Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
17.06.03
11:58 Uhr
Landtag

Mangelhafte Unterbringung von Flüchtlingen: Landesflüchtlingsbeauftragter empfiehlt den Kommunen Mindeststandards

82/2003 Kiel, 17. Juni 2003



Mangelhafte Unterbringung von Flüchtlingen: Landesflüchtlings- beauftragter empfiehlt den Kommunen Mindeststandards
Kiel (SHL) – Der Beauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungs- fragen des Landes Schleswig-Holstein, Helmut Frenz, hat Mindest- standards für die Unterbringung von Flüchtlingen erarbeitet. Sie wurden den Kreisen und kreisfreien Städten als Empfehlung des Beauftragten vorgelegt.
Zuvor hatte Frenz selbst die aktuelle Situation der Unterbringung von Asylsuchenden vor Ort überprüft. Hintergrund ist, dass in den zurücklie- genden Jahren mehrfach Kritik an der Wohnsituation von Asylbewerbern und Flüchtlingen geübt wurde. „Diese Kritik habe ich zum Anlass ge- nommen, mir selbst ein Bild davon zu machen, unter welchen Bedin- gungen Flüchtlinge bei uns leben müssen.“
Der Mehrzahl der Unterkünfte in Kiel, im Kreis Rendsburg/Eckernförde, im Kreis Nordfriesland, im Kreis Segeberg, im Kreis Plön, in Stormarn und in Ostholstein stattete Frenz einen Besuch ab. Außerdem war er in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Schleswig-Holstein, betrieben vom Landesamt für Ausländerangelegenheiten in Lübeck, wie auch in der zugeordneten Gemeinschaftsunterkunft zu Gast.
Die Besuche waren bei den zuständigen Behörden angemeldet und von diesen auch organisiert, teilweise wurde der Beauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen von Behördenvertreterinnen und Behör- denvertretern des jeweilig beauftragten Betreuungsträgers begleitet. 2


Nicht immer war das, was Helmut Frenz zu sehen bekam, zu seiner Zu- friedenheit:
Einige Gemeinden bringen noch immer Flüchtlinge in Stahlcontainern unter. Diese Stahlcontainer werden häufig lieblos in langer Reihe zu Bat- terien zusammengeschraubt und randständig oder sogar weit ab hinter einem Knick verborgen. Sie werden dort auf einer Freifläche platziert, wo sie offenbar dem allgemeinen Anblick entzogen sein sollen. Frenz stellt dazu fest: „Die Räume in Stahlcontainern sind schlecht iso- liert, oft feucht und bei Belegung mit bis zu vier Personen viel zu eng.“ Auch den Hinweis auf die finanzielle Situation lässt der Flüchtlingsbeauