Es muss uns in der Bundesrepublik gelingen, mittelfristig einen Anteil der FuE-Mittel von 3 % am Bruttoin- landsprodukt zu erreichen. Nur so werden wir künftig international bestehen können. Was im Übrigen die For- schungsmittel des Bundes angeht, sollte die Opposition ihre Kritik etwas zurückhalten- der und wahrheitsnäher gestalten. In der letzten Wahlperiode unter Helmut Kohl wur- den die Ausgaben für Forschung und Entwicklung deutlich zurückgefahren. Rot-grün hat das korrigiert und die Ausgaben von 1998 bis 2002 um weit über 10 % angehoben. Trotzdem hat erst im Jahr 2001 die Bundesförderung wieder das Niveau von 1991 er- reicht und übertroffen. Ohne den Einbruch der Forschungsetats in den Jahren 1994 bis 1998 wären wir heute weiter.

Ich bin dankbar dafür, dass die Landesregierung in ihrer Antwort klargestellt hat, dass sie die “Kompetenzregelung im Bereich Forschung zwischen dem Bund und den Län- -3-



dern grundsätzlich beibehalten” will. Das gilt für den Finanzierungsschlüssel zwischen Bund und Ländern und das gilt für die Zuordnung der Institute zu den verschiedenen Forschungsringen und -gesellschaften.

Mit der fragwürdigen Aufkündigung der Bund-Länder-Bildungsplanung durch die Staatskanzleien der 16 Länder im vergangenen Jahr ist bedauerlicherweise ein wenig produktives Element in die Entflechtungsdebatte zur Neuordnung des Föderalismus gekommen. Wir erleben das bei den Gedankenspielen, den Hochschulbau auf die Länder zu verlagern.

Und wir erleben es bei der Diskussion über die Neuverteilung der Lasten bei den Großforschungseinrichtungen. Wer ernsthaft den Vorschlägen des Bundesrechnungs- hofes und anderer nahe tritt, die Blaue-Liste-Einrichtungen aus der Mitfinanzierung des Bundes zu entlasten, der muss sich im Klaren sein, welche äußerst nachteiligen Kon- sequenzen das für uns in Schleswig-Holstein hätte. Die Einrichtungen der so genann- ten Blauen Liste, also der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz, ha- ben für unser Land eine herausragende Bedeutung. Das gilt für das Forschungszent- rum Borstel als Zentrum für Medizin und Biowissenschaften, das gilt für das Leibniz- Institut für Meereswissenschaften, das aus der Fusion des Instituts für Meereskunde und von GEOMAR entstanden ist, das gilt für das Institut für Weltwirtschaft, das gilt auch für das Institut für Pädagogik der Naturwissenschaften, das nicht zuletzt an den nationalen und internationalen Erhebungen zum naturwissenschaftlichen Bildungs- stand maßgeblich beteiligt war und ist.

Ich betone das, ohne die Großforschungseinrichtungen der Helmholtz-Gesellschaft, wie das GKSS-Forschungszentrum in Geesthacht, das Fraunhofer-Institut für Silizium- Technologie in Itzehoe oder das Max-Planck-Institut für Limnologie in Plön in ihrer Be- deutung in irgendeiner Form schmälern zu wollen. -4-



Um künftig Spitzenforschung zu sichern und weiter zu entwickeln, werden neue Initia- tiven erforderlich sein. Wir sollten darüber nachdenken, es auch über die Sonderfor- schungsbereiche hinaus zu ermöglichen, in Universitäten besondere Exzellenzcluster in einzelnen Wissenschaftsbereichen zusammen mit außeruniversitären Forschungs- instituten zu bilden. In solchen Exzellenzzentren könnte man zusätzliche Lehrstühle und Stipendien für Nachwuchswissenschaftler etablieren und entsprechend fördern.

Ohne Frage müssen wir die Mittel für Forschung und Entwicklung mittelfristig orientiert am Bruttoinlandsprodukt steigern. Das gilt für staatliche und in erheblichem Maße auch für private Mittel. Es geht aber nicht nur um mehr Geld für Forschung, sondern auch mehr Qualität für die eingesetzten Mittel. Zielrichtungen dafür sind: mehr Wettbewerb zwischen den Forschungseinrichtungen, Weiterentwicklung der Kooperation in der dualen Struktur von universitären und außeruniversitärer Forschung, verbesserte Vernetzung für strategisch organisiertes Arbeiten an großen The- men mit Einbindung der Wirtschaft, die Vergrößerung der Zahl der Nachwuchswissenschaftler an den Forschungs- einrichtungen, neue Förderwege für unkonventionelle Forschungsansätze, der Abbau bürokratischer Hemmnisse.

Keinen dieser Prozesse können wir in Schleswig-Holstein oder von Schleswig-Holstein aus alleine gestalten oder alleine maßgeblich beeinflussen. Wir sind aber auf diesen Weg der Qualitätsverbesserung angewiesen. Gerade deshalb sollten wir uns mit unse- rer Forschungspolitik hier im Land konstruktiv an einem solchen Prozess beteiligen.

Ein kleiner Hinweis zum Schluss: Es gibt auch Momente, wo mir so ein Ministerium, das eine Große Anfrage beantworten muss, richtig Leid tut. So zum Beispiel, wenn mit der Frage Nummer 50 in der Großen Anfrage von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN nach allen (!) Publikationen von schleswig-holsteinischen Forscherinnen und Forschern ge- -5-



fragt wird, dabei gleichzeitig die Frauenquote ermittelt werden und zudem der Anteil der Veröffentlichungen am eigenen Institut dargelegt werden soll. Zu Glück hat die Landesregierung auf die Vorlage einer kompletten Bibliographie verzichtet. Trotzdem hat sie sich bemüht, ein paar verfügbare Übersichten zu präsentieren. Nun wissen wir also, dass an der Meeresstation Helgoland und an der Wattenmeer-Station Sylt des Alfred-Wegener-Instituts 58 % der veröffentlichten Beiträge von Frauen stammen, während die 13 Publikationen der Musikhochschule Lübeck des Berichtszeitraums nur männliche Autoren haben. Nur – was will uns das sagen?

Vertiefend sollten wir darüber und über viele Aspekte, die ich hier nicht habe anspre- chen können z. B. die Fragen des Wissenstransfer und der Drittmittelausstattung im Ausschuss weiter beraten.