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18.02.04
12:05 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zum Raumordnungsbericht 2003

Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 17 – Raumordnungsbericht 2003 Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Dazu sagt der Fraktionsvorsitzende Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 von Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Karl-Martin Hentschel: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene-landtag-sh.de

Nr. 059.04 / 18.02.2004


Landesplanung braucht griffige Werkzeuge
Alle reden davon, dass die Bevölkerung abnimmt – aber Schleswig-Holstein trotzt dieser Ten- denz und wächst weiter. Unsere Bevölkerung ist von 1999 und 2002 um 50.500 EinwohnerInnen gewachsen. Dabei wurde die geringe Geburtenquote durch Zuwanderung aus anderen Bundes- ländern und dem Ausland ausgeglichen.
Allerdings verteilte sich dieser Bevölkerungsanstieg nicht einheitlich. Während die Bevölkerung im ländlichen Raum relativ am schnellsten wächst, so liegen bei den absoluten Zahlen die Ge- meinden im Umland der Städte Kiel, Lübeck und Flensburg sowie Hamburg vorn. Erwähnenswert ist insbesondere, dass die Landeshauptsstadt Kiel wieder leicht steigende Bevölkerungszahlen vorweisen kann.
Zweitens ist festzustellen, dass trotz steigender Bevölkerungszahlen und der schwierigen Wirt- schaftslage die absolute Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze im Berichtszeit- raum angestiegen ist.
Allerdings war dieser Zuwachs nicht ausreichend, um die wachsende Nachfrage nach Arbeit auszugleichen – so dass die Arbeitslosentzahlen leider bis heute weiter zunimmt. Auch hier ist die Entwicklung im Land sehr unterschiedlich: Eine positive Entwicklung ist im Berichtszeitraum so gut wie nur im Umland von Hamburg, sowie in den Umlandgemeinden um Kiel, Lübeck und Rendsburg zu verzeichnen.
Besonders auffällig und problematisch ist weiterhin der Flächenverbrauch für Verkehr und Be- siedlung. Zwar ist die Entwicklung gegenüber anderen Bundesländern schwächer, jedoch sind die Zuwächse um knapp unter 10 Prozent erheblich. Im Jahre 2000 waren schon 6,2 Prozent der Landesfläche durch Bebauung und dazugehörende Freiflächen belegt.
Diese Entwicklung korrespondiert natürlich vor allem mit dem Wohnungsbau – in zweiter Linie mit dem Bau von Straßen und der Ausweisung von Gewerbegebieten. Obwohl der Wohnungsbau im Berichtszeitraum rückläufig ist, führt er trotzdem zu wachsendem Flächenverbrauch. Denn es werden vorrangig nur noch Ein- und Zweifamilienhäuser gebaut, während der Bau von Mehrfami- lienhäusern weit zurückgegangen ist.
1/2 Es gibt schon Anlass zur Besorgnis, wenn trotz der Rezession die Zersiedlung der Landschaft und der Flächenverbrauch nicht nur nicht abnehmen, sondern sich sogar noch beschleunigen. Hier sind Land und Kreise gefragt, gegen diese Entwicklung anzusteuern. Man muss aber auch fragen, welches sind die Gründe und reichen die bisherigen Instrumente aus?
Gründe für die steigende Zersiedelung der noch ländlicheren Gemeinden sind die steigende Bau- landpreise im engeren Umland der Städte, fehlende Flächen in den Städten, aber auch die ab- nehmende Finanzkraft von Gemeinden. Dies hat dazu geführt, dass im weiteren Umland ver- stärkt Bebauungsgebiete ausgewiesen wurde.
Als Gegeninstrument hat das Land die 20 Prozent-Regelung geschaffen – ländliche Gemeinden dürfen im Planungszeitraum von 1995 bis 2010 nur um 20 Prozent zusätzliche Wohnungen wachsen. Diese Regelung führt aber zur Ausweisung von möglichst großen Grundstücken auf der „grünen“ Wiese.
Deshalb sollte dieses Instrument überprüft werden. Ich könnte mir z. B. vorstellen, dass wir statt dessen nur noch einmalig je Region ein Flächenwachstum von 5 oder 10 Prozent zulassen, an- sonsten aber das Wachstum grundsätzlich nur noch innerhalb der ausgewiesenen Flächen statt- finden darf. Damit würden die Gemeinden angehalten, mehr Konzepte für kompaktere Bebauung zu machen und sich an erster Stelle um die Entwicklung von innerörtlichem Wohnungsraum zu kümmern.
Zweites drängendes Problem neben dem Flächenverbrauch ist die Entwicklung des Einzelhan- dels im Land. Der Einzelhandel in den Innenstädten hat immer größere Schwierigkeiten, dem Konkurrenzdruck der Kaufmärkte auf der „grünen“ Wiese standzuhalten.
Darüber hinaus liefern sich auch die großen Märkte untereinander eine ruinöse Konkurrenz. Die Verkaufsflächen wurden so weit vergrößert, dass sich die dafür notwendigen Käufereinzugsräu- me vielfach überschneiden.
Da die Kaufkraft der Einwohner Schleswig-Holsteins nicht entsprechend steigt, sterben die klei- nen Einzelhandelsgeschäfte, Geschäfte in Ortszentren stehen zunehmend leer mit der Folge, dass die Gefahr besteht, dass Orte ihr Leben verlieren.
Eine weitere Folge ist in der Regel, dass die Gemeinden mit den selbstständigen Geschäftsleu- ten und aktive Mitbürger und Steuerzahler verlieren. Die Supermarktketten dagegen haben in der Regel nur einen Geschäftsführer, der sich nur selten mit der Gemeinde verbunden fühlt. Meist zahlen die Billigmärkte auch keine Steuern, da die Gewinne in der Regel bei der Mutter in der Schweiz oder an vergleichbaren Plätzen anfallen.
Auch hier muss sich dieses Parlament eine Meinung darüber bilden, ob wir dieser Entwicklung entgegentreten sollen. So könnten die Instrumente der Landesplanung geschärft werden, indem zum Beispiel die Einschränkung der Ausweisung von Verkaufsflächen zum landesplanerischen Ziel gemacht wird. Dann könnte die Landesplanung eher und wirksamer als bisher solchen Ent- wicklungen entgegengetreten und häufiger den Neubau oder die Vergrößerung von Verkaufsflä- chen untersagen.

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