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20.06.03
16:13 Uhr
B 90/Grüne

Detlef Matthiessen: "Europa mit eigener Verfassung auf gutem Wege"

Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 46 – Europäischer Verfassungskonvent Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Dazu sagt der europapolitische Sprecher Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 von Bündnis 90/DIE GRÜNEN, Telefax: 0431/988-1501 Detlef Matthiessen: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene-landtag-sh.de

Nr. 170.03 / 20.06.2003



Europa mit eigener Verfassung auf gutem Wege
Am 13. Juni hat der EU-Verfassungskonvent einen kompletten Entwurf für eine gemeinsame europäische Verfassung vorgelegt. Nach 1 1/2 Jahren ist die Beratung damit zu Ende und man ist zu einem Ergebnis gekommen, mit dem viele nicht gerechnet haben. Man kann es durchaus als historisch bezeichnen.
Der Konvententwurf geht weit über den Nizza-Vertrag hinaus. Das war auch nötig, denn ge- rade die Auswirkungen der Osterweiterung sind im Nizza-Vertrag zu kurz gekommen.
Was beinhaltet der Verfassungsentwurf? Die neue Verfassung wird die EU effizienter ma- chen und das Niveau des Grundrechtsschutzes in der EU erhöhen, denn erstmalig wurden gemeinsame Grundgesetzartikel formuliert. Die Entscheidungen des Apparates EU werden transparenter und durch das vorgeschlagene Bürgerbegehren auch demokratischer.
Meine Partei freut sich besonders, dass es geschafft wurde, Grundrechte niederzuschreiben, die für alle EU Bürger gelten.
Für uns ist besonders wichtig, dass unter dem Begriff „Würde des Menschen“ im Grundge- setzartikel klar gemacht wird, wie weit man in der Gentechnologie gehen darf. In Artikel II-3 Absatz 2 heißt es: „2) Im Rahmen der Medizin und der Biologie muss insbesondere Folgendes beachtet werden (...) b) das Verbot eugenischer Praktiken, insbesondere derjenigen, welche die Selektion von Menschen zum Ziel haben (...) d) das Verbot des reproduktiven Klonens“ Begrüßenswert ist zudem die Aufnahme des Nichtdiskriminierungs-Artikels aus dem Amster- damer Vertrag und des Artikels zur Gleichheit von Frauen und Männern. Der Gleichstellungs- Artikel bezieht sich jetzt nämlich nicht mehr ausschließlich auf Arbeit und Entgelt (wie in Arti- kel 137 und 141 des Amsterdamer Vertrags), sondern fordert endlich auch die „Gleichheit von Männern und Frauen“ in allen Bereichen und lässt ausdrücklich spezifische Vergünsti- gungen zugunsten des unterrepräsentierten Geschlechts zu.
Der Entwurf scheint wesentlich umfangreicher zu sein, als alle bisherigen, was auch an den „Anti-Europa“-Parolen aus dem Alpenvorland liegt. Reinhold Bocklet (CSU), seines Zeichens Europaminister in Bayern, spricht vom „Weg zum Zentralismus Brüsseler Prägung“. Weiter- hin äußert sich Herr Bocklet über die neuen Aufgaben der EU, die sich jetzt auch in den Sport und in den Zivilschutz einmischen und damit in Aufgaben der Deutschen Länder ein- greifen. Ich weiß nicht, was es dort für Ängste gibt.
Vielleicht fürchtet man, dass der „Freistaat“ nun eben nicht mehr „frei“ ist. Am liebsten würde die bayerische Landesregierung wahrscheinlich als eigenständiges Land der EU beitreten (bzw. als eigenständiges Land nicht eintreten). Oder es geht in Bayern die Angst um, dass der FC Bayern nun nicht mehr ausschließlich ein Paradebeispiel bayerischer Sportpolitik der Staatskanzlei ist.
Der Entwurf ist ein großer Schritt in Richtung einer einheitlichen EU Politik. In der Präambel zum Entwurf heißt es: „In der Überzeugung, dass ein nunmehr geeintes Europa auf diesem Weg der Zivilisation, des Fortschritts und des Wohlstands zum Wohl all seiner Bürger, auch der Schwächsten und der Ärmsten, weiter voranschreiten will, dass es ein Kontinent bleiben will, der offen ist für Kultur, Wissen und sozialen Fortschritt, dass es Demokratie und Transparenz als Wesens- züge seines öffentlichen Lebens stärken und auf Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität in der Welt hinwirken wird.“
Allerdings müssen auch wir ehrlich sein: Gerade im Bereich der Energiepolitik bzw. der Atompolitik sind wir nicht zufrieden. Im Hinblick auf den EURATOM Vertrag, heißt es im An- hang des Verfassungsentwurfes: „Die Bestimmungen des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft müs- sen weiterhin ihre volle rechtliche Wirkung entfalten.“
Es bleibt also noch allerhand zu tun in Europa. Für uns ist ganz klar: Ein zukunftsfähiges Eu- ropa braucht erneuerbare Energien und keine Atomkraft. Nur noch eine Minderheit der euro- päischen Länder setzen auf diese Energiequelle. In Europa ist kein neues Atomkraftwerk im Bau, bestellt oder geplant, wenn auch z. B. in Finnland politische Absichten bestehen. Aber – wie man hört – stehen die ökonomischen Randbedingungen offenbar einer Realisierung im Wege.
Atomenergie ist ein im Aussterben befindlicher Dinosaurier, für den die nächsten Generatio- nen keinen Artenschutz betreiben sollten. Unsere Energiepolitik steht auf drei Säulen: • Einsparung • Effizienz • Einstieg in das solare Zeitalter
Aber liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade wir Grünen wissen ja, wie wir kämpfen müssen, um einen Atomausstieg zu erreichen. Wir werden dies natürlich auch auf EU-Ebene weiter tun: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Staaten wie Frankreich verstehen, dass die Risi- ken bei der Atomenergie deutlich zu hoch sind, und dass sie ein Auslaufmodell darstellt - nicht zuletzt aus Gründen der Begrenztheit der Uranvorräte.
Denn, wie es in der Präambel heißt: „In der Gewissheit, dass Europa, „in Vielfalt geeint“, ihnen die besten Möglichkeiten bietet, unter der Wahrung der Rechte des Einzelnen und im Bewusstsein ihrer Verantwortung ge- genüber künftigen Generationen und der Erde dieses große Abenteuer fortzusetzen, das ei- nen Raum eröffnet, in dem sich die Hoffnung der Menschen entfalten kann.“
Europa ist auf einem richtigen und guten Weg - „Freude schöner Götterfunken“.
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