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10.12.03
15:14 Uhr
SSW

Weiterentwicklung der Drogenpolitik

Südschleswigscher Wählerverband Schleswig-Holsteinischer Landtag im Schleswig-Holsteinischen Landtag Düsternbrooker Weg 70 D - 24105 Kiel Tel. (0431) 988 13 80 Fax (0431) 988 13 82

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Kiel, den 10.12.2003 Silke Hinrichsen Es gilt das gesprochene Wort
„Die vom Landtag ausdrücklich geforderte konzeptionelle Weiterentwicklung der Drogenpolitik ist schwer zu erkennen.“


TOP 28 Weiterentwicklung der Drogenpolitik (Drs. 15/3000)
Als vier von fünf Fraktionen hier im Landtag vor gut zwei Jahren die erste Initiative zur Weiterent- wicklung der Drogenpolitik ergriffen, hieß der Antrag „neue Wege in der Drogenpolitik“. Wir wollten erkunden, welche Alternativen zur heutigen Vorgehensweise bestehen. In der Folge haben Kollegin- nen und Kollegen viel Zeit und Arbeit investiert - Wissenschaftler, Praktiker und Betroffene, die wir anhörten, ebenso. Ich finde, die Anhörung hat sich gelohnt, weil wir gemeinsam Erkenntnisse über das Funktionieren und die Defizite der gegenwärtigen Drogenpolitik gewonnen haben. Uns wurden neue Wege aufgezeigt, die wir gehen müssen, um die Drogenpolitik zu verbessern.

Was aus dieser Anhörung für die Fraktionen von SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und uns, vom SSW besonders wichtig war, spiegelt sich in dem Antrag „Weiterentwicklung der Drogenpolitik in Schleswig-Holstein“ wider. Er ist mit Sicherheit nicht erschöpfend, wenn es um die Handlungsbedarfe in der Drogenpolitik geht. Aber er benennt einige wichtige Bereiche, in denen unserer Meinung nach mehr oder anderes getan werden muss. Ich finde, es ist eine Leistung, dass es gelungen ist, vier von fünf Fraktionen bei einem so kontroversen Thema zusammenzubringen. Leider findet sich dieser brei- te Konsens für den Wandel nur bedingt in dem Bericht der Landesregierung wider. Der Bericht „Wei- terentwicklung der Drogenpolitik“ – von uns eben auch als die Beschreitung „neuer Wege“ in der Drogenpolitik intendiert – entspricht kaum den Erwartungen. Die in dem Berichtsantrag vom Landtag ausdrücklich geforderte „konzeptionelle Weiterentwicklung“ ist jedenfalls schwer zu erkennen. Der Bericht ist im Wesentlichen eine Bestandsaufnahme, die einige Verbesserungen im Detail enthält.

Am deutlichsten wird dieses bei den strafrechtlichen Aspekten der Drogenpolitik. Mit ihren Aussagen zur Differenzierung in legale und illegale Drogen bleibt die Landesregierung hinter den Erwartungen zurück, die nicht nur wir im Landtag haben. Es scheint fast, als suche die Landesregierung in dieser Frage nach dem Rückwärtsgang. Der Leerlauf hat sie jedenfalls schon gefunden. Natürlich hat die Re- 2



gierung Recht, wenn sie sagt dass eine deutlichere Betonung der Gefahren der legalen Drogen, Alko- hol und Tabak, dringend erforderlich ist. Die stärkere Betonung dieser Rauschmittel im Rahmen der Prävention allein wird aber noch nicht dem Ziel gerecht, endlich eine konsistente rechtliche Bewer- tung der Substanzen herzustellen und diese zumindest Modellweise zu erproben. Auch wenn es eine Angleichung illegaler und legaler Drogen bei der Prävention gibt: die Konsumenten werden strafrecht- lich ungleich behandelt, obwohl die Wirkungen und Nebenwirkungen der einzelnen Substanzen dieses nicht begründen können. Ich kann verstehen, dass die desaströsen Finanzen und die aktuelle politische Situation auf Bundesebene die Hoffnung auf eine deutliche Verbesserung der Drogenpolitik nicht ge- rade fördern. Das heißt aber nicht, dass man seine Ziele und Visionen aufgeben sollte. Das ist aber lei- der der Eindruck, der beim Lesen des Berichts hängen bleibt - und der ja auch schon entsprechend in der Presse referiert worden.

Jenseits der „großen“ rechtlichen Fragen der Drogenpolitik gibt es aber noch eine Reihe weiterer Be- reiche, die schon in unserem gemeinsamen Antrag angesprochen wurden. Ein Aspekt der mir beson- ders am Herzen liegt, sind die Hilfen für drogengefährdete und -abhängige Kinder und Jugendliche und deren Eltern. Es geht insbesondere um die Zusammenarbeit und die Qualifizierung von Drogen- hilfe und Jugendhilfe und zu diesem Punkt formuliert die Regierung ja auch Anforderungen. Es ist richtig, dass die Vernetzung regional und lokal stattfinden muss, wo die praktische Arbeit vor sich geht und wo auch die politische Kompetenz für die Jugendhilfe liegt. Trotzdem hätte ich mir von der Landesregierung deutlichere Anreize für die Verzahnung der Hilfen für Kinder und Jugendliche ge- wünscht, wie sie auch in unseren Anhörungen mehrfach gefordert wurden.
Eine andere Frage, die uns bewegt hat, ist die Situation in den Justizvollzugsanstalten des Landes. Ich kann einsehen, dass es angesichts der Folgeprobleme ein unlösbares Dilemma wäre, den Spritzen- tausch für Häftlinge anzubieten. Wenn dieses nicht geht, dann ist es allerdings das mindeste, dass an- dere Möglichkeiten - wie die Substitution - ausgereizt werden. Heute ist es leider so, dass die Budgets der Anstaltärzte in den JVAen zu gering sind, um die Möglichkeit der Substitution bei möglichst vie- len Drogenabhängigen auszuschöpfen. Deshalb muss die Regierung andere Wege finden, die es z. B. ermöglichen würden, die Substitutionstherapie aus den Budgets herauszunehmen.

Ich könnte noch eine Reihe weiterer Punkte aufzählen, bei denen der Bericht der Landesregierung nicht dem Anspruch gerecht wird, die Handlungsbedürfnisse und Handlungsmöglichkeiten der Dro- genpolitik im Sinne einer konzeptionellen Neuentwicklung aufzuzeigen. Die Landesregierung setzt - bis auf wenige rühmliche Ausnahmen wie der Tabakprävention - auch keine eigenen neuen Schwer- punkte, die über einen Ausbau des bestehenden hinausgehen. Aber wer in der Drogenpolitik keine Vi- sionen mehr formuliert, der akzeptiert eine bestehende Drogenpolitik, die in vielen Feldern nicht op- timal funktioniert und die teilweise unauflösliche Widersprüche enthält. Deshalb hoffe ich, dass wir uns im Ausschuss noch darauf verständigen können, zumindest einige kleine, konkrete Schritte auf dem Weg hin zu einer besseren Drogenpolitik zu fordern. Denn die neuen Wege in der Drogenpolitik, die der Landtag gesucht und gefordert hat, stehen offensichtlich noch nicht auf der Landkarte der Lan- desregierung.