Anke Spoorendonk zum Haushalt2004/2005: Gemeinsame Anstrengungen statt Parteien-Gezänk braucht das Land!
PRESSEINFORMATION Kiel, den 11.12.2003 Es gilt das gesprochene WortTOP 6 u. 14: Haushaltsplan für 2004 und 2005 (Drs. 15/3078) Anke Spoorendonk: „Gemeinsame Anstrengungen statt Parteien-Gezänk braucht das Land!“Im Frühjahr 1933 befand sich das kleine Königreich Dänemark in der schwersten Krise seit dem Ersten Weltkrieg. Die Arbeitslosenquote lag bei 44%, die Kosten für die sozialen Leistungen exp- lodierten und die Wirtschaft lag total dar nieder. In dieser für das Land äußerst ernsten Situation kam es zu einem historischen Reformkompromiss zwischen der Regierung, bestehend aus Sozial- demokraten und Linksliberalen, und der bürgerlichen Opposition im Parlament.Der sogenannte „Kanslergade“-Vergleich, den der legendäre sozialdemokratische Ministerpräsi- dent Stauning spät Nachts in seiner Wohnung – nach wochenlangen Verhandlungen - mit der bür- gerlichen Opposition verabredete, war im Grunde die Geburtsstunde des dänischen Wohlfahrtsstaa- tes. Der Vergleich sah zwar kurzfristig soziale Einschnitte vor, er gab aber auch wichtige Perspek- tiven für den Ausbau des Sozialwesens und der Arbeitslosenunterstützung vor. Gleichzeitig wurden für die Wirtschaft massive Wachstumsmaßnahmen - Investitionsbeihilfen und bessere Kreditmög- lichkeiten - beschlossen. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften schlossen sich dem Kompro- miss der politischen Parteien an, indem sie Lohnzurückhaltung bei gleichzeitiger Arbeitsplatzsiche- rung vereinbarten. Der „politische Burgfrieden“ führte dazu, dass sich das Land aufgrund der ge- meinsam beschlossenen Reformen relativ schnell erholte. - Bis dann leider der Zweite Weltkrieg begann, aber das ist eine andere Geschichte. -Das Interessante an der „Kanslergade -Vereinbarung“(so benannt nach der Straße, in der Stauning wohnte) war – und deshalb können wir aus der Geschichte lernen - dass sich sowohl Regierung und Opposition als auch Arbeitgeber und Gewerkschaften angesichts der dramatischen Krise ihrer staatspolitischen Verantwortung für das Land bewusst waren und sich dementsprechend verhielten. 2Man war sich darüber im klaren, dass man nur durch gemeinsame Anstrengungen aus dem wirt- schaftlichen Jammertal herauskommen konnte.Warum erzähle ich diese kleine Geschichte? Das tue ich natürlich, weil es - ohne im übrigen histo- rische Parallelen zur dänischen Geschichte aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise zu ziehen - einige Übereinstimmungen mit der heutige Lage der Bundesrepublik gibt: Die Arbeitslosigkeit hat mit fast 4,5 Millionen Menschen einen Höchststand erreicht, alle öffentlichen Haushalte sind hoffnungslos verschuldet, die Sozialkassen weisen Milliarden-Unterschüsse aus und das Wirtschaftswachstum stagniert bereits seit mehreren Jahren.In einer solchen Krise lehrt uns das eben erwähnte Beispiel, dass es in die Verantwortung al- ler Parteien und gesellschaftlichen Gruppen des Landes fällt, die notwendigen Reformen an- zupacken, um sprichwörtlich in einer gemeinsamen Kraftanstrengung den Karren aus dem Dreck zu ziehen. In der Lage, in der sich dieses Land befindet, sollten also parteipolitische Motive oder gruppenegoistische Anliegen zurückgestellt werden. Leider habe ich nicht den Eindruck, dass dieses ernsthaft geschieht.Seit Anfang März dieses Jahres - seit Bundeskanzler Schröder seine sogenannte Agenda 2010 zur Reform des Sozialstaates vorgestellt hat – wird in der Öffentlichkeit eine permanente Reformdebat- te geführt. Die Bundesregierung hat in nahezu allen Politikbereichen Reformvorschläge gemacht. Die Parteitage von SPD, CDU, FDP und Bündnis90/Die Grünen haben ihre Vorstellungen von der Reformierung des Sozialstaates der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Der Bundesrat hat mit seiner Mehrheit eigene Vorschläge gemacht. Die Gewerkschaften haben sich eingebracht, und auch die Arbeitgeberverbände haben ihre Sicht der Dinge dargelegt.Kann es da verwundern, dass die Bürgerinnen und Bürger genug haben und nur noch eines wollen: dass endlich konkrete Entscheidungen getroffen werden - ohne öffentliche Schaukämpfe und Parteitaktik.Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat sitzt jetzt mit den entscheidenden Hebeln und muss zu einem konstruktiven Ergebnis kommen. Alles andere ist den Menschen nicht mehr zu vermitteln. Es liegt also in der Verantwortung unserer Politikergeneration, dass der über Jahrzehnte aufgebaute bundesdeutsche Wohlfahrtsstaat nicht einfach zu Grunde gerichtet wird, und dass Kom- promisse gefunden werden, die uns wirklich weiterbringen. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass 3die verschiedenen Vorschläge von Rot-Grün und CDU/FDP in Wirklichkeit nicht so weit auseinan- der liegen.Realistisch gesehen ist die Umsetzung der Agenda 2010 aber erst der Anfang. Denn die Debatte um Bürgerversicherung und Kopfpauschale zeigen ja, dass die Diskussion um die Reformen weiterge- hen wird. Keiner wird wohl mehr bezweifeln, dass der Sozialstaat umgebaut werden muss. Aber so klein ist die Welt nicht, dass nur die Ideen von Schröder und Merkel Platz in ihr hätten. Ein Blick über den Tellerrand hin zu unseren europäischen Nachbarn lohnt sich allemal, um festzustel- len, dass Länder, die schon vor Jahren auf eine bessere Qualität der Ausbildung und auf mehr Tech- nologieentwicklung gesetzt haben, heute viel besser dastehen als Länder, wo Sozialdumping und Billiglöhne zu Wettbewerbsparametern der Volkswirtschaft gemacht worden sind.Der SSW orientiert sich bei den notwendigen Reformen des Sozialstaates weiterhin an dem skandi- navischen Modell. Ein Kernstück dieses Modells ist es, dass die Reformen nicht auf dem Rücken der sozial Schwachen ausgetragen werden. Denn trotz der großen Veränderungen der letzten Jahre zeichnen sich die skandinavischen Länder immer noch durch relativ hohe Sozialleistungen und da- mit durch mehr Chancengleichheit, zum Beispiel im Bildungsbereich, aus. Unser Ziel bleibt es, die Systeme der sozialen Sicherung langfristig auf eine steuerfinanzierte Basis zu stellen, denn nur so kann die Substanz des Sozialstaates erhalten werden. Dass heißt aus der Sicht des SSW, dass eine steuerfinanzierte Absicherung der Bürgerinnen und Bürger - bei Arbeitslosigkeit, im Alter und im Krankheitsfall - die Grundlage eines veränderten Sozialsystems sein sollte.Ich glaube, dass wir in den nächsten Jahren noch viele harte politische Auseinandersetzung zu die- sen Fragen führen werden. Denn wer glaubt, dass man durch Aufhebung der Tarifautonomie, Kür- zung der Löhne und Sozialleistungen sowie durch Beschneidung von Arbeitnehmerrechten den Durchbruch zu einem modernen und im internationalen Vergleich wettbewerbsfähigen Staat schafft, der irrt auf fatale Weise. Der soziale Frieden war und ist immer noch ein entscheiden- der Standortfaktor. Dazu kommt, dass wir niemals mit Billiglohnländern werden konkurrieren können. Wir müssen auf Ausbildung, Innovation und neue Technologien setzen, um auch in Zu- kunft bestehen zu können.Dies gilt insbesondere auch für Schleswig-Holstein. Dabei ist es natürlich besorgniserregend, wenn eine Studie der Vereins- und Westbank prognostiziert, dass dem Norden Deutschlands der wirtschaftliche Abstieg droht. Laut der Studie fehlt uns - von wenigen international konkurrenzfähigen Kompetenzen abgesehen - ein robustes und zukunftsfähiges Wirtschaftsprofil. 4Kompetenzen abgesehen - ein robustes und zukunftsfähiges Wirtschaftsprofil. Schleswig-Holstein läuft Gefahr, sich zwischen den Hightech-Standorten in Süddeutschland und den Billiglohnländern in Mittel- und Osteuropa zu zerreiben. Da wir den geographischen Nachteil der Randlage nicht än- dern können, wird empfohlen, dass wir uns auf unsere Stärken in den Technologieschwerpunkten, zum Beispiel bei der Forschung und Entwicklung in der Medizintechnik und den Biowissenschaf- ten, besinnen und auf den Ausbau der notwendigen Verkehrs- und Bildungsinfrastruktur drängen.Die Landesregierung hat Recht, wenn sie in diesem Zusammenhang sagt, dass sie vieles davon schon auf den Weg gebracht hat. Doch leider setzt uns die katastrophale Haushaltslage des Landes sehr enge Grenzen, wenn es darum geht, die oben genannten Zielsetzungen umzusetzen. Die schon seit drei Jahren anhaltende wirtschaftliche Stagnation, der Anstieg der Arbeitslosigkeit und der da- mit verbundene massive Einbruch der Steuereinnahmen sowie die erhöhten Kosten für soziale Leis- tungen und die erschreckende Neukreditaufnahme setzen auch für den Doppelhaushalt 2004 und 2005 den bedenklichen Rahmen.Wie schwer wir es uns als Politikerinnen und Politiker damit tun, die wirtschaftlichen Rahmenbe- dingungen zu verbessern, zeigen die Eckdaten des vorliegenden Haushaltsentwurfs. Die Investiti- onsquote ist auf gleichbleibend niedrigem Niveau, die Kredite übersteigen erst mal in der Geschich- te des Landes bei der Aufstellung eines Haushaltes sogar die Investitionshöhe, und die Ausgaben des Landes sind unverändert hoch.Natürlich sind wir uns alle im klaren darüber, dass der vorliegende Entwurf die Folgen eines mögli- chen Ergebnisses aus dem Vermittlungsausschuss nicht berücksichtigt. Unsicherheiten bestehen insbesondere bei der Höhe der Steuereinnahmen - wegen des möglichen Vorziehens der Steuerre- formen, bei der Höhe des Subventionsabbaus, über die Folgen einer Gemeindefinanzreform für das Land sowie über die möglichen Konsequenzen aus den noch ausstehenden Hartz-Reformen.Noch nie gab es so viele offenen Fragen und so viele Entscheidungen aus der Bundespolitik, die Einfluss auf den Haushalt des Landes haben.Auch die Konjunkturerwartungen sind für das nächste Jahr weiterhin unsicher. Erfreulich ist, dass das Wirtschaftswachstum laut einer Prognose des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im vierten Quartal mit 0,5% Wirtschaftswachstum rechnet und im nächsten Jahr sogar 1,8% 5erwartet. Interessant ist aber, dass dieses Wachstum bisher nur durch Impulse aus dem Ausland un- terstützt wird; die Binnennachfrage ist weiterhin schwach.Obwohl das Vorziehen der Steuerreform eine große Belastung für die Länderhaushalte ist, er- scheint dieses Vorhaben aber gerechtfertigt, um den Aufschwung in Gang zu bringen. Auf jeden Fall ist das Vorziehen der Steuerreform finanzpolitisch besser als weitere Kürzungen durchzufüh- ren, wie von der CDU gefordert. Auch die Forderungen aus Brüssel nach weiteren Kürzungen des Bundes, um den Stabilitätspakt einzuhalten sind in dieser wirtschaftlichen Lage völlig unrealistisch. Es wäre schön, wenn sich die EU-Kommission verstärkt auf den Wachstumsteil des Paktes kon- zentrieren würde, um die Wirtschaft in ganz Europa wieder in Gang zu bekommen. Dazu brauchen wir in einer wirtschaftlichen Schwächephase neue Investitionen und keine weiteren Sparmaßnah- men. Das sollten sich die so genannten Wächter des Stabilitätspaktes mal hinter die Ohren schrei- ben.Schleswig-Holstein trägt mit dem ZIP 2004-Programm seinen bescheidenen Beitrag dazu bei, dass wir im nächsten Jahr einen Investitionsschub bekommen können. Immerhin soll das Programm mit der Werftenhilfe und den EU-Zuschüssen insgesamt Investitionen von fast 800 Millionen € auslö- sen. Der SSW begrüßt diese Initiative der Landesregierung ausdrücklich. Das ist aus unserer Sicht der richtige Weg. Leider ist auch die erhöhte Kreditaufnahme und die Erklärung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes nötig, damit wir im nächsten Jahr wirtschaftliche Impulse setzen und vernünftig haushalten können. Ich bin ja bereits heute Morgen bei der Debatte um den Nachtragshaushalt 2003 auf unsere Argumente für diese außergewöhnlichen Haushaltsmaßnahmen eingegangen, die wir schweren Herzens mittragen. Diese Argumente gelten auch für den Haushalt 2004/2005.Fast noch schwerer als die aktuelle Krise der öffentlichen Haushalte oder der Sozialkassen wiegt aber die schlechte Situation unseres Bildungswesens. Denn ein gutes Bildungssystem ist ja eine Investition für die Zukunft. Die PISA-Studie hat die verantwortlichen Politikerinnen und Poli- tiker scheinbar immer noch nicht genügend aufgerüttelt, denn vor einigen Wochen hat schon wieder eine OECD-Studie dem deutschen Schulsystem ein schlechtes Zeugnis ausgestellt.Vor allem sieht die OECD eine zentrale Schwäche darin, dass nur wir so rigoros zwischen Haupt- schule, Realschule und Gymnasium trennen. - Wobei es wirklich bemerkenswert ist, dass diese frü- 6he Trennung von Heranwachsenden hierzulande kaum ernsthaft diskutiert wird, leider auch nicht von den Sozialdemokraten.Mit anderen Worten: Auch wenn viele Initiativen der Landesregierung im Bereich der Schulen in die richtige Richtung gehen – als Beispiele seien die Qualitätsentwicklung in den Schulen, die Ver- lässliche Grundschule, eine bessere Lehrerausbildung, die Sicherung der Unterrichtsversorgung und die Einführung von Vergleichsarbeiten genannt - so bleibt dennoch das Fazit des SSW, dass wir erst einen entscheidenden Schritt nach vorne kommen, wenn wir die Schulstrukturen verändern und letztlich das dreigliedrige Schulsystem abschaffen. Für dieses Ziel wird sich der SSW weiterhin hartnäckig einsetzen.Allerdings möchte ich die Landesregierung dafür loben, dass sie endlich Initiativen ergriffen und zusätzliche Mittel im Haushalt bereitgestellt hat, um den fatalen Unterrichtsausfall zu bekämpfen. Nichts ist demotivierender für alle Beteiligten, wenn nicht mal der normierte Unterricht erteilt wer- den kann. Der SSW hofft, dass die Vorschläge der Landesregierung ausreichen, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Schon seit Jahren haben wir uns dafür ausgesprochen, mehr finanzielle Ressourcen für die allgemeinbildenden Schulen bereit zu stellen. Gerade auch die Grundschulen bekommen im internationalen Vergleich zu wenig Mittel pro Schülerinnen und Schüler zugeteilt. Neben der Schulorganisation und der Inhalte des Unterrichts ist aber die Erhöhung der Mittelzuwei- sung für die Schulen ein wesentlicher Faktor, um die Ausbildung unserer Kinder zu verbessern.Dies gilt natürlich auch für die Hochschulen. Die Umsetzung der Vorschläge der Erichsen- Kommission und der Versuch, zukunftsweisende Zielvereinbarungen mit den Hochschulen abzu- schließen, ist aus unserer Sicht der richtige Ansatz. Dennoch bleiben wir dabei, dass die regionale Komponente bei der Hochschulentwicklung nicht aus den Augen verloren werden darf. So hat bei- spielsweise der Beschluss, die Fachhochschule in Eckernförde zu schließen, zu großer Enttäu- schung in einer Stadt geführt, die ja schon durch den Bundeswehrabbau stark belastet ist.Durch gemeinsame Anstrengungen gelang es dagegen, einen Kompromiss zu finden, um die grenz- überschreitenden Studiengänge der Universität Flensburg und der Syddansk Universitet in Flens- burg zu erhalten. Es bleibt aber eine Tatsache, dass die Universität Flensburg weiterhin pro Studie- rende weitaus weniger Zuschüsse erhält als andere Hochschulen des Landes. Damit der Hochschul- standort Flensburg auch in Zukunft überlebensfähig bleibt, brauchen wir weitere Anstrengungen seitens der Landesregierung. Vor diesem Hintergrund bleibt der SSW bei seiner Forderung, 7dass längerfristig die gesamte Lehrerausbildung in Flensburg angesiedelt werden muss. Alles andere macht keinen Sinn.Auch in der Frage der Gleichberechtigung von Frauen hinkt die Bundesrepublik gesellschaftspoli- tisch seinen Nachbarn in Nord- und Westeuropa weiter hinterher. Kinder oder Karriere ist auch An- no 2003 eine Frage, vor der viele Frauen stehen. Im Gegensatz zu den skandinavischen Ländern gibt es in Schleswig-Holstein kaum Kinderkrippen oder Betreuungsmöglichkeiten für unter 3- jährige Kinder. Dabei ist die Kinderbetreuung das A und O eines modernen Sozialstaates. Anstatt kinderlosen Paaren – die ja aus den unterschiedlichsten Gründen kinderlos sind – mit der Kürzung von Renten zu drohen, sollten wir uns lieber darum kümmern, die Kinderbetreuung flächendeckend auszubauen. Dann würden sich mit Sicherheit mehr Familien als heute für mehr Kinder entschei- den.Vor diesem Hintergrund war es aus Sicht des SSW ein falsches Signal, dass die Landesregie- rung im Zuge der Neugestaltung der Kita-Finanzierung die Verordnung über die Standards im Kita-Bereich für zwei Jahre aussetzten wollte. Zurecht befürchteten viele Eltern eine Beein- trächtigung bei der Qualität des Personals oder eine Erhöhung der Gruppengrößen. Das kann und darf nicht geschehen. Das Argument, dass die Kommunen so etwas nicht machen, weil sie dann den Druck der Eltern spüren werden, gilt angesichts der massiven finanziellen Probleme der kommuna- len Gebietskörperschaften meiner Meinung nach nicht, und die jüngsten Entscheidungen auf der Ebene der Kreise zeigen ja auch, dass dies nicht funktioniert.Deshalb sind wir froh darüber, dass die Standards nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen der Landesregierung, den kommunalen Spitzenverbänden und der LAG der Wohlfahrtsverbände erhalten bleiben. Der SSW hatte einen dementsprechenden Änderungsantrag zum Haushalt einge- bracht, wo wir die Beibehaltung der Kita-Verordnung forderten. Mit der jetzt vorgeschlagenen Neuverteilung der Landesmittel für den Kita-Bereich über den kommunalen Finanzausgleich und mit der Deckelung auf 60 Millionen € können wir leben. Für 2004 ist diese Summe nach Angaben der Landesregierung ausreichend und sollte auch die Tarifsteigerung für das Kindergartenpersonal ausgleichen können.Der SSW begrüßt, dass die Landesregierung bei der Kindergartenfinanzierung der dänischen Min- derheit entgegengekommen ist. Dansk Skoleforening kann wie bisher die Landeszuschüsse für die Kindergärten mit der Stadt Flensburg abrechnen; bei der Berechnung der Zuschüsse für die Kinder- 8gärten der Minderheit geht das Land genau wie bei den anderen Träger von den durchschnittlichen Zuschüssen der letzten vier Jahre aus. Das empfinden wir in diesem Teilbereich des Landeshaus- halts als volle Gleichstellung zwischen Mehrheit und Minderheit.Generell bleiben wir bei unserer Einschätzung, dass zu den wenig wirklich guten Nachrichten des Haushaltsentwurfs der Bereich der Minderheitenpolitik gehört. Es ist erfreulich, dass die Landesregierung vorschlägt, die Zuschüsse für die Minderheitenorganisationen nicht zu kürzen. Damit hat sie den hohen Stellenwert, den sie der Minderheitenpolitik des Landes stets beimisst, Rechnung getragen. Gleichwohl sind nicht alle Probleme damit vom Tisch. Daher sage ich zum wiederholten Mal: In der Finanzierung der Schülerbeförderung der dänischen Schulen sieht der SSW immer noch erhebliche Defizite.In diesem Zusammenhang stehen wir zwar weiterhin zum erzielten Kompromiss bei der Finanzie- rung der Privatschulen – zu denen auch die dänischen Schulen gehören. Dennoch muss ich darauf hinweisen, dass die Schulen der dänischen Minderheit nach Angaben von Dansk Skoleforening seit 1998 über 5 Mio. Euro weniger bekommen haben, als wenn sie zu 100% mit den öffentlichen Schu- len gleichgestellt gewesen wären. Das ist auf längere Sicht nicht hinnehmbar.Deshalb muss vor dem Hintergrund des 50-jährigen Jubiläums der Bonn-Kopenhagener- Erklärungen in 2005 ernsthaft geprüft werden, ob nicht eine Rückkehr zur vollen 100%- Förderung der Minderheitenschule möglich ist. Der SSW erwartet daher mit Spannung die Er- gebnisse der gemeinsamen Arbeitsgruppe von Bildungsministerium und Dansk Skoleforening, die Anfang nächsten Jahres präsentiert werden sollen. Wir erhoffen uns wegweisende Vorschläge zu diesen offenen Fragen.Positiv sehen wir auch das Entgegenkommen der regierungstragenden Fraktionen bei der Erhöhung der Zuschüsse für das Nordfriisk Instituut in Bredstedt. Die jetzt beschlossene Erhöhung zur De- ckung der Tarifsteigerung trägt für das einzige wissenschaftliche Institut der Friesen dazu bei, dass kein Personal entlassen werden muss, und dass die Arbeit zumindest für die nächsten zwei Jahre gesichert ist. Weiter begrüßen wir, dass die Landesregierung die Schulen der dänischen Minderheit bei ihren Anträgen auf Förderung von Ganztagsschulen über das Bundesprogramm wohlwollend unterstützen will. Konkret plant Dansk Skoleforening die Errichtung von Gesamtschulen in Leck und Husum, die beide auch als Ganztagsschulen zu verstehen sind. Dazu benötigt werden allerdings besonders für das Projekt in Leck – zur Renovierung der Schule - zusätzliche Investitionsmittel. 9Wir haben gerade am Montag das 15-jährige Bestehen der Institution der Minderheitenbeauftragten gefeiert. Mit den Beauftragten der Ministerpräsidentin für nationale Minderheiten und Volksgrup- pen, Grenzlandarbeit und Niederdeutsch hat die Landesregierung seit 1988 unterstrichen, dass die Minderheitenpolitik in Schleswig-Holstein „Chefsache“ ist. Wir danken den Ministerpräsidenten Engholm und Simonis dafür, dass sie bei ihrer Wahl der Beauftragten immer Persönlichkeiten wählten, die große Beiträge zur Weiterentwicklung der Minderheitenpolitik im Land geleistet ha- ben.Zu Recht wurde am Montag hervor gehoben, dass die Beauftragten Kurt Hamer (1988-1991), Kurt Schulz (1991-2000) und Renate Schnack von Anbeginn diese Aufgabe trotz ihrer Anbindung an die Landesregierung unabhängig wahrnehmen und wahrgenommen haben. Sie waren stets Ombuds- mann der Minderheiten und Sprachrohr der Ministerpräsidenten in einer Person und haben sich so bei den Minderheiten große Anerkennung und großes Vertrauen erworben.Renate Schnack hat in Verbindung mit dem genannten Jubiläum richtigerweise von einem Mehrwert des Landes durch die Minderheiten gesprochen. Es ist allerdings immer noch ein weiter Weg, bis diese Erkenntnis bei allen wirklich greift. Das zeigt sich leider wieder einmal bei den Haushaltsanträgen. Wir bedauern somit, dass die CDU vorschlägt, die Zuschüsse für die Ge- schäftsstelle der Sinti und Roma zu streichen. Das ist mit Sicherheit ein falsches Signal in der Min- derheitenpolitik und wird vom SSW entschieden abgelehnt.Kein Verständnis haben wir – alle Jahre wieder – dafür, dass die Stelle der Bürgerbeauftragten zur Disposition gestellt. Der jährliche Tätigkeitsbericht macht mehr als deutlich, dass die Arbeit der Bürgerbeauftragten eben nicht von der Ministerialebene aufgefangen werden kann. Eine Ombuds- mannsinstitution ist unabhängig und stellt im übertragenen Sinne ein Stück gelebte soziale Gerech- tigkeit dar, das gilt es aus der Sicht des SSW zu begreifen. Deshalb werden wir uns immer wieder für den Erhalt dieser Einrichtung einsetzen.Mit den Haushaltsvorschlägen von CDU und FDP kann man auch deshalb keinen Staat ma- chen, weil sie ihre Änderungsanträge auf Einmaleinnahmen durch Verscherbelung des letzten Ta- felsilbers des Landes oder auf Kürzungsvorschläge basieren, die nicht in die Realität umgesetzt werden können. Der Verkauf, beispielsweise der HSH Nordbank, wie vorgeschlagen. würde uns ja nur für höchstens ein Jahr von einer zu hohen Kreditaufnahme befreien. Auch erscheint es aus mei- 10ner Sicht unseriös, wenn die FDP zur Finanzierung ihrer Haushaltsvorschläge mit Millionen- Einsparungen bei der Sozialhilfe rechnet. Das gleiche gilt für den Vorschlag der CDU, 2.000 Stel- len bei den Landesbediensteten einsparen zu wollen.Bei der Mitte November von der Landesregierung vorgeschlagenen Verwaltungsreform ist der Lan- desteil Schleswig einigermaßen glimpflich davon gekommen, was zeigt, dass die Landesregierung bereit ist, regionale Rücksichten zu nehmen. Allerdings ist dieses vor dem massiven Abbau von Bundeswehrarbeitsplätzen gerade im nördlichen Landesteil nur recht und billig. Welche Folgen die Schließung des Marinegeschwaders MFG 2 in Tarp/Eggebek haben wird, ist zum Beispiel immer noch unklar. Und gerade hat das Bundesverteidigungsministerium weitere Schließungen von De- pots in Schleswig-Holstein angekündigt – und wieder ist der Landesteil Schleswig davon mit vielen Arbeitsplätzen betroffen.Natürlich wissen wir, dass die Landesregierung eigens ein Konversionsprogramm für die betroffe- nen Standorte eingerichtet hat. Aber die Mittel aus diesem Programm reichen hinten und vorne nicht aus, weil immer neue Hiobsbotschaften aus Berlin die Region belasten. Der völlige Wegfall der GA-Förderung für die westlichen Bundesländer konnte zwar durch den gemeinsamen Einsatz aller politischen Kräfte verhindert werden. Dennoch werden in Zukunft weniger GA-Mittel fließen. Das gleiche wird auch für die EU-Regionalförderung und die grenzüberschreitenden Interreg-Mittel nach 2006 gelten.Das heißt, dass wir für die nördliche Region des Landes einen neuen Schub und neue Perspektiven für die Zeit nach 2006 brauchen. Gerade auch vor dem Hintergrund einer möglichen Fehmarn- beltbrücke, die die Verkehrsströme von Skandinavien umlenken wird. Daher bleiben wir dabei, dass der Bau der westliche Elbquerung Priorität haben muss, um zumindest die Westküste wirt- schaftlich zu stärken. Aus Sicht des SSW wird aber insbesondere der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit dem südlichen Dänemark als strategische Perspektive für den nördli- chen Landesteil eine entscheidende Rolle zukommen, wenn wir wirtschaftlich vorankommen wollen.Dazu gehört dann auch, dass wir die Potentiale unserer Region in Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn voll nutzen. Hier denke ich beispielsweise an die Weiterentwicklung der Windenergie im Landesteil Schleswig. Laut einer Studie der IHK Flensburg wird die Förderung der Windenergie 11insbesondere auf dem Meer bis zu 10.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Wer also die Windenergie behindern will, der schädigt den Landesteil Schleswig.Zur grenzüberschreitenden Perspektive gehört natürlich auch, dass sich die Landesregierung mehr als bisher in diese Arbeit mit einschaltet. Nicht nur die Ostseepolitik muss wieder in Fahrt gebracht werden, sondern auch die deutsch-dänische Zusammenarbeit muss weiter mit Leben gefüllt werden. Wenn es in wenigen Jahren, so wie es sich abzeichnet, kein Amt Sønderjylland mehr geben wird, sondern eine Region Süddänemark, dann ist das Land auch von seiner Größe her als Partner der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gefragt.Zu guter Letzt gehört zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit unbedingt auch eine Kommunal- reform in Schleswig-Holstein. Fast 300 Kommunen im Landesteil Schleswig werden in Sønderjyl- land möglicherweise bald nur noch 5-6 Kommunen gegenüber stehen. Wie soll unter diesen Um- ständen eine effiziente grenzüberschreitende Kooperation funktionieren? Es ist bedauerlich, dass weder SPD noch CDU den Mut zu einer solchen Reform aufbringen. In Dänemark wird eine Regierungskommission bereits am 9. Januar nächstens Jahres konkrete Vorschläge für eine Gebiets- reform machen. Es wird also Zeit, dass sich auch in Schleswig-Holstein in dieser Frage etwas rührt.Auch wegen der katastrophalen kommunalen Finanzen brauchen wir einfachere Verwaltungsgänge und Gebietszusammenlegungen. Der SSW unterstützt deshalb weiterhin die Vorschläge, die die Landesregierung zur Reform der Gewerbesteuer in den Bundesrat eingebracht hat, um die finanziel- le Situation der Kommunen zu verbessern. Aber auch diese Vorschläge werden zur Zeit im Vermitt- lungsausschuss beraten. Auch hier werden wir abwarten müssen, zu welchen Entscheidungen man auf Bundesebene kommt.Das Fazit ist also: Den großen Wurf hin zu einer Stabilisierung der Finanzen wird das Land Schles- wig-Holstein allein nicht schaffen können. Wir brauchen die Hilfe der Bundesregierung und des Bundesrates. Wir brauchen Sozialreformen, die die Menschen wieder in Arbeit bringen, und wir brauchen eine Neustrukturierung des Föderalismus, um den finanziellen und politischen Gestal- tungsspielraum der Länder zu erneuern.Dabei muss Schleswig-Holstein seine Hausaufgaben selbst machen und kann nicht nur auf Rückenwind aus Berlin hoffen. Die Landesregierung hat in Verbindung mit dem Haushalt 2004/2005 eine ganze Reihe von Initiativen und Reformen angepackt. Es wäre aber sicherlich über- 12trieben zu sagen, dass sie sich auf einen guten Weg befindet. Denn der Weg der Landesregierung ist nicht nur äußerst steinig, er geht sogar sehr steil bergauf . Die Spitze des Berges - in Form von wirt- schaftlicher Entwicklung, Abbau der Arbeitslosigkeit und einem ausgeglichenen Haushalt ist noch in sehr weiter Ferne. Dazu wird die Landesregierung von oben und von allen Seiten mit Geröll ü- berhäuft - sie kämpft sich unter schwerem Beschuss in kleinen Schritten nach oben.In diesem Bild sieht sich der SSW als unabhängiger Wegweiser, der den richtigen Pfad zum Gipfel zeigt. Daher werden wir in guter skandinavischer Parlamentstradition für den Haushalt des Landes stimmen.