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25.09.03
12:09 Uhr
SPD

Thomas Rother zu TOP 10 + 38: Das öffentliche Dienstrecht muss weiter reformiert werden

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 25.09.2003 Landtag Es gilt das gesprochene Wort!
aktuell Sperrfrist: Redebeginn

TOP 10 + TOP 38 – Gesetz zur Gewährung jährlicher Sonderzahlungen + Bericht zur Zukunft des öf- fentlichen Dienstes

Thomas Rother:

Das öffentliche Dienstrecht muss weiter reformiert werden

Ich fange mal mit dem Bericht zur Zukunft des öffentlichen Dienstes an: Die Über- schrift des Berichts führt allerdings etwas in die Irre, denn der öffentliche Dienst hat na- türlich Zukunft, solange es einen Staat und Aufgaben, die dieser Staat zu erledigen hat, gibt. Daran ändert auch die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips oder die Über- tragung von öffentlichen Aufgaben auf Private nichts. Es werden immer Kernbereiche staatlichen Handelns bleiben. Für ein soziales Gemeinwesen sind die Dienstleistungen des öffentlichen Sektors unverzichtbar.

Der öffentliche Dienst muss, besser gesagt, „zukunftsfähiger“ we rden, zumal er in manchen Bereichen noch nicht einmal zeitgemäß arbeitet. Angesichts der relativen Leere der öffentlichen Kassen muss er effektiver und effizienter arbeiten – das heißt auch, mit weniger Personal mehr Aufgaben zu erledigen, ohne den Anspruch einer bürgernahen Verwaltung zu verlieren. Er muss die Vorurteile „zu teuer, zu ineffizient, zu wenig leistungsorientiert“ beseitigen und beiseitigen können und dürfen. Die Ver- waltung muss insgesamt modernisiert werden - keine Frage.

Der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Fritz Behrens, hat den öffentli- chen Dienst in einem Aufsatz kürzlich treffend mit einem Haus verglichen, welches e- Schleswig- benfalls in regelmäßigen Abständen einer Renovierung und Anpassung an zeitgemä- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/13 07 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



ße Erfordernisse bedarf. Er beschreibt die Situation nach der Auswertung der Ergeb- nisse der Regierungskommission zur Zukunft des öffentlichen Dienstes wie folgt: „Nicht der Abriss des Hauses steht an, sondern dessen umfassende Renovierung. Noch kann sie gesteuert und planvoll durchgeführt werden – man sollte nicht solange warten, bis das Haus baufällig ist und die äußeren Handlungszwänge in Folge so groß sind, dass keine Gestaltungsspielräume mehr bestehen.“

Diese Situation ist auch auf Schleswig-Holstein übertragbar. Bei den notwendigen Re- novierungsarbeiten ist das öffentliche Dienstrecht – und um das geht es hier im we- sentlichen – einzubeziehen, damit das Gebäude keine statischen Probleme bekommt. Auch die angestrebte Reform des Föderalismus sollte als Thema die Reform des ö f- fentlichen Dienstrechts aufnehmen – sonst bliebe eine Strukturveränderung nur halber Kram.

Eine Modernisierung des Dienstrechts, nicht nur des Beamte nrechts, ist also aus meh- reren Gründen notwendig und folgerichtig. Daraus ergeben sich vor a llem die The- menbereiche Bezahlung, Leistungsgerechtigkeit, Aufstieg, Alterssicherung und Krankenversicherung.

Zu allen diesen Punkten hat die Bull-Kommission Vorschläge erarbeitet. Diese Punkte sind zum Teil in Schleswig-Holstein scho n umgesetzt – von der Verwa ltungsmoderni- sierung bis zur Bundesratsinitiative aus dem Jahr 1996 zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Und Bundesgleichschritt ist notwendig. Das Beispiel der LehrerInnen-Bezahlung in unserem Land hat das deutlich gemacht. Nur in nachgeordneten Bereichen, wie beispielweise bei den Sonderzahlungen, kann das ohne Grundgesetzänderung funktionieren; schon bei der Grundbesoldung fängt es an zu haken. Für eine Änderung des Grundgesetzes zur Änderung des Beamten- -3-



Rechtsverhältnisses ist bekanntermaßen ein parteiübergreifender Konsens erforder- lich.

Herr Kayenburg hat ja in der Haushaltsdebatte vor vier Wochen von der „Zukunft, die Vergangenheit sei,“ gesprochen. Wenn man Ihre Formulierung, Herr Kayenburg, auf das öffentliche Dienstrecht überträgt, wird man feststellen, dass das Beamtenrechts- verhältnis in der herkömmlichen Form weitgehend Vergangenheit ist und tatsächlich nur in Teilbereichen noch eine Zukunft hat. Es reicht, wenn im Sinne der Rechtspre- chung des europäischen Gerichtshofes Funktionen im Diplomatischen Dienst, bei der Finanz- und Zollverwaltung, bei innerer und äußerer Sicherheit einschließlich Katast- rophenschutz und Feuerwehr, Justiz sowie Leitungsfunktionen in obersten Bundes- und Landesbehörden von Beamten wahrgenommen werden. Die Opposition sollte den grundlegenden Reformbedarf anerkennen. In Nordrhein- Westfalen reden Regierung und Opposition gemeinsam darüber.

Wir haben vor vier Wochen auch über das Thema Bürgerversicherung gesprochen. Aus unserer Sicht ein guter Grundgedanke. Es darf nicht weiter möglich sein, dass sich bestimmte Personengruppen aus der gesamtgesellschaftlichen sozialen Solidari- tät verabschieden oder verabschieden müssen. Für die Masse der Beamtinnen und Beamten gibt es keinen Grund, sich weiter außerhalb der allgemein geltenden arbeits- rechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen, tarifvertragsrechtlichen und mitbestim- mungsrechtlichen Vorschriften zu stellen.

Schleswig-Holstein hat das – wie schon gesagt – seit langem erkannt, wie viele Initiati- ven in Richtung Bund zeigen; der Deutsche Städtetag äußert sich in die gleiche Rich- tung. Seit den 70er Jahren wird diese Diskussion schon geführt. Nach der Eiszeit der Kohl-Jahre wird sie hoffentlich bald zu einem guten Ende gebracht. Und es müsste doch für die Opposition ein reizvolles Angebot sein, gemeinsam mit uns die Bundesre- gierung in dieser Frage etwas auf Trab zu bringen. -4-



Der Finanzminister hat im Rahmen der Haushaltsdebatte im September schon auf die beabsichtigte Neuregelung zur Altersteilzeit für Beamte hingewiesen. Also Änderungen des Landesbeamtengesetzes sind in der Pipeline. Daher sollten wir diesen Bericht auch zur abschließenden Beratung in den Innen- und Rechtsausschuss überweisen, um dann dort das Gesamtpaket öffentlicher Dienst zu beraten.

Das passt dort auch gut zu den Themen Verwaltungsstrukturreform und Funktionalre- form. Denn die Wirksamkeit dieser Vorhaben hängt natürlich auch davon ab, dass sie von motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die unter zeitgemäßen Bedingungen arbeiten können und die nach einem leistungsgerechten Entgeltsystem entlohnt wer- den, umgesetzt werden. Ein Verpuffen dieser Maßnahmen können wir uns nicht erla u- ben.

Erinnern wir uns: In den Lübecker Nachrichten vom 31. Oktober 2002 wurde die Minis- terpräsidentin in einem Interview über die Öffnungskla useln beim Besoldungsrecht für Beamte befragt. Sie berichtete aus einer Arbeitsgruppe der Ministerpräsidentenkonfe- renz, die sich einen Tag zuvor mit einem entspreche nden Gesetzentwurf des Landes Berlin befasst hatte. Heide Simonis dazu weiter wörtlich: „Die Frage ist doch: Können wir die, die drin sind im System, immer weiter so besolden wie bisher? Zum Preis, dass niemand mehr zusätzlich hineinkommt und die öffentlichen Investitionen abne h- men. Oder wollen wir durch moderate, zeitlich befristete Nicht-Anpassungen an Besol- dungs- und Tarifabschlüsse ein bisschen Freiheit gewinnen?“ Genau diese Fragen – und es sind genau die richtigen Fragen - beantwortet der uns heute zur Beratung vorliegende Gesetzentwurf zu den Sonderzahlungen.

Erinnern wir uns weiter: Es folgte vor dem Hintergrund von Tarifverhandlungen im öf- fentlichen Dienst und der Diätendiskussion im eigenen Lande im November 2002 eine Landtagsdebatte, in der SSW, FDP und CDU Öffnungsklauseln im Besoldungsrecht durch entsprechende Anträge ablehnen lassen wollten. Begleitet wurde die Landtags- sitzung von Demonstrationen der Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes. GdP- Chef Konrad Freiberg sprach von „Arbeitssklaven im öffentlichen Dienst“ und DGB- -5-



Landesbezirkschef Peter Deutschland gar davon, „die wollen den öffentlichen Dienst hungern lassen“. Das war fast unfreiwillig komisch. Die Demonstration gestern war dagegen fast ein Akt der Freundlichkeit.

Mittlerweile wurde der Vorschlag für eine Nichtübernahme der Tarifabschlüsse im Öf- fentlichen Dienst in Bezug auf das Grundgehalt der Beamten fallen gelassen. Da gibt’s verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf das Alimentationsprinzip. Allerdings wäre diese Maßnahme den Beschäftigten wohl leichter vermittelbar gewesen.

Zwischendrin hatten wir hier im Landtag auch noch einen CDU-Antrag zur Abwicklung der Sonderzahlungen und zur Lebensarbeitszeit, der sich zur Zeit in schriftlichen A n- hörungsverfahren durch den Innen- und Rechtsausschuss befindet. Er wird sich im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens für dieses Gesetz wohl erledigen.

