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13.11.03
11:29 Uhr
SPD

Thomas Rother zu TOP 29: Aufarbeitung - ja, Generalverdacht - nein

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 13.11.2003 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell TOP 29 – Prüfung einer Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR:


Thomas Rother:

Aufarbeitung – ja, Generalverdacht – nein

An einem Stasi-Check auf der Daten-Grundlage der nunmehr vorliegenden sogenann- ten Rosenholz-Dateien scheiden sich die Geister. Wenn man die Presse der letzten Wochen auswertet, wird ersichtlich, dass sich die Meinungen hierzu quer durch alle Parteien bewegen. Es zeigt sich eher ein Ost-West-Konflikt. Ostdeutsche Politiker pro und westdeutsche Politiker eher contra Stasi-Überprüfung von Mandatsträgern. Das ist allein schon aus der räumlichen Nähe und der daher unterschiedlichen Wahrschein- lichkeit von persönlichen Beziehungen zur Stasi nachvollziehbar.

In den Rosenholz-Dateien sind unter anderem rund 1.900 Namen von westdeutschen Spionen, die für die DDR tätig gewesen sein sollen, enthalten. Auch wenn ein Grossteil der daraus ermittelbaren Straftaten bereits verjährt ist, haben die Dateien be- sondere politische Bedeutung in Bezug auf Menschen, die im Kriegs- und Span- nungsfall eingesetzt werden sollten, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

Dass nicht immer freiwillig eine Aufnahme in diesen Personenkreis erfolgte, wissen wir spätestens seit dem „Fall Günter Wallraff“. Und dass das Material von einem Unrechts- regime unter Missachtung aller Bürgerrechte zusammengetragen wurde mit dem Ziel der Unterdrückung von politischen Bewegungen und auch zur Begehung von Strafta- ten wissen wir auch. Und daher gibt es auch keine Garantie, ob das, was da zusam-
Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



mentragen wurde, nun stimmt oder eben nur stimmig gemacht wurde (CDU, Heinrich Lübke).

Der Aussage- und Beweiswert der Rosenholz-Dateien ist noch immer ungeklärt. Auch auf der Web-Seite der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen wird gewarnt: „Ei- ne umfassende Aufarbeitung der Tätigkeit der Hauptverwaltung Aufklärung wird erst möglich sein, wenn alle o.g. Unterlagen zurückgegeben wurden und diese auch mit anderen bei der BStU schon vorhandenen Karteien, Dokumenten und Unterlagen in Bezug gebracht werden können. Bei nur punktueller Nutzung der Informationen kann es schnell zu Fehlinterpretationen kommen.“

Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, das ist nun keine oder zumindest noch keine Basis für eine sichere Überprüfung!

Weiter ist es so, dass Stasi-Verdacht ein beliebtes Vehikel ist, um Politiker in Misskre- dit zu bringen. Denken Sie an die Vorwürfe gegen Björn Engholm, die sich dann vor Gerichten in Luft auflösten. Aber hängen bleibt halt immer etwas!

Wir gehen in diesem Land sehr sensibel mit besonderen Methoden zur Verfolgung von Straftaten um – denken Sie zum Beispiel an die Rasterfahndung. Nun sollen wir selbst durch ein Raster laufen – warum sind wir denn alle verdächtig? Und gibt es vielleicht zur kommenden Tagung einen CDU-Antrag, die Registrierung beim Verfassungs- schutz oder die Erfassung bei der Kriminalpolizei offen zu legen? Sollen wir uns so et- was antun? Jeder Politiker ein potenzieller Spion, Straftäter oder Verfassungsfeind?

Wir lehnen ja auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Regelanfrage beim Ver- fassungsschutz ab. Und das hat bislang nicht dazu geführt, dass unser freiheitlich- demokratisches Gemeinwesen in Gefahr geraten wäre. Ganz im Gegenteil, die Mei- nungsfreiheit wurde auf diesem Weg ein ganzes Stück weit gestärkt. Und das schafft dann auf den zweiten Blick viel treuere Staatsbürger als man denkt. -3-



Selbst wenn der Bundesrat in seiner Entschließung vom 29. September dieses Jahres Parlamentarier aus Bund und Ländern dazu aufruft, sich einer Stasi-Prüfung zu unter- ziehen, muss das noch lange nicht angebracht sein. Stellen Sie sich vor, wir beschlie- ßen den CDU-Antrag heute und einige Abgeordnete machen da nicht mit und der Prä- sident veröffentlicht das. Dann sind wir nicht mehr bei einer notwendigen Aufarbeitung des DDR-Unrechts, sondern bei einer Stasi-Hysterie angelangt, die niemandem gut tun wird.

Unabhängig davon wäre es für eine tatsächlich komplette Überprüfung notwendig, das schleswig-holsteinische Abgeordnetengesetz zu ändern, denn einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einfach so als Appell zu beschließen, läuft einigem an Rechtssystematik in diesem Land entgegen.

Es ist zweifellos sinnvoll und notwendig, die Geschichte der DDR und insbesondere das DDR-Unrecht aufzuarbeiten. Staatliche Straftaten sind zu verfolgen. Es darf natür- lich keine Generalabsolution geben. Aber ein Generalverdacht gegen alle und jeden ist unverhältnismäßig und historisch unsachlich. Er gibt nur jenen Kräften Auftrieb, die die DDR verklären und schon jetzt von „Siegerjustiz“ sprechen.