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12.11.03
11:36 Uhr
SPD

Thomas Rother zu TOP 9+45: Was im öffentlichen Dienst jetzt ansteht, ist in der Privatwirtschaft gang und gäbe

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 12.11.2003 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! aktuell Sperrfrist: Redebeginn Top 9 + 45, Sonderzahlungsgesetz + Sonderzuwendungen für Beamtinnen und Beamte und Verlänge- rung der Lebensarbeitszeit


Thomas Rother:

Was im öffentlichen Dienst jetzt ansteht, ist in der Privatwirtschaft gang und gä- be

Nach einer Diskussion, die seit über einem Jahr geführt wird, kommen wir heute nun zu einem Schluss der Debatte über die Sonderzahlungen für Beamtinnen und Beamte. Angesichts der Heftigkeit der Auseinandersetzung möchte ich zu zehn kleinen Miss- verständnissen Stellung beziehen.

Erstes Missverständnis: Sonderopfer öffentlicher Dienst. – Es stimmt, dass die Be- schäftigten des öffentlichen Dienstes in der Vergangenheit für sie ungünstige Verände- rungen z.B. in Sachen Arbeitszeit hinnehmen mussten. Damit gewöhnt sich der öffent- liche Dienst angesichts der wirtschaftlichen Lage an Situationen, die in der Privatwirt- schaft alle Tage passieren, die aber bei weitem nicht so negative Konsequenzen ha- ben wie dort. Die grundsätzliche Notwendigkeit, dass die Beamten einen Teil ihrer Be- soldungserhöhung bei Weihnachts- und Urlaubsgeld wieder zurückgeben, ist vor dem Hintergrund der Haushaltssituation genauso folgerichtig wie die Nullrunden für Regie- rungsmitglieder und Abgeordnete. Und Mitarbeiter aus dem Landesdienst rauswerfen will ja nur die CDU.

Zweites Missverständnis: Die Regelung sei unsozial im Vergleich zu anderen Ländern. – Falsch – Schleswig-Holstein hat die sozialste aller vorliegenden Regelungen, durch
Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



die Staffelung und durch die relativ hohen Prozentsätze sowie durch den Sonderbetrag für Kinder. Auch die Regelung in Nordrhein-Westfalen, die höhere Prozentsätze bis zur Besoldungsstufe A 8 vorsehen soll, ist noch nicht beschlossen und würde auf Kosten der Versorgungsempfänger und durch geringere Urlaubsgeldzahlungen kompensiert. Und Bundesländer, die erst im nächsten Jahr in die Kürzung der Sonderzahlungen einsteigen, kompensieren dies durch Arbeitszeitverlängerungen wie in Bayern oder Einschnitte bei der Beihilfe wie im Saarland. Der Grundsatz, dass starke Schultern mehr tragen müssen als schwache, bleibt beim Gesetzentwurf der Landesregierung gewahrt.

Drittes Missverständnis: Die Sonderzahlungsregelung führe in die Sozialhilfe. – Der Sozialhilferegelsatz für den Haushaltsvorstand beträgt in Schleswig-Holstein zur Zeit 296 Euro. Hinzu kommen Kosten für Unterkunft und Heizung sowie gelegentliche Sonderbedarfe. Einkommensbeispiele: Situation Besoldung brutto Sozialhilfe A4 alleinstehend, 35 Jahre 1.802,44 Ca. 600,- A4, vh., 2 Kinder, 35 Jahre, Ehefr. z. H. 2.087,48 + Kin- Ca. 1.450,- dergeld 308 + Wohngeld 180 = 2.600,- Und das sind schon die untersten Kategorien. Zulagen für Justizvollzug (oder Polizei, dann ab A 7) kämen hinzu. Trotz Einkommensteuern und privater Krankenversiche- rung würde der Sozialhilfesatz nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel wenn Unterhalts- zahlungen vorliegen, erreicht. Dieses Missverständnis weist zudem auf ein anderes Missverständnis hin, nämlich dass Sozialhilfeempfänger in Saus und Braus leben würden. Aber das klären wir in ei- ner anderen Debatte. -3-



Viertes Missverständnis: Ein Verzicht auf das Weihnachtsgeld für Minister und Staats- sekretäre könnte die alten Sätze für den einfachen und mittleren Dienst finanzieren. – Das ist rein rechnerisch nicht möglich, da man mit 70.000 € nicht 314 T€ bei A 2 bis A 6 oder 5,3 Mio. € von A 7 bis A 9 finanzieren kann. Außerdem sind Neid-Diskussionen nicht hilfreich, auch wenn es sehr putzig ist, dass gerade die FDP so etwas anzettelt.

Fünftes Missverständnis: Der Finanzminister nimmt die Beschlussfassung des Parla- ments vorweg. – Nicht nur der Finanzminister, auch die Kommunen werden sich auf die neuen Weihnachtsgeldsätze rasch einzurichten haben. Es ist klar, dass dazu unser Beschluss heute notwendig ist. Es ist aber auch klar, dass Überzahlungen durch tech- nische Bedingungen zu vermeiden sind. Die Folge wären Rückforderungen dann im Januar. Da mag die Opposition dann Spaß dran haben. Die davon Betroffenen hätten bestimmt keine Freude dabei.

Sechstes Missverständnis: Das neue Gesetz ist nicht befristet. – Das Gesetz hat in § 12 eine Überprüfungsklausel. Bis dahin ist auch klar, ob eine Festbetragsregelung – wie es sie nur in Berlin gibt – dann eine Alternative ist.

Siebtes Missverständnis: Die Lebensarbeitszeit soll verlängert werden. – Den Antrag der CDU in der Drucksache 15/2644 lehnen wir ab, weil wir das nicht wollen. Und ich erkläre hier in aller Form, dass wir uns an alle bestehenden Gesetze halten.

Achtes Missverständnis: Die Gewerkschaften sind im Verfahren ausgebootet worden. – Im Gegenteil, seit einem Jahr laufen die Gespräche mit den Gewerkschaften des öf- fentlichen Dienstes. Im Ergebnis haben wir die vergleichsweise sozialste und höchste Variante bei den Sonderzahlungen und eine Überprüfungsklausel noch dazu. Die Ge- werkschaften waren also ziemlich erfolgreich. Für das von Wolfgang Kubicki herbeige- führte Anhörungskuddelmuddel übernehmen wir allerdings keine Verantwortung. -4-



Neuntes Missverständnis: CDU und FDP haben ihre Liebe zur Gewerkschaftsbewe- gung entdeckt. – Ganz falsch: Nur in der Opposition entdecken beide Parteien ihre Liebe zur Arbeiter- und Beamtenbewegung. Die Vorschläge zum Beispiel zu Tarifver- trags- oder Kündigungsschutzrecht sprechen eine ganz andere Sprache.

Zehntes Missverständnis: Das Sonderzahlungsgesetz fördert die Korruption. – Das ist grober Unfug. Die Beschäftigten des Landes stehen nicht unter Generalverdacht. Sie leisten fleißig und gewissenhaft ihre Arbeit, und dafür danken wir ihnen.

Heide Simonis sagte am 31.10.2002 gegenüber den Lübecker Nachrichten: „Die Frage ist doch: Können wir die, die drin sind im System, immer weiter so besolden wie bis- her? Zum Preis, dass niemand mehr zusätzlich hineinkommt und die öffentlichen In- vestitionen abnehmen. Oder wollen wir durch moderate, zeitlich befristete Nicht- Anpassungen an Besoldungs- und Tarifabschlüsse ein bisschen Freiheit gewinnen?“ Genau diese Fragen beantwortet der uns heute zur Beschlussfassung vorliegende Gesetzestext – ganz ohne Missverständnisse.