Nunmehr liegen nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern auch in anderen Bundeslä n- dern Sonderzahlungsgesetze oder -gesetzentwürfe vor. Manche Bundesländer satteln dabei auch noch drauf und haben die Arbeitszeit über 40 Stunden hinaus verlängert oder kassieren beim Weihnachtsgeld das schon gezahlte Urlaubsgeld gleich wieder ein. Und es ist höchstens eine „50-Euro-Frage“, nach der Zusammensetzung dieser Landesregierungen zu fragen. Und nein, nicht in allen 16 Bundesländern regiert die SPD, auch wenn das natürlich schön wäre. In dieser Sache sitzen SPD, CDU und FDP schon in einem Boot.

Nur Wolfgang Kubicki und Klaus Schlie halten eine Insel glückseligen Beamte ntums für möglich. Ihre beiden Pressemitteilungen vom 09. September lassen den Schluss zu, dass, wenn man nur ordentlich gewirtschaftet hätte, man nicht an Weihnachts- und Urlaubsgeld zu rütteln bräuchte. Sie wollen uns ernsthaft weismachen, eine FDP/CDU- geführte Landesregierung hätte von der Öffnungsklausel keinen Gebrauch gemacht? Lächerlich! -6-



Gestern haben Herr Kubicki und Frau Schwalm die alten Pressemitteilungen noch mal herausgegeben. Und Herr Kubicki hat, rechnerisch interessant, behauptet, dass selbst dem kleinsten Beamten sein Weihnachtsgeld um ein Drittel gekürzt werde. Zur Info r- mation: Im Bereich A 2 bis A 6 beträgt der Rückgang 16,31%, das ist nicht ganz ein Drittel.

Ich hoffe Herr Schlie, Frau Schwalm und Herr Kubicki, Sie schicken diese Pressemitte- lungen auch an Ihre Parteifreunde in den Bundesländern, in denen diese regieren und weitaus einschneidendere Gesetze vorgelegt haben. Und Sie schicken sie auch an Ih- re Kolleginnen und Kollegen in den Kommunen, die sich über die Reduzierung der Personalausgaben sicher freuen, während Sie hier Krokodilstränen vergießen. Aber eigentlich können wir uns für Ihre Stellungnahmen nur bedanken, denn sie machen deutlich, dass Sie gar nicht dazu in der Lage sind, Verantwortung für dieses Land zu übernehmen.

Sie scheinen noch immer nicht kapiert zu haben, in welcher schwierigen Lage die öf- fentlichen Haushalte sind und wie sich die Wirtschaftsdaten weltweit entwickelt haben. Aus Ihren Pressemitteilungen ist auch nicht zu ersehen, dass der Messias des Auf- schwungs gerade bei CDU oder FDP in Schleswig-Holstein tätig ist. Sie wollen ganz einfach alle Interessengruppen mit Liebesdiensten ve rsorgen und vergessen dabei das Bezahlen. Einen Haushalt saniert man nicht mit Hand auflegen, sondern mit Hand an- legen!

Somit ist und bleibt es logisch, dass die Beamten einen Teil ihrer Besoldungserhöhung beim Weihnachtsgeld wieder zurückgeben, genauso wie die Nullrunde für Regie- rungsmitglieder oder die Nullrunde für Abgeordnete folgerichtig ist. Ich meine, dass die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst das verstehen, auch wenn der Verzicht sie natürlich schmerzen wird.

Wir stehen zum öffentlichen Dienst und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie verrichten Tätigkeiten, die unverzichtbar und oftmals auch unangenehm sind. Sie ar- -7-



beiten fleißig und gewissenhaft – wie andere Arbeitnehmer auch – dafür unser Dank und unsere Anerkennung!

Der Gesetzentwurf ist gut, weil er wie kein anderer die Forderung nach sozialer Diffe- renzierung aufnimmt. Starke Schultern können und müssen mehr tragen! Eine größere Nähe zu den Regelungen unserer Nachbarbundesländer wäre jedoch wünschenswert gewesen. Die Aufnahme einer Überprüfungsklausel in § 12 macht deutlich, dass das Gesetz kein böser Tiefschlag gegen das Beamtentum an sich ist, sondern aus der finanziellen Si- tuation heraus geboren ist.

Der öffentliche Dienst muss sich an Situationen gewöhnen, die in der Privatwirtschaft alle Tage passieren, die aber bei weitem nicht die negativen Konseque nzen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben wie dort.

Mit dem Sonderzahlungsgesetz sind wir nun genau an dem Punkt, an dem Heide Si- monis schon vor einem Jahr gewesen ist. Und die entsprechenden Tarifverträge für Arbeiter und Angestellte sind auch schon gekündigt. Nach all’ der Aufregung ist das zwar eine unangenehme, aber auch notwendige und solide Arbeit. Und ich finde es gut, dass mit der baldigen zweiten Lesung des Gesetzes dieses Thema endlich zu ei- nem Abschluss gebracht wird.

Unabhängig davon bleibt es weiter notwendig, das öffentliche Dienstrecht zu moderni- sieren und zu reformieren, damit die Diskussion um die Zukunft des öffentlichen Diens- tes nicht zu einem „Schrecken o hne Ende“ wird für Politik, Mitarbeiter und die Kund- schaft, die Bürgerinnen und Bürger nämlich.