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18.02.04
16:55 Uhr
FDP

Wolfgang Kubicki: Der EU-Haftbefehl in der vorliegenden Form darf nicht umgesetzt werden

FDP Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1



Presseinformation Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Dr. Heiner Garg, MdL Nr. 060/2003 Stellvertretender Vorsitzender Dr. Ekkehard Klug, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer Kiel, Mittwoch, 18. Februar 2004 Christel Aschmoneit-Lücke, MdL Sperrfrist: Redebeginn Joachim Behm , MdL Günther Hildebrand, MdL Es gilt das gesprochene Wort! Veronika Kolb, MdL

Wolfgang Kubicki: Der EU-Haftbefehl in der



www.fdp-sh.de vorliegenden Form darf nicht umgesetzt werden In seinem Redebeitrag zu TOP 7 (Europäischer Haftbefehl) erklärte der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki:
„Seit der Änderung von Artikel 16 des Grundgesetzes im Jahre 2000 ist es möglich, deutsche Staatsbürger unter anderem auch an EU-Mitgliedsstaaten zu überstellen. Damit wurde der bis dahin unverrückbar geltende Grundsatz relativiert, dass kein deutscher Staatsbürger an das Ausland ausgeliefert werden darf.
Die FDP-Fraktion teilt die Auffassung, dass in einem zusammenwachsenden Europa nationale Grenzen auch bei der Strafverfolgung bzw. der Überstellung von Staatsbürgern der EU ihre Bedeutung verlieren müssen bzw. keine Rolle mehr spielen.
Was jedoch der europäische Rat in seinem Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten vom 13. Juni 2002 niedergelegte hat, kann jedenfalls gegenwärtig von einer Rechtsstaatspartei nicht befürwortet werden.
Zur Zeit befindet sich der EU-Haftbefehl in Umsetzung in nationales Recht, in das sogenannte Europäische Haftbefehlsgesetz, welches eine Änderung des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen zum Ziel hat.
Nach meiner Auffassung und der Auffassung meiner Fraktion darf der Rahmenbeschluss nicht in nationales Recht umgesetzt werden. Er ist rechtlich im Höchstmaß problematisch.
So kann nach Artikel 2 Absatz 1 des Rahmenbeschlusses ein europäischer Haftbefehl bereits bei Handlungen erlassen werden, die nach den Rechtsvorschriften des Ausstellungsstaates mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 12 Monaten bedroht sind.
Grundsätzlich findet dann eine Überprüfung statt, ob die im Ausstellungsstaat begangene Tat auch im Auslieferungsstaat strafbar ist. Ist dies nicht der Fall, Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 2 dann wird nicht ausgeliefert – so der Grundsatz der beiderseitigen Strafbarkeit.
Allerdings benennt Artikel 2 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses im Rahmen eines Positivkataloges insgesamt 32 Straftaten, bei denen Staatsbürger nach Vorlage eines europäischen Haftbefehls ohne Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit überstellt, das heißt ausgeliefert werden sollen.
In diesem Katalog sind Straftaten aufgeführt, die völlig unscharf bezeichnet sind – wie zum Beispiel die Umweltkriminalität. Darüber hinaus gibt es Straftaten, die im Deutschen Recht völlig unbekannt sind, wie zum Beispiel Cyberkriminalität.
Für uns ist es kaum vorstellbar, dass ein deutscher Staatsbürger in ein EU- Land ausgeliefert werden kann oder muss aufgrund eines Haftbefehls wegen einer in der Bundesrepublik Deutschland nicht strafbaren Handlung, um sich dann in einer Untersuchungshaftsituation wiederzufinden, die den hiesigen Maßstäben nicht entspricht.
Über die Jahrhunderte haben sich in Europa unterschiedliche Rechtskulturen entwickelt. Es bedarf daher zunächst gleicher Maßstäbe, bevor eine Überstellung deutscher Staatsbürger auch an das EU-Ausland erfolgen darf.
Ich nenne Ihnen ein konkretes Beispiel. Dem deutschen Christian G. wurde vorgeworfen, an den Anschlägen auf der Ferieninsel Djerba beteiligt gewesen zu sein. Die französische Justiz erließ Haftbefehl, weil er nicht plausibel erklären konnte, warum der Djerba-Attentäter ihn angerufen hatte. In Deutschland hingegen wurde auf Grund der Unschuldsvermutung von einem Haftbefehl abgesehen.
Legte man nun den EU-Haftbefehl zu Grunde, hätte in diesem Fall der Verdächtige an Frankreich überstellt werden müssen, obwohl ein deutsches Gericht gerade keinen Haftbefehl erlassen durfte. Was also auf den ersten Blick als Fortschritt im Kampf gegen Kriminalität erscheint, kann sich sehr schnell als Verletzung der Bürgerrechte entpuppen.
Auch mit einer – in der Form des Wahlrechts für den Betroffenen – gewährleisteten Strafvollstreckung im Heimatland ist nichts gewonnen, da sowohl die Untersuchungs-, als auch die Strafhaft unterschiedlich geregelt sind. Angesichts erheblicher Unterschiede des Strafprozesses in den Mitgliedsländern, aber auch der partiell unvergleichbaren Strafzumessung mit unterschiedlichsten Konsequenzen im Bereich der Strafvollstreckung und des Strafvollzuges einschließlich der Möglichkeiten der Amnestie muss erst ein einheitlicher Rechtsraum geschaffen werden.
Es ist schwer vermittelbar, dass ein deutscher Staatsangehöriger zum Beispiel zur Untersuchungshaft nach Spanien ausgeliefert wird, während heute noch Auslieferungshaft in spanischen Gefängnissen bei der Strafzumessung mit dem 2,5-fachen Zeitwert bemessen wird.
Wir haben den Auftrag, als Gesetzgeber alles zu tun, damit der Grundrechtsschutz unserer Staatsbürger nicht eingeschränkt oder gar ausgehöhlt wird. Daher darf zum gegenwärtigen Zeitpunkt der EU-Haftbefehl in der vorliegenden Form nicht umgesetzt werden.“

Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/