Peter Eichstädt zu TOP 34: Ein Antidiskriminierungsgesetz ist überfällig
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 25.09.2003 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! aktuell Sperrfrist: RedebeginnTOP 34 – Zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz des BundesPeter Eichstädt:Ein Antidiskriminierungsgesetz ist überfälligDie Fraktionen von SPD und Bündnis 90/die Grünen haben diesen Bericht beantragt und wollten eigentlich schon zur Juni-Sitzung wissen, wie weit die EU-Richtlinie zur Schaffung eines Antidiskriminierungsgesetzes in bundesdeutsches Recht umgesetzt ist. Ich gebe zu: Ich hatte die Hoffnung , dass durch die zweimalige Verschiebung die- ser Aussprache die Bilanz der Umsetzung auf Bundesebene etwas positiver ausfallen könnte, als die Ministerin dies in ihrem Bericht beschrieben hat. Das ist aber leider nicht der Fall.Das Gesetz befindet sich, wie man so sagt, immer noch in der Beratung, weder der erste, noch die beiden folgenden Teile sind umgesetzt. Und das ist wirklich nicht gut so. Auch wenn Deutschland bei der Umsetzung leider in schlechter Gesellschaft mit vielen anderen europäischen Ländern ist, kann das kein Grund sein, diese überfällige Gesetzgebung auch bei uns noch weiter zu vertagen.Und auch das Argument, ein großzügiges Aufnehmen von Diskriminierungsta tbestä n- den könne zu einer Klagewelle führen, kann eigentlich nicht ernsthaft akzeptiert we r- den. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Gerade dieses Argument zeigt, dass unsere Gesellschaft immer noch auf einem subtilen Geflecht von Diskriminierungen in unter- schiedlichsten Bereichen aufgebaut ist, dass Freiheit noch lange nicht die Freiheit des anders Denkenden, Lebenden, Liebenden, Ausgestatteten ist. Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/13 07 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-Für meine Fraktion sage ich: Wir wollen, dass alle drei Richtlinien des Europäischen Rates zur Schaffung eines bundesdeutschen Antidiskriminierungsgesetzes möglichst zügig in Bundesdeutsches Recht umgesetzt werden, und zwar mit den Merkmalen • Rasse oder ethnische Herkunft, • Beschäftigung und Beruf und • Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Beruf.Und wir wollen, dass dieses Gesetz auch ein ausdrückliches Benachteiligungsverbot für die Merkmale der sexuellen Identität und Orientierung enthält. Wir haben in unse- rem Berichtsantrag explizit hiernach gefragt. Dies deshalb, weil die Richtlinie 2000/43/EG zwar nicht ausdrücklich vorschreibt, dass auch diese Diskriminierungstat- bestände im Gesetz zu berücksichtigen sind, aber gleichwohl die Möglichkeit öffnet, im Rahmen nationalen Rechts Vorschriften aufzunehmen, die z. B. Diskriminierungen der sexuellen Identität und Orientierung mit erfassen.Die Position meiner Fraktion ist klar: 1. Das ADG muss ein ausdrückliches Benachteiligungsverbot enthalten.2. Es sollte für alle Gruppen gelten, die von Diskriminierung bedroht sind, eben auch für Lesben, Schwule, sexuell anders Orientierte.3. Bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot sollen die Betroffenen A nspruch auf Schadensersatz erhalten.4. Viele verzichten auf die Wahrnehmung ihrer Rechte, weil sie sich einem Gerichts- verfahren nicht gewachsen fühlen. Daher sollte ein Verbandsklagerecht eingebun- den sein. -3-Meine Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass unsere Landesregierung sich in ihrer Ste l- lungnahme dafür ausspricht, möglichst umfassend ein Diskriminierungsve rbot in das Gesetz einzuarbeiten, damit auch ausdrücklich das Merkmal der sexuellen Identität und Orientierung Berücksichtigung findet.Dass das geht – und dass die Besorgnisse, ein zu weit gefasstes Spektrum an Merk- malen, im Besonderen aus dem Bereich der sexuellen Orientierung, könne zu einer Prozesslawine an den Gerichten a nwachsen, nicht zwingend sind – zeigt ein Blick ins Ausland:Als erstes Land in Europa verabschiedete Norwegen bereits 1981 ein Gesetz gegen die Diskriminierung von Homosexuellen. Verboten sind Verunglimpfungen von Perso- nen oder einer Gruppe von Personen aufgrund deren „homosexueller Neigung, Le- bensform oder Orientierung“. Antidiskriminierungsgesetze bestehen auch in Dänemark und Schweden. In Frankreich untersagt ein Gesetz die Diskriminierung von Schwulen und Lesben im Berufs- und Geschäftsleben. In den Niederlanden eröffnet ein Gleich- stellungsgesetz Schwulen und Lesben ebenso wie anderen Minderheiten den Klage- weg gegen Benachteiligungen. A lso: Es geht doch!Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität oder Orientierung sind an der Tagesordnung. Und all diejenigen, die glauben, dass die gesellschaftliche Wirklichkeit und Toleranz sich so weit entwickelt hat, dass besonderer Schutz und Maßnahmen in diesem Bereich nicht mehr erforderlich seien, verkennen die gesell- schaftliche Wirklichkeit.Damit will ich durchaus nicht außer acht lassen, dass es Fortschritte gegeben hat. Lesben und Schwule haben viel an gesellschaftlicher Emanzipation e rreicht. Das ge- sellschaftliche Klima hat sich deutlich verbessert. Immer mehr Lesben und Schwule leben selbstbewusst und offen. Gleiche Rechte sind aber noch nicht d urchgesetzt. Ein Drittel der Deutschen befürwortet repressive Maßnahmen, z. B. Berufsverbote für les- bische Lehrerinnen und schwule Lehrer, über 10 Prozent meinen immer noch, Homo- -4-sexualität gehöre verboten und Schwule sollten kastriert werden. Auch im Alltag erfa h- ren Lesben und Schwule daher Anfeindungen. 80 Prozent der Schwulen berichten nach einer an der Universität München entstandenen Studie, dass sie am Arbeitsplatz bereits wegen ihrer Homosexualität Diskriminierung erfahren haben: Mobbing, Anma- che, Übergehen bei der Beförderung bis hin zu offener Gewalt. Dem setzen wir die Forderung nach einem Antidiskriminierungsgesetz (ADG) und der Aufnahme des Merkmals sexuelle Orientierung entgegen und setzen darauf, dass das e rforderliche auf Bundesebene gemacht wird.Abschließend bleibt die Frage, was mit dem Bericht parlamentarisch geschehen soll: Wir beantragen, ihn zur abschließenden Beratung in den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen.