Heiner Garg: Selbstverwaltung statt Selbstbedienung
FDP Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1Presseinformation Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Dr. Heiner Garg, MdL Nr. 061/2004 Stellvertretender Vorsitzender Dr. Ekkehard Klug, MdL Kiel, Mittwoch, 18. Februar 2004 Parlamentarischer Geschäftsführer Christel Aschmoneit-Lücke, MdL Sperrfrist: Redebeginn Joachim Behm , MdL Günther Hildebrand, MdL Es gilt das gesprochene Wort! Veronika Kolb, MdLSelbstverwaltung/Rechtsaufsicht www.fdp-sh.de Heiner Garg: Selbstverwaltung statt Selbstbedienung In seinem Redebeitrag zu TOP 8 (Selbstverwaltung stärken – Rechts- sicherheit schaffen) sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP- Landtagsfraktion, Dr. Heiner Garg u.a.:„Die Träger von Selbstverwaltungen übernehmen den Vollzug bestimmter übertragener Staatsaufgaben. Diese Staatsaufgaben gelten für einen gesetzlich definierten Kreis von Mitgliedern. Diese Mitglieder sind gezwungen, Beiträge, Gebühren o.ä. an die Selbstverwaltungen entrichten. Entscheidungsträger dieser Selbstverwaltungen sind Vorstand und Verwaltungsrat. Deren Mitglieder haben Organstatus.Da der Staat die Menschen in bestimmten Fällen zur Mitgliedschaft verpflichtet und mit der Mitgliedschaft der Zwang zur Entrichtung von Beiträgen, Gebühren u.ä. verbunden ist, haben sie einen Anspruch darauf, vor willkürlichem Handeln dieser Organe geschützt zu werden.Deshalb verfolgt unser Antrag die Ziele:• Organhandeln muss transparent und nachvollziehbar werden.• Zusätzliche rechtliche Konkretisierung der Rahmenbedingungen in der sich Selbstverwaltungen bewegen dürfen. Dies machen wir sehr einfach und unbürokratisch, indem wir zusätzliche Anforderungen an die Satzung stellen. Wir machen dies, um willkürliches Handeln der Organe weitestgehend auszuschließen.• Verbesserte Transparenz und Nachvollziehbarkeit auch für die Rechtsaufsicht. Die Rechtsaufsicht erhält klare Anhaltspunkte, wann der durch die Selbstverwaltung selbst gesteckte Spielraum überschritten worden ist. Ein Verstoß gegen die Satzung kann von der Rechtsaufsicht zweifelsfrei festgestellt und entsprechend der vorhandenen Aufsichtsmittel behandelt werden.Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 2Wir wählen diesen Weg, Mindestanforderungen an Satzungen zu konkretisieren, weil so das Prinzip der Selbstverwaltung nicht ausgehöhlt, sondern gestärkt wird.So kann sicher gestellt werden, dass die Vergabe von finanziellen Zuwendungen, Vorschüsse, Nebenleistungen und Darlehen an Organmitglieder – also an Vorstands- und Verwaltungsratsmitglieder – innerhalb der Selbstverwaltung eindeutig in Art, Umfang und Höhe geregelt wird. Gleichzeitig wird der Rahmen definiert, in dem sich die Organe bewegen dürfen.Die Rechtsaufsicht erhält klare Anhaltspunkte und eine Handlungsanweisung, wann und wie sie einzuschreiten hat.Darüber hinaus soll eine solche Regelung dazu beitragen, dass das Vertrauen der Mitglieder in die Selbstverwaltung gestärkt wird. Denn in den allermeisten Selbstverwaltungen, seien es Krankenkassen oder Kammern, ist die Mitgliedschaft nicht freiwillig.Wer Kraft Gesetzes zu einer Zwangsmitgliedschaft in einer Selbstverwaltung verpflichtet ist, muss die Gewissheit haben, dass seine Beiträge entsprechend den gesetzlichen Anforderungen verwendet werden.Ansonsten besteht die Gefahr, dass künftig Selbstverwaltung mit „Selbstbedienung“ gleichgesetzt wird.“Zum Hintergrund des Antrages:Am 16.01.2004 wurde bekannt, dass der Vorstandsvorsitzende der AOK vier Kredite in der Gesamthöhe von € 231.500 in der Form von Mitarbeiterdarlehen erhalten haben soll.Gleichzeitig wurde berichtet, dass Beraterverträge in Millionenhöhe durch Organe der AOK ohne Ausschreibung vergeben worden sind.Bereits die erste Kreditvergabe vom 31. Juli 1999 wurde durch die zuständige Rechtsaufsicht im Rahmen einer Routineprüfung im Jahr 2000 gerügt, allerdings ohne weitere rechtliche Folgen.Begründet wurde dies durch das Sozialministerium, dass ein unmittelbares Einschreiten im Rahmen der Rechtsaufsicht nicht möglich gewesen sei, da die AOK als selbständige Körperschaft in solchen Fällen einen weiten Spielraum habe.Das hatte zur Folge, dass am 24. Juli 2002, am 17. September 2002 und am 13. Februar 2003 weitere Darlehen an den Vorstandsvorsitzenden durch die Verwaltungsratsvorsitzenden abgezeichnet worden sind.Die Selbstverwaltungsträger unterliegen als selbständige Körperschaften des öffentlichen Rechts und als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung damit der (Rechts-) Aufsicht des Staates.Dabei erstreckt sich diese Rechtsaufsicht auf die Rechtmäßigkeit des Handelns. Insbesondere überprüft die Rechtsaufsicht die Einhaltung von Gesetzen und sonstigem Recht, das für die Träger und Verbände maßgebend ist.Bei Verstößen kann die Rechtsaufsicht mit Aufsichtsmitteln im Wege der Verwaltungsvollstreckung tätig werden. Dadurch sollen die Mitglieder der Selbstverwaltung geschützt werden.Was aber kann die Rechtsaufsicht unternehmen, wenn Organe dieser Selbstverwaltung gemeinsam Beschlüsse fassen, die auf dem ersten Blick zwar von dem Recht auf Selbstverwaltung gedeckt sind, aber den Interessen der (Zwangs-) Mitglieder widersprechen bzw. die Beschlüsse zum Schaden der Mitglieder geschlossen worden sind? Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 3Ist es ausreichend, wenn die Vergabe von Darlehen aus den Mitteln der Beitragszahler an Vorstände durch die Vorsitzenden des Verwaltungsrates zwar formal genehmigt werden können, eine solche Vergabe aber gegen Interessen der Körperschaft und der Mitglieder verstößt?Darf es dann nur bei einer Rüge durch die Rechtsaufsicht bleiben?Letztendlich würde eine fehlende Sanktionsmöglichkeit der Rechtsaufsicht bei der Vergabe von Krediten an Organe bedeuten, dass Selbstverwaltung auf eine „Selbstbedienung“ hinausläuft.Die Selbstverwaltung kann in dem durch das Gesetz gesteckten Rahmen frei und selbständig agieren und im Rahmen der Satzungshoheit ihre Verwaltung, das Personal und die Finanzplanung durch Satzung organisieren.Eingeräumt werden muss der Rechtsaufsicht aber die Möglichkeit einer Überprüfung, ob und inwieweit gegen die berechtigten Interessen der Mitglieder verstoßen worden ist.a) Im Fall der AOK Schleswig-Holstein haben sowohl der Vorstandsvorsitzende als auch die Verwaltungsratsvorsitzenden als Organe der Körperschaft AOK gehandelt. Dabei vertritt der Verwaltungsrat die AOK Schleswig-Holstein gegenüber dem Vorstand und dessen Mitgliedern. Obwohl nach § 197 SGB V der gesamte Verwaltungsrat den Vorstand zu überwachen und die Entlastung des Vorstandes zu beschließen hat, haben die Vorsitzenden des Verwaltungsrat im Fall der Darlehensvergabe in Vertretung des gesamten Verwaltungsrates gehandelt und handeln dürfen (vgl. § 26 Abs. 3 der Satzung und § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB IV).b) Die übrigen Mitglieder des Verwaltungsrates wurden durch die getroffene Entscheidung der Verwaltungsratsvorsitzenden nicht einmal im nachhinein über ihre Entscheidung informiert. Die Vertretungsmacht der Verwaltungsratsvorsitzenden impliziert nach unserer Rechtsauffassung aber eine Berichtspflicht an den gesamten Verwaltungsrat. Ansonsten würden die übrigen Mitglieder des Verwaltungsrates schlicht zu Statisten degradiert. Denn nur dann, wenn der gesamte Verwaltungsrat über die Vergabe von solchen Darlehen Informationen erhält, kann dieser den gesetzlichen Vorgaben nach § 197 SGB V überhaupt nachkommen.c) Darüber hinaus steht die Vergabe von Darlehen in einer Gesamthöhe € 231.500 im Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen, die das Aufgabenspektrum der Krankenkassen regeln: siehe § 30 SGB IV (Eigene und übertragene Aufgaben), § 4 Abs. 4 SGB V (Krankenkassen, hier: Durchführung ihrer Aufgaben) in Verbindung mit § 260 SGB V (Verwendung von Betriebsmitteln).Zumindest hätte dem gesamten Verwaltungsrat ein Prüfungsrecht darüber zustehen müssen, ob hier ein solcher Verstoß vorliegt. Nur dann kann der Verwaltungsrat tatsächlich darüber entscheiden, ob er den Vorstand entlasten kann, oder nicht.d) Das Sozialministerium als Rechtsaufsicht sieht trotz dieser Vorfälle hierzu keine Handhabe. Nach Aufsicht der Rechtsaufsicht ist die Grenze, um entsprechende aufsichtsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, noch nicht erreicht. Man tröstet sich damit, dass nach § 35 a Abs. 6, Satz 2 SGB VI erstmalig zum 01.03.2004 die Höhe der jährlichen Vergütung der einzelnen Vorstandsmitglieder einschließlich der Nebenleistungen sowie die wesentlichen Versorgungsregelungen veröffentlicht werden müssen. Der Verwaltungsrat darf also künftig solche Informationen dem Bundesanzeiger oder seiner eigenen Mitgliederzeitschrift entnehmen. Dabei ist noch ungeklärt, ob sog. „Arbeitnehmerdarlehen“ an die Vorstandsmitglieder überhaupt unter diese Berichtspflicht fallen werden.“Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/