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27.08.03
12:02 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zum Haushalt 2004/2005

Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 4 und 37 – Haushalt 2004 und 2005 Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel und Finanzplan Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Dazu sagt der Fraktionsvorsitzende Mobil: 0172/541 83 53 von Bündnis 90/Die Grünen, E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene-landtag-sh.de Karl-Martin Hentschel: Nr. 208.03 / 27.08.2003


Die Landesregierung hat in schwierigen Zeiten Handlungsfähigkeit bewiesen!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
wir befinden uns in einer außergewöhnlichen Situation – in diesem Jahr werden die Ein- nahmen voraussichtlich erheblich wegbrechen. Und zugleich steigen durch die wachsen- de Arbeitslosigkeit die Sozialausgaben wie Sozialhilfe und Wohngeld. Das wird mit Si- cherheit noch mal zu einer erheblichen Steigerung der Neuverschuldung führen.
Das sind Fakten, die auch die Opposition nicht wegdiskutieren kann.
Die Landesregierung hat sich in dieser Situation entschieden, nicht prozyklisch zu reagie- ren. Das scheint mir vernünftig, denn wir wollen nicht dazu beitragen, die Konjunktur ab- zuwürgen, sondern im Gegenteil Wachstumssignale setzen. Um so erfreulicher ist es, dass es der Regierung gelungen ist, einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen.
Das gelang, obwohl die Investitionen nicht runtergefahren werden, sondern sogar mit dem Zukunftsinvestitionsprogramm ein zusätzlicher Wachstumsimpuls vorgeschlagen wird.
Das gelang, obwohl in dem strategisch wichtigsten Bereich, der Bildung, Schwerpunkte gesetzt werden, die natürlich auch etwas kosten – und zwar sowohl für die Schulen wie auch für die Hochschulen. Das war nur möglich, weil es sich wiederum um einen radikalen Sparhaushalt handelt. Gleichzeitig aber werden die Weichen gestellt für erforderliche Strukturmaßnahmen, um zu einer mittelfristigen Senkung der Personalkosten und Verwaltungskosten zu kommen.
Ich erinnere mich an dieser Stelle gerne an das erfreuliche Angebot des CDU- Vorsitzenden und des CDU-Fraktionsvorsitzenden vom Oktober letzten Jahres. Sie ha- ben versprochen den Konsolidierungskurs konstruktiv mitzubegleiten. Auf dieses Ange- bot werde ich nachher noch mal gerne zurückkommen. Und ich hoffe, sie werden sich werden sich auch in den kommenden Monaten daran erinnern, wenn die Interessen- gruppen im Lande ihre Forderungen aufstellen und vor dem Landeshaus demonstrieren.


Das Landwirtschaftsministerium wurde aufgelöst. Jetzt gibt es ein einheitliches Verbrau- cherschutzministerium und das Umwelt- und das Landwirtschaftsministeriums sind zusammengelegt. Ich bedanke mich hier für die Unterstützung des CDU-Vorsitzenden, der Letzteres vergangenes Jahr gefordert hat.
Der vorgelegte Haushalt macht deutlich, dass diese Entscheidung sinnvoll war. Dem Umweltminister ist es Dank der Umweltabgaben durch eine Umschichtung der Mittel hin zu einer artgerechten und umweltverträglichen Landwirtschaft und durch Nutzung der neuen Möglichkeiten der EU-Landwirtschaftspolitik wie der Modulation gelungen, zusätz- liche EU-Mittel und GA-Mittel zu binden.
Das nützt der Landwirtschaft. Das nützt auch der Umwelt – wenn die Landwirtschaft stär- ker auf nachhaltige Bewirtschaftungsarten setzt. Und es nützt dem Land. Denn die intak- te Natur ist nicht nur ein Wert an sich: Sie bedeutet Lebensqualität für die Menschen, sie ist ein wichtiger weicher Wirtschaftsfaktor, wie der Jahresbericht des Wirtschaftsministers deutlich macht, und sie ist ein zentraler Faktor für unseren wichtigsten Devisenbringer, den Tourismus.
Durch eine Anhebung der Grundwasserentnahmeabgabe (GRUWAG) wird es darüber hinaus möglich, trotz sinkender Landeszuschüsse wieder die Neuwaldbildung zu fördern. Ich bedanke mich hier für die Unterstützung durch die Kreistage von Nordfriesland und Rendsburg-Eckernförde, die mit den Stimmen der CDU-Mehrheiten die „Forstförderung durch GRUWAG“. gefordert haben, die der Umweltminister jetzt umsetzt.
Die Erhöhung der GRUWAG um durchschnittlich 2,60 Euro pro Person im Jahr ist mode- rat. Sie ist auch vertretbar, weil Schleswig-Holstein durch seine intakte Natur die nied- rigsten Wasserpreise im Bundesgebiet hat.
Mittelfristig werden Maßnahmen wie Förderung von artgerechten Ställen, das Biomasse- programm und der Bau von Biogasanlagen sowie die Forstförderung sogar zu einer gu- ten Grundwasserqualität beitragen können. Denn bei einem Sinken der Bodenbelastung bleibt ein überdurchschnittlicher Zugriff auf preiswertes Grundwasser möglich. Das ist ein Beispiel dafür, dass vorsorgende Umweltpolitik sich letztlich auch für die VerbraucherInnen und die Wirtschaft rentiert.


Im Zentrum dieses Haushaltes steht die Bildungspolitik. Dies entspricht meiner Überzeu- gung: Denn Bildung ist die wichtigste Investition in die Zukunft unseres Landes.
Sowohl im Jahre 2004 wie auch im Jahre 2005 werden wie versprochen jeweils 200 neue Lehrerstellen geschaffen. Zusätzlich werden in den beiden Jahren zusätzlich 20 Millionen Euro für das Programm gegen Unterrichtsausfall bereitgestellt. Die Hochschu- len bekommen mit dem Hochschulvertrag Finanzsicherheit für die kommenden fünf Jah- re.
Aber das reicht nicht aus. Die PISA-Studie hat uns gelehrt, dass die Qualität eines Bil- dungssystems nur sehr begrenzt von den Bildungsausgaben abhängt. Deswegen hat die Regierung mit Unterstützung der Regierungsfraktionen eine ganze Palette von Struktur- maßnahmen auf den Weg gebracht.
Dazu zählt die Ausweitung der betreuten Grundschulen auf über die Hälfte aller Grund- schulen. Dazu gehört die Einführung der verlässlichen Halbtagsschule am Hamburger Rand und im kommenden Jahr in den kreisfreien Städten. Dazu gehört das Programm für Ganztagsangebote, das gut angenommen wird, und das durch das Investitionspro- gramm der Bundesregierung einen weiteren Schub bekommt.
Dazu gehören die Stärkung der Autonomie der Schulen durch das Programm „Geld statt Stellen“, durch die dezentrale Einstellung von LehrerInnen vor Ort, durch die Umwand- lung der Berufsschulen in autonome Berufsbildungszentren. Dazu gehört die Einführung von Evaluationsmaßnahamen wie der Schultest EVIT und die Vergleichsarbeiten VERA.
Zugleich werden die Ressourcen im Schulsystem verlagert: Etwas größere Kursgrößen in den Oberstufen ermöglichen es, mehr neue LehrerInnen im Elementar- und Primarbe- reich einzusetzen. Damit tun wir das, was PISA fordert: Bessere Förderung für die Klei- nen.
Diese Umstellungen stellen hohe Anforderungen an die Schulen. Meine Fraktion und ich haben uns in zahlreichen Schulbesuchen überzeugen können, mit welchem großen En- gagement in vielen Schulen an der Umsetzung gearbeitet wird.
Deshalb bedanke ich mich bei allen LehrerInnen, die sich im Interesse der Kinder so sehr engagieren und sich eingesetzt haben, um die neuen Herausforderungen zu Beginn des Schuljahres reibungslos zu bewältigen. Ich bedanke mich auch bei allen Landtagsabgeordneten und KommunalpolitikerInnen sowohl der Regierungsparteien wie auch der Opposition, die diese schwierigen Umstellungen konstruktiv begleiten. Aber ich habe kein Verständnis für blindem Populismus, wenn Probleme auftreten. Und erst recht habe ich kein Verständnis, wenn Politik auf dem Rücken von Kindern gemacht wird, wie wir es jetzt im Landkreis Ostholstein erleben.
Man kann über eine Schule unterschiedlicher Meinung sein. Aber es ist nicht in Ordnung, wenn vorsätzlich Billig-Container für die neuen Klassen der Gesamtschule Pansdorf dort aufgestellt werden, wo demnächst die Baumaschinen für den Neubau durchrollen müs- sen. Und wenn dann trotzdem doppelt soviel Eltern ihre Kinder für diese Schule ange- meldet haben, wie Plätze bereitstehen, dann wäre es schön, wenn die CDU diesen El- ternwillen akzeptieren würde.
Ich erinnere mich wohltuend an den letzten Landtagswahlkampf, als Volker Rühe die kla- re Ansage machte, dass der Elternwillen auch von der CDU respektiert wird. Solch ein Machtwort erwarte ich jetzt auch von dem neuen Vorsitzenden.


In der Hochschulpolitik ist dieser Haushalt ein Dokument dafür, dass wir bei der Neuord- nung unserer Hochschulen vorangekommen sind. Die Landesregierung ist entschlossen, die Ergebnisse der Erichsen-Kommission rasch umzusetzen.
Der Fünf-Jahres-Rahmen-Vertrag ist paraphiert. Er gibt den Hochschulen Finanzsicher- heit und Freiheit für Personalmaßnahmen. Im September werden wir im Landtag die Eckpunkte für die Zielvereinbarungen verabschieden. Die Neuorganisation der Uniklinika schreitet voran.
Auch hier bedanke ich mich für die konstruktive Haltung der Oppositionsparteien. Die kri- tische Einmischung bei Einzelentscheidungen ist natürlich ausdrücklich erwünscht, das trägt zur Verbesserung der Ergebnisse bei.
Gerade wenn es um die Schließung oder Verlagerung von Einrichtungen geht, wie bei der Fachhochschule in Eckernförde, ist es gut, wenn noch mal genaue Zahlen evaluiert werden, damit weitreichende Entscheidungen auf einer sicheren Basis getroffen werden.
Aber ich erwarte auch, dass letztlich die Neuordnung der Hochschulen von allen mit ge- tragen wird, denn die Hochschulen brauchen sichere und verlässliche Rahmenbedingun- gen für die kommenden Jahre.


Einer der schwierigsten Punkte auch innerhalb unserer Koalition ist der Finanzierung der Kindertagesstätten. Wir hätten uns gewünscht, dass wir schon jetzt eine dauerhafte Neu- ordnung der Finanzierung im Kita-Gesetz verabschiedet hätten. Dies war leider nicht möglich.
Nun sind wir den Kommunen ein gewaltiges Stück entgegen gekommen und haben ih- nen angeboten, die Kita-Förderung in Höhe von zweimal 60 Millionen Euro in den kom- munalen Finanzausgleich zu geben. Dies setzt allerdings voraus, dass eine Rahmenver- einbarung mit den Kommunen und den Trägern zustande kommt, die die Qualität der Kinderbetreuung sicherstellt, die den Bildungsauftrag der Kitas konkretisiert, die bedarfs- gerechte Öffnungszeiten belohnt und die eine verbindliche Evaluation der Kindertages- stätten gewährleistet.
Wir wissen, dass die Grundlagen für eine erfolgreiche Bildung und Erziehung bereits im Vorschulbereich gelegt werden. Deshalb ist es für uns klar: Wir sind bereit, mehr Flexibili- tät zuzulassen. Wir können uns zum Beispiel vorstellen, dass anstelle der Gruppengrö- ßen ein Schlüssel zwischen Kinderzahl und Zahl der BetreuerInnen vereinbart wird.
Aber wir sind nicht bereit, zuzulassen, dass die Qualität abgesenkt wird. Wenn einzelne PolitikerInnen nun glauben, sie könnten Kosten sparen, in dem sie die Standards absen- ken oder die Erziehung unserer Kinder unausgebildeten Kräften überlassen, dann haben sie die Zeichen der Zeit nicht begriffen.


Im Rahmen der Kabinettsreform wurde das Wirtschaftsministerium durch die Übernahme der Arbeitsmarktpolitik und der Energiewirtschaft gestärkt. Ich freue mich, dass auch die- se Entscheidungen durch die Opposition unterstützt worden sind.
Schleswig-Holstein hat – entgegen den ständigen Unkenrufen von Seiten der Opposition – ausgezeichnete Verkehrsverbindungen. Das mit weitem Abstand wichtigste Verkehrs- mittel für unsere Exportwirtschaft ist das Schiff. Hier ist Schleswig-Holstein mit den leis- tungsfähigen Ostseehäfen Lübeck und Kiel und der Nachbarschaft zu unserem bedeu- tendsten internationalen Hafen Hamburg ausgezeichnet angebunden.
Der Bundesverkehrswegeplan hat dem Ausbau der Nord-Süd-Verbindungen für die Gü- ter-Transitverkehre nach Skandinavien auf Schiene und Straße Vorrang gegeben. Durch die Nachbarschaft zum internationalen Flughafen Hamburg-Airport sind wir ausgezeich- net mit ganz Europa und der Welt verbunden.
Beim Ausbau des Personenverkehrs hat Schleswig-Holstein mit seiner mutigen Aus- schreibungspolitik, mit der Schaffung des einheitlichen Fahrkartensystems für Hamburg und Schleswig-Holstein und dem integralen Taktfahrplan bundesweit Zeichen gesetzt.
Allerdings ist dieser Weg nicht einfach. Der Insolvenzantrag der FLEX und die häufig schwierige Haltung der DB-AG beim Ausbau der Infrastruktur und der Bahnhöfe sind be- kannt. Aber wir werden uns von diesem Weg nicht abbringen lassen.
Durch die endlich erfolgte Änderung des Personenbeförderungsgesetzes sind zehn Milli- onen Euro für den ÖPNV freigeworden. Ich begrüße, dass diese in Gänze dem Ausbau des Schienenverkehrs zu Gute kommen und uns ermöglichen, den Takt auf den Hauptstrecken zu verdichten und so mehr Menschen in die Züge zu holen. Die wichtigsten Kapitel in der Wirtschaftsförderung sind die Förderung der Berufsausbil- dung und die Technologieförderung. Es ist gut, dass durch das Zukunftsinvestitionspro- gramm ZIP gerade in diesen Bereichen zusätzliche Investitionsmittel bereitgestellt wer- den konnten. Dies sind strategische Investitionen, mit denen die Arbeitsplätze der Zu- kunft geschaffen werden.
Als jemand, dem Ökonomie und Ökologie gleichermaßen am Herzen liegt, freue ich mich, dass die Schwerpunkte bei der Wirtschafts- und Technologieförderung insbeson- dere bei Umwelttechnologien, der Förderung der erneuerbaren Energien, der Medizin- technik und den maritimen Technologien liegen.
Diese Schwerpunkte sind kein Zufall. Ich bin der sicheren Überzeugung, dass in Zukunft nur energie- und ressourcensparende und umweltfreundliche Technologien und Produkte eine Chance haben.


Die größten Unsicherheiten dieses Haushaltes liegen beim Sozialministerium. Ange- sichts der komplizierten Verhandlungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen über die zukünftige Gestaltung der Sozialhilfe und der Arbeitsmarktpolitik kann es sich bei ei- nigen Haushaltsansätzen nur um grobe Schätzungen handeln. Das Ministerium hat uns versichert, dass die Ansätze so gewählt sind, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit aus- reichen werden.
Natürlich waren auch in diesem Ministerium an vielen Stellen erhebliche Einsparungen erforderlich, die wir in den Beratungen unserer Fraktion genau prüfen werden.
Gesondert erwähnen möchte ich die Verbraucherzentrale. Sie hat sich mit einem neuen Konzept und der Konzentration auf fünf Beratungsstellen neu positioniert und wird des- halb nach den Kürzungen der letzten Jahre von weiteren Streichungen ausgenommen. Angesichts der Bedeutung des Themas Verbraucherschutz möchte ich dies ausdrücklich unterstützen und gratuliere der Verbraucherzentrale zur erfolgreichen Neupositionierung.


Eine moderne und leistungsfähige Justiz ist die Grundlage unseres Rechtsstaates. Aber sie ist auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, wie uns die Zustände in Osteuropa in den 90er Jahren plastisch vor Augen geführt haben.
Nur durch die konsequente Modernisierung und Automatisierung der Abläufe ist es ge- lungen, Einsparungen zu realisieren und so die wachsenden Kosten teilweise aufzufan- gen.
Ein Beispiel dafür ist die von der Ministerin gegen anfängliche Widerstände des vorigen Finanzministers hartnäckig durchgesetzte Einführung von automatischen Mahnverfahren. Dies führt mittlerweile sogar zu erheblichen zusätzlichen Einnahmen. Erhebliche Investitionen fließen weiterhin in die grundlegende Modernisierung der alten Vollzugsanstalten aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts. Damit werden die Vor- raussetzungen für einen modernen Strafvollzug verbessert und dem Vollzugsziel ent- sprochen, die begrenzten Möglichkeiten des Strafvollzuges möglichst optimal auszu- schöpfen, um dem Gefangenen künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Strafta- ten zu ermöglichen.
Alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um den Resozialisierungsvollzug zu gewährleisten, ist, war und bleibt eine grüne Forderung. Ganz besonders gilt dies für den Jugendstraf- vollzug. Moderne Gebäude, eine gute Ausstattung und gute Ausbildungschancen garan- tieren den Jugendlichen den Weg zurück in die Gesellschaft.
Die drastischen Kürzungen der vergangenen Jahren sind auch an der Jugend-, Frauen- und Familienpolitik nicht vorbeigegangen. So notwendig dies angesichts der dramati- schen Haushaltslage ist, möchte ich doch deutlich machen, dass dies meiner Fraktion erhebliche Sorgen bereitet.
Wir werden uns deshalb bei den Haushaltsberatungen in der Fraktion mit diesem Bereich in besonderer Weise beschäftigen und prüfen, ob und wo Korrekturen erforderlich sind.
Beschäftigen wollen wir uns auch mit einer Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes. Das Land schießt die Leistungen an alleinerziehende Mütter vor, aber nur jeder fünfte unterhaltspflichtige Vater zahlt den Betrag zurück. Der Rückgriff muss konsequenter durchgeführt werden, Unterhaltsvorschuss ist kein Freibrief für die Unterhaltspflichtigen. Ich halte es auch für erforderlich, zu einer Neuregelung über Kosten und die Verteilung der Rückgriffseinnahmen mit den Kommunen zu kommen, damit die Kreise stärkere fi- nanziellen Anreize haben, sich in diesem Bereich mehr zu engagieren.

Schleswig-Holstein hat eine Polizei, mit der sich meine Fraktion voll identifizieren kann. Und das liegt nicht nur an der Farbe der Uniformen. Wer sich um zwanzig Jahre zurück- erinnert, weiß, das diese gute Verhältnis nicht selbstverständlich ist.
Die Arbeit der modernen Polizei umfasst mehr als nur Verbrechensbekämpfung. Nennen möchte ich als Beispiele die Arbeit in kriminalpräventiven Räten in den Kommunen, die Verkehrsberatung an Schulen, die Beteiligung an der Jugendarbeit, Sicherung und De- eskalation bei Demonstrationen und Veranstaltungen und ein vielfältiger Bürgerservice in allen Lebenslagen. Kurz und gut: Schleswig-Holstein kann stolz darauf sein, dass wir ei- ne bürgerfreundliche Polizei haben.
Diese Arbeit ist für die Beamten mit erheblichen Belastungen verbunden. Angesichts der knappen Mittel sind in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen worden, um die Polizei von bürokratischen Aufgaben im Revier, in der Verwaltung und in der Verkehrsregelung zu entlasten. So wurde erreicht, dass mehr PolizistInnen auf der Straße tätig sind. Zugleich wurde die Ausrüstung der Polizei erheblich modernisiert: Durch moderne Lea- singfahrzeuge, durch Handys und durch die Ausstattung mit leichten Schutzwesten. Die Ausstattung der Reviere mit Computeranlagen muss zügig fortgesetzt werden, da dies erheblich Büroarbeit erspart.
Nun soll die geplante Polizeireform 3 eine weitere Hierarchieebene auflösen. Damit ver- bunden ist die geplante Einrichtung von einheitlichen Notrufzentralen. Hier appelliere ich an die Kreise, die sich noch zieren: Das Konzept von fünf Zentralen landesweit für Poli- zei, Feuerwehr, Krankenwagen etc. ist richtig. Angesichts der enormen Kosten, die für den digitalen Funk auf uns zu kommen, müssen wir hier an einem Strang ziehen und Egoismen überwinden.
Probleme bereitet zur Zeit wieder mal der Beförderungsstau. Hunderte von PolizistInnen im gehobenen Dienst sitzen auf sogenannten Relationsstellen, auf die sie sich extra be- worben haben und häufig dafür mit ihrer Familie umgezogen sind – und nun können sie nicht befördert werden. Ich habe den Innenminister gebeten, mir hierzu die Zahlen zu- sammenzustellen, damit wir prüfen können, ob wir hier zumindest punktuell etwas tun können.


Sorgen bereitet uns weiterhin die Integration von MigrantInnen. Die Mittel für Deutsch- kurse für Erwachsene reichen nicht aus. Wenn ein neues Einwanderungsgesetz verab- schiedet wird, was ich hoffe, dann kommen hier Mehrausgaben in Millionenhöhe auf uns zu.
Mag sein, dass einige von ihnen glauben, das sei nicht so wichtig. Ich sehe das anders. Denn die Probleme, die entstehen, wenn es uns nicht gelingt, die EinwanderInnen zu integrieren, sind unser aller gemeinsame Probleme – und die sich multiplizieren, wenn wir nicht handeln. Und für die Integration steht das Erlernen der deutschen Sprache an allererster Stelle.


Schwierig ist auch die Situation im Bereich des Sports. Die Sportvereine leisten in der Jugendarbeit mehr als alle anderen Einrichtungen zusammen. Und dies geschieht zu großen Teilen ehrenamtlich.
Dagegen ist die Landesförderung nur marginal. Deswegen ist es bedauerlich, dass auch in diesem Jahr erneut eine Kürzung um 700.000 Euro vorgenommen werden muss. Ich hoffe, dass es gelingt, im Rahmen der Neuordnung der Verwendung der Lotteriemittel zu einer neuen Lösung zu kommen, die in Zukunft eine sichere Finanzierung der Sportför- derung ermöglicht. Auch die Kommunen sind in den letzten beiden Jahren durch die Steuereinbrüche hart getroffen worden. Und die Auswirkungen der Steuer- und Sozialreformen sind noch nicht absehbar. Die Landesregierung hat sich in dieser Situation ohne wenn und aber auf die Seite der Kommunen gestellt. Das ist nicht selbstverständlich, meine Damen und Herren von der Opposition.
Ich bedaure deshalb um so mehr, dass ein Teil der CDU-geführten Länder die Position des BDI gegen die Position des deutschen Städte- und Gemeindetages unterstützt hat und die CDU-Bundestagsfraktion sogar die völlige Abschaffung der Gewerbesteuer for- dern.
Wir dagegen wollen wie die Kommunen eine Ausweitung der Gewerbesteuer – und zwar nicht nur für kleine Betriebe und freie Berufe, sondern vor allem auch für große Firmen. Deshalb wollen wir die Abschaffung der Organschaft, durch die große Konzerne sich aussuchen dürfen, wo sie die niedrigsten Steuern zahlen und eine Rückkehr zur Besteu- erung am Ort der Produktion, wo die Menschen arbeiten.
Zugleich wollen wir eine Mindestbesteuerung, damit Konzerne, die blendende Gewinne machen, nicht mehr mit gekauften Verlustabschreibungen auf Jahre keine Steuern be- zahlen.


Wer den Kommunen helfen will, muss auch dafür sorgen, dass die Steuerreform zumin- dest teilweise solide gegenfinanziert wird. Gestern noch fordert die CDU Subventionsab- bau, aber wenn es heute konkret wird, fordert sie schnell den Erhalt der Pendlerpauscha- le.
Herr Kayenburg, damit verabschieden Sie sich mal wieder durch die Hintertür bevor Sie das Haus der Reformen überhaupt merkbar betreten haben.
Auch in der Debatte um die Umsetzung der Hartz-Gesetze hat sich das Land Schleswig- Holstein von Anfang an für die Position der Kommunen eingesetzt. Wir wollen, dass die Kommunen nicht von den Arbeitsämtern bei der Arbeitsvermittlung ausgebootet werden können – denn sie haben in der Vergangenheit ausgezeichnete Erfahrungen erworben und viele erfolgreiche Projekte auf die Schiene gesetzt. Dieses Know-How darf nicht ver- loren gehen.
Zugleich darf der Übergang von der Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II nicht zu einer fi- nanziellen Mogelpackung werden, bei der die Kommunen zuzahlen. Deswegen hat sich Schleswig-Holstein so positioniert – und sich entschieden gegen die eigene Bundesre- gierung gestellt. Ich würde mir wirklich wünschen, wenn andere Bundesländer auch so klar agieren würden.
Und ich würde auch gerne wissen, wie die CDU hier im Landtag dazu steht – es wäre doch wirklich ein positives Novum, Herr Kayenburg, wenn Ihre konstruktive Haltung Sie dazu bringen könnte, sich auf die Seite Ihrer schwarzen Kommunalpolitiker zu stellen und die Position der Landesregierung zu unterstützen.


Die berechtigten Forderungen an den Bund ersparen uns nicht, unsere eigenen Aufga- ben zu machen. Wir haben bei den freiwilligen Leistungen und Förderprogrammen seit Jahren zum Teil drastische Kürzungen vorgenommen. Dies müssen wir fortsetzen, ohne das Augenmaß zu verlieren.
Nur in Einzelfällen haben wir bisher Kürzungen bei Leistungsgesetzen vorgenommen. Ich habe den Finanzminister gebeten, eine Aufstellung aller Leistungsgesetze vorzu- nehmen, weil meine Fraktion auch hier systematisch weitere Sparmöglichkeiten prüfen will.
Der größte Block des Landeshaushaltes sind aber die Personalausgaben. Da in den großen Bereiche Bildung, Polizei, Justiz große Einsparungen nicht gewollt sind, geht es vor allem um die Fortsetzung der Strukturreform in den Verwaltungen. Unsere Große An- frage hat deutlich gemacht, wie viel seit unserer großen Initiative zur Verwaltungsreform 1997 bereits passiert ist.
Hier muss ich einen Fehler des Parteivorsitzenden der CDU korrigieren. Er behauptet, dass in Schleswig-Holstein mehr Personal im öffentlichen Dienst beschäftigt ist als in an- deren Bundesländern.
Das ist falsch. Sowohl das Land als auch die Kommunen beschäftigen weniger Personal als fast alle anderen Länder. Seine Zahlen sind falsch, weil sie die Beschäftigten des Bundes einschließlich der Bundeswehr mit einschließen. Und Schleswig-Holstein hat nun mal die größte Bundeswehrdichte von allen Ländern.
Ich hoffe, Herr Kayenburg, sie werden ihren Vorsitzenden auf diesen Irrtum hinweisen, damit er nicht mit falschen Zahlen im Wahlkampf rumrennt.
Ein Projekt, dass Frau Heinold seit Jahren verfolgt, ist die Bildung von gemeinsamen Be- hörden mit Hamburg. Mit der Fusion der Eichverwaltungen, der statistischen Landesäm- ter und der Datenzentralen sind wir auch hier ein Stück vorangekommen.
Als nächsten Schritt prüfen wir, in wie weit Aufgaben der unteren Landesbehörden und der Kreise besser abgestimmt oder sogar zusammengelegt werden können. Dabei geht es um Bereiche wie Straßenbauverwaltung, Umweltverwaltung, Gewerbeaufsicht, Ämter für ländliche Räume, Agrarverwaltung, Katasterveraltung usw..
Es macht aber wenig Sinn, drei bis sechs untere Landesbehörden auf 15 Kreise aufzutei- len. Da diese Behörden häufig sehr spezielle Aufgaben haben, würde dann sogar mehr Personal als heute benötigt werden. Deswegen habe ich vorgeschlagen, die Struktur der Kreise mit zu überprüfen. Wenn wir zugleich die Zahl der Ämter drastisch reduzieren würden, dann könnten die Kreise wiederum viele Aufgaben an die Amtskommunen ab- geben. Damit könnte vieles bürgernaher geschehen.
Ich weiß, dass diese Diskussion bei vielen KommunalpolitikerInnen auf Abwehr stößt. Aber ich bin sicher, dass die Vernunft auch hier siegen wird. Am Ende könnten nicht nur erhebliche Einsparungen, sondern sogar eine Stärkung der Demokratie vor Ort und bes- serer Service für die BürgerInnen dabei rauskommen.


Am 10. Oktober 2002 erklärte der CDU-Vorsitzende Carstensen in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit dem Fraktionsvorsitzenden Kayenburg: „Wir wollen deutlich ma- chen, dass wir ... eine konstruktive Opposition sind, die bereit ist, die Sanierung des Lan- des mitzutragen.“
Dieses Angebot der CDU ist erfreulich. Leider haben sie es während der Haushaltsver- handlungen im vergangenen Jahr noch nicht eingelöst. Anstelle von Sparvorschlägen hat die CDU damals zusätzliche Forderungen in dreistelliger Millionenhöhe aufgestellt. Nun haben Sie erneut eine Chance, die letzte vor der Wahl.
Wir werden sehr genau Ihre Vorschläge und das Verhalten Ihrer Abgeordneten vor Ort beobachten. Sie können jetzt zeigen, ob sie in der Lage sind, konstruktive Alternativen und Einsparvorschläge zu formulieren, oder ob Sie wiederum jeder Wählergruppe im Lande das Blaue vom Himmel versprechen. Ich bin sicher, die BürgerInnen werden Sie an Ihren Vorschlägen und nicht an leeren Versprechungen messen. Hic Rhodos, hic salta!
Die grüne Fraktion wird prüfen, ob es Spielräume für weitere Einsparungen gibt und an welchen Stellen es Korrekturbedarf gibt. Und wir werden wie gewohnt alle vorliegenden Vorschläge unvoreingenommen mit unserem Koalitionspartner beraten.


Die Landesregierung hat ihre Hausaufgaben gemacht:
- Ein radikaler Sparhaushalt in einem Wahljahr; - Ein klarer Schwerpunkt im Bereich Bildung; - Ein Zukunftsinvestitionsprogramm, um auch auf Landesebene einen Beitrag zur Kon- junktur-Belebung zu liefern; - Eine gelungene Zusammenführung von Landwirtschaft und Umwelt.
Die Regierungskoalition hat damit in schwierigen Zeiten ihre Handlungsfähigkeit bewie- sen. Liebe KollegInnen, Sie wissen ja schon, dass ich Haushaltsreden gerne mit einem Zitat schließe. Deshalb will ich heute Max Frisch bemühen, der einmal sagte: „Die Krise ist ein produktiver Zu- stand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“ Ich finde, dass ist der Regierung gelungen.

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