Wilhelm Malerius zu TOP 21+30: Nachhaltige Energiepolitik ist Innovationspolitik
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 13.11.2003 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell TOP 21 +30 – Zukunft der Energiewirtschaft + WindenergieausbauWilhelm Malerius:Nachhaltige Energiepolitik ist InnovationspolitikDie Energienutzung ist nachhaltig, wenn sie die allgemeine und dauerhafte Verfügbar- keit von geeigneten Energieressourcen sicherstellt und zugleich die negativen Auswir- kungen von Energiebereitstellung, -transport und -nutzung begrenzt. Nachhaltige E- nergiepolitik ist Innovationspolitik. Sie muss auf verschiedenen Feldern ihren Beitrag zur Zukunftsfähigkeit unseres Landes leisten, um Arbeitplätze zu schaffen, Investitio- nen anzureizen und neue Märkte zu erschließen.Der Standort Deutschland soll attraktiv bleiben, und somit ist eine Strategie für Investi- tionen in rationelle Energienutzung und Energieeinsparung, in moderne Energietechni- ken, in Effizienzsteigerung neuer Kraftwerke, in die Energieversorgungsnetze sowie zum weiteren Ausbau erneuerbarer Energieträger ein entscheidender Beitrag für die Entwicklung unserer Volkswirtschaft und Arbeitsmärkte.Dieses, meine Damen und Herren der Opposition, hat im Gegensatz zu Ihnen auch der Deutsche Bauernverband und der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft erkannt und unterstützt ein breites Aktienbündnis für erneuerbare Energien. Das Bündnis setzt sich für eine offensive Weiterentwicklung der Erzeugung von Strom, Wärme und Treibstoffen aus erneuerbaren Energien ein. Die Unterzeichner sehen hierin einen zentralen Erfolgsfaktor für die Zukunft des Standortes Deutschland. Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-Eine wichtige Bedingung für die zukünftige Stromwirtschaft ist der Konsens zum Aus- stieg aus der Kernenergie vom Juni 2001. Der Nutzen einer kohlenstofffreien Stromer- zeugung aus Kernenergie ist gering im Vergleich zu den Risiken und Gefahren. Die SPD-Fraktion ist nicht mehr bereit, im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herren der Opposition, über die vereinbarten Fristen und Reststrommengen hinaus die Risi- ken der Atomtechnologie zu akzeptieren. Wir lehnen den Einsatz von MOX- Brennelementen und somit den Einstieg in die Plutoniumwirtschaft in Schleswig- Holstein ab.Noch ein Wort zu Ihnen, Herr Kerssenbrock. Hören Sie auf mit der Behauptung, beim Ausstieg aus der Kernenergie muss auf fossile klimaschädliche, ich betone, klima- schädliche, Energieträger zurückgegriffen werden. Das bedeute 150.000 bis 170.000 Tonnen zusätzliche CO2-Fracht allein für Deutschland. Herr Kerssenbrock, bleiben Sie nicht in den 80er Jahren stehen. Blicken Sie nicht in die Vergangenheit, drehen Sie sich um und wagen Sie doch einmal den Blick in die Zukunft. Es ist richtig, die Kohle wird noch lange zu einem Energiemix dazu gehören. Aber bei der Modernisierung der Kraftwerkparks haben wir die Chance auf eine Kohlekraftwerkstechnologie, bei der wir jeglichen CO2-Ausstoß vermeiden können. Mit einem modernen Gas- und Dampf- kraftwerk mit flüssigem CO2-Abzug. Das ist Innovation, das ist eine riesige Chance für unser Land, den technologischen Vorsprung zu halten. Das schafft Arbeitsplätze.Die Klimaschutzziele der Bundesregierung und der beschlossene Ausstieg aus der Kernenergie erfordern in den nächsten Jahrzehnten den Umbau der gegenwärtig be- stehenden in eine strukturell anders geartete Stromversorgung. Regenerative Ener- gien und der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung werden dazu einen wesentlichen Bei- trag leisten. Die aktuellen Gesetze, vor allen Dingen das alte sowie das neue EEG zu ihrer Unterstützung sind dafür eine wesentliche Voraussetzung. Nach Planungen der Stromkonzerne müssen zwischen 2010 und 2020 rund 40.000 Megawatt Kraftwerks- leistung ersetzt werden. Diesen Neubau müssen wir für einen optimalen Energiemix nutzen. Die nächsten Jahre sind das entscheidende Zeitfenster. -3-Auch der Beitrag der Kraft-Wärme-Kopplung sowohl mit modernen konventionellen Heizkraftwerken und Blockheizkraftwerken als auch mittelfristig mit Mikrogasturbinen und Brennstoffzellen muss und wird im neuen Energiemix eine große Rolle spielen. Viele Pilotprojekte in Schleswig-Holstein haben die Effizienz dezentraler Anlagen unter Beweis gestellt. Sei es die Versorgung einiger Häuser oder einer ganzen Siedlung, die Energieagentur hat dokumentiert, dass mittlerweile für alle Anwendungsbedarfe aus- gereifte technische Lösungen angeboten werden. Es geht darum, den Gedanken der dezentralen Versorgungsstrukturen konsequent weiter zu denken. Der Anteil der E- nergieversorgung mit Kraft-Wärme-Kopplung wird und muss sich bis zum Jahr 2020 mehr als verdoppeln.Es geht um die Mobilisierung aller tragfähigen Potenziale rationeller Energieverwen- dungen, es geht um Energiesparen, es geht um die Einführung neuer Instrumente zur Energieeffizienzsteigerung, wie etwa eine entsprechende Verpflichtung der Energieun- ternehmen oder die Einführung von Energiefinanzfonds. Es geht um das technisch nachgewiesene Einsparpotenzial von 40 % des heutigen Energieeinsatzes. Das Im- pulsprogramm der Landesregierung zur wärmetechnischen Gebäudesanierung ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Baufachleute erkennen die Vorteile, Schulungen und Modernisierungshinweise wurden genutzt.Um eine strukturell und ökonomisch attraktive Stromversorgung mit dominierendem Anteil von regenerativen Energien zu erhalten, müssen alle verfügbaren regenerativen Quellen in einem ausgewogenen Mix genutzt und ihre Eigenschaften und Fähigkeiten in geeigneter Weise kombiniert werden. Das betrifft die Windenergie mit deutlichem Schwerpunkt im Norden incl. Offshore-Standorten, die Wasserkraft mit deutschem Schwerpunkt im Süden, Photovoltaik mit nahezu gleichförmiger Verteilung, Biomasse mit starker Konzentration auf ländliche Räume sowie die Geothermie mit Schwerpunkt im Süden - aber nicht nur dort.Die SPD-Fraktion in Schleswig-Holstein denkt nicht nur an den Ausbau der Windener- gie, der Solartechnik und der Biomassenutzung, sondern auch an die Realisierung -4-weiterer Projekte im Bereich der tiefen Geothermie. Es ist keine Utopie, sondern ein realistisches Ziel, dass in etwa zehn Jahren Teile des Kieler Fernwärmenetzes über Erdwärme versorgt werden. Erst gestern haben wir darüber mit Vertretern der Kieler Stadtwerke und Geologen aus dem Landesamt für Natur und Umwelt gesprochen.Von der Landesregierung erwarten wir, dass sie den Prozess der Dezentralisierung der Stromversorgung und des Ausbaus der erneuerbaren Energien weiterhin mitges- taltet. In den turnusmäßigen Energie- und Klimaschutzberichten soll sie uns im Land- tag von den Chancen und Erfolgen bei der Umstrukturierung der Energieversorgung berichten.Fossile und nukleare Energien sind teurer als es die betriebswirtschaftliche Rechnung zeigt. Und sie werden in Zukunft noch teurer werden. Die Kosten erneuerbarer Ener- gien sagen dagegen heute schon die ökologische Wahrheit und können zukünftig in- folge weiteren technischen Fortschritts und wachsender Märkte noch deutlich geringer werden.Wer also auch in Zukunft preisgünstige Energie nutzen will, sollte heute in erneuerbare Energien investieren. Und je effektiver die externen Kosten in das Preiskalkül einbezo- gen werden, desto früher wird eine Umgestaltung der Energieversorgung auch aus ökonomischer Sicht attraktiv. Dazu muss die Energiepolitik entsprechende Vorgaben machen.Erneuerbare Energien haben nachhaltige Vorzüge, denn sie sind unerschöpflich, schonen die Ressourcen unserer Erde, sind umweltfreundlich und risikoarm. Aus die- sem Grunde ist es unverständlich, dass insbesondere die Windenergie vom energie- politischen Sprecher der CDU-Landtagsfraktion vehement bekämpft wird.Die Windkraft ist inzwischen in Nordfriesland Boom-Branche. Mit einem Umsatzvolu- men von geschätzten 790 Mio. € und gut 1.200 Beschäftigten hat die Windkraftbran- che die Vorreiterrolle für die nordfriesische Wirtschaft übernommen. Auf der größten -5-Windenergiemesse der Welt – der Husum Wind – konnte sich jeder erneut von dem enormen ökonomischen Potenzial der Windenergie überzeugen. Mit über 50 % mehr Ausstellern im Verhältnis zur letzten Messe 2001 ist die Dynamik weiterhin ungebro- chen. Gerade das Repowering und die Nutzung der Offshore-Potenziale wird diese Dynamik weiter führen und die Windenergie gemäß dem Ziel des neuen EEG mittel- fristig wirtschaftlich gestalten.Meine Damen und Herren der CDU, warum bauen Sie in Ihrem vorliegenden Antrag neue Hürden auf, z. B. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Seien Sie doch ehrlich und sa- gen Sie, wir sind gegen die Windenergie, wir sind gegen Repowering. Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, folgen Sie dem Ministerpräsidenten des Landes Nie- dersachsen, Christian Wulff, der sagt: „Repowering ist keine Verspargelung der Land- schaft, Repowering wird kommen.“ Schließen Sie sich den Wünschen des Ministerprä- sidenten des Landes Niedersachsen an, denn er wünscht, dass die Energie in Deutschland 2050 zur Hälfte und 2100 dann zu 100 % aus den erneuerbaren Energien erzeugt wird. Die Landesregierung und die SPD-Fraktion sind auf dem richtigen Weg, und wir wer- den diese Wünsche erfüllen.