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23.01.04
10:21 Uhr
CDU

Thorsten Geißler: Untersuchungsausschüsse dienen parlamentarischer Kontrolle

Nr. 46/04 23. Januar 2004
IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG PRESSESPRECHER Torsten Haase Landeshaus, 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de
Innenpolitik TOP 11 Thorsten Geißler: Untersuchungsausschüsse dienen parlamentarischer Kontrolle Seit Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung im Jahre 1919 existiert das Parlamentarische Untersuchungsrecht in Deutschland auf beiden Staatsebenen. Bereits im Artikel 34 der Weimarer Reichsverfassung war es als Minderheitenrechts ausgestaltet. Geistiger Urheber dieser Regelung war Max Weber. Sein Anliegen war es, dass im deutschen Konstitutionalismus von regierungsvermittelter Information abhängige und auf „negative Politik“ beschränkte Parlamente mit eigenen Sachermittlungskompetenzen auszustatten, ihm besonderen Zugang zum Wissen der Verwaltung zu gewähren, um es auf diese Weise zu einer effektiven Kontrolle der Verwaltung zu befähigen.
Max Weber sah in der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen das schärfste Schwert des Parlamentes.
Nicht alle Untersuchungsausschüsse, die seitdem eingesetzt wurden, weder während der Zeit der Weimarer Republik noch in der Bundesrepublik Deutschland und ihren Ländern, haben sich als solche erwiesen. Nicht wenige sind ausgegangen wie das Hornberger Schießen. Andere aber haben beachtliche Ergebnisse erzielt und damit parlamentarischer Kontrolle zur Wirksamkeit verholfen. Das gilt auch für unser Bundesland. Ich denke an den sogenannten Schubladenausschuss, der unter Vorsitz des jetzigen Herrn Landtagspräsidenten mit parteiübergreifender Mehrheit einen Abschlussbericht verabschiedete, in dem fehlerhafte Ergebnisse eines früheren Untersuchungsausschusses korrigiert wurden. Das gilt sicherlich auch für den Pallas-Untersuchungsausschuss. Dieser Landtag bemüht sich, den Forderungen dieses Ausschusses Rechnung zu tragen.
Weil aber nicht alle Untersuchungsausschüsse erfolgreich arbeiteten, wurden immer wieder Reformdiskussionen geführt über Zusammensetzung und Ausgestaltung und Rechten von Untersuchungsausschüssen, nicht zuletzt von drei deutschen Juristentagen. Aber auch der letzte Juristentag, der sich 1988 mit diesem Thema befasste, kam zu der Forderung, Untersuchungsausschüsse ausschließlich mit Mandatsträgern zu besetzen. Und dafür gibt es gute Gründe. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse dienen nicht dazu, strafrechtlich relevantes Verhalten von Mitgliedern einer Regierung zu bewerten und zu ahnden. Dafür gibt es Staatsanwaltschaften und unabhängige Gerichte, von deren Arbeit allerdings Untersuchungsausschüsse gelegentlich auch profitieren.
Untersuchungsausschüsse dienen ihrer Historie und ihrer Funktion nach als Mittel parlamentarischer Kontrolle.
Mit dem Untersuchungsausschuss hat das Parlament ein Instrument in der Hand, um die Kontrollfunktion des Parlaments wahrzunehmen und zwar gerade durch die eigenständige Erhebung von Informationen. Wenn ernstlich beim Verdacht gravierender Missstände Kontrolle ausgeübt werden soll, verlässt sich das Parlament nicht auf freiwillig von der Exekutive übermittelte Informationen, sondern nimmt sein Recht auf Selbstinformation wahr.
Angesichts dessen, dass im parlamentarischen Regierungssystem die die Regierung tragende Gruppierung nur begrenzten Eifer zeigt, der Regierung Fehler oder sogar Sünden nachzuweisen, ist diese Kontrollfunktion weitestgehend eine Sache der jeweiligen Opposition, also der parlamentarischen Minderheit geworden.
Unser schleswig-holsteinisches Untersuchungsausschussgesetz - ich habe für meine Fraktion federführend daran mitgearbeitet - aus dem Jahr 1993 trägt dem durch die starken Minderheitenrechte Rechnung.
Angesichts der grundgesetzlichen und einfachgesetzlichen Gestaltung des parlamentarischen Untersuchungsrechts als Minderheitsrecht kann dessen Funktion in sich stimmig nicht in der gerichtsartigen Ermittlung objektiver Wahrheit gesehen werden.
Zweck des Untersuchungsausschuss-Verfahrens ist vielmehr die Ausübung politischer Kontrolle. Diese erfolgt im Parlament durch die Herstellung von Publizität und verlangt nach öffentlicher Debatte.
Bereits 1991 legte Burghard Ziemske seine Monographie vor „Das parlamentarische
Untersuchungsrecht in England - Vorbild einer deutschen Reform?
Seit dem Jahr 1921 haben in Großbritannien beide Häuser des Parlaments die Möglichkeit, Untersuchungsausschüsse nach dem Tribunals of Inquiry Act einzusetzen. Die Ernennung und Auswahl der Tribunalsmitglieder obliegt ausschließlich der Regierung, was in Großbritannien nicht als problematisch anerkannt wird, weil es in diesem Land unvorstellbar ist, das sich ein Richter auch nur außerdienstlich in irgend einer Form politisch artikuliert oder engagiert.
Ein solches Richterbild wird auch in Deutschland von vielen vertreten, und es hat gewiss seine Vorzüge, aber es ist alles andere als unumstritten.
1979 wurden dann mit dem Department of Select Committees Act auch parlamentarische Untersuchungsausschüsse des House of Commons ermöglicht. Bis zur Vorlage der Arbeit von Ziemske wurde kein Tribunal of Inquiry mehr eingesetzt. Stattdessen entwickelten die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse des Unterhauses lebhafte Kontrolltätigkeit. Sie sind mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet. Die Untersuchung des Todes des BBC-Journalisten Kelly übrigens war keine parlamentarische Untersuchung, vielmehr hatte die Regierung von einem Recht Gebrauch gemacht, einen der sogenannten Law-Lords - einen auf Lebenszeit in das Oberhaus berufenen Richter - mit einer Kontrolle zu beauftragen.
In den USA arbeiten parlamentarische Untersuchungsausschüsse auf Bundes- und auf Staatenebene. Der Watergate-Skandal wurde von einem Senatsuntersuchungsausschuss aufgeklärt. Sie bestehen aus Parlamentariern, denen allerdings Sonderermittler zur Seite stehen. Es kann also keine Rede davon sein, wie im SSW-Antrages vorgetragen, dass sich im angelsächsischen Rechtsraum die unabhängige Richteruntersuchung bei politischen Skandalen bewährt habe.
Im übrigen - nach dem SSW-Modell soll die Tatsachenfeststellung von Richtern geleistet werden, die Bewertung soll Parlamentariern überlassen bleiben. Wie soll man eine Beweisaufnahme objektiv bewerten, an der man selbst nicht teilgenommen hat? Diese Logik wird mir wohl immer verschlossen bleiben. Die Tribunals of Inquiry in Großbritannien haben immer auch bewertet und damit dem Parlament diese Möglichkeit entzogen. Auf die Vorlage des Untersuchungsausschussberichtes durch die Richter erfolgt entweder ein Rücktritt eines Regierungsmitgliedes, oder der Vorgang war auch für die Opposition erledigt.
Es gibt viele rechtspolitische Ansätze einer Reform des Untersuchungsausschuss- rechtes.
Die Zuordnung von Ermittlungsbeauftragten auf Bundesebene gibt es bereits. Die Frage der Anwendbarkeit von strafprozessualen Vorschriften, die Ausgestaltung des Betroffenenstatus, gerade im Hinblick auf Aussagepflichten, die Einräumung der Befugnis, Strafbefreiung für den Fall einer Aussage zu garantieren.
Wenn der SSW-Antrag zu einer solchen Diskussion Anstoß gibt, ist er zu begrüßen, seine grundsätzliche Zielsetzung aber lehnen wir ab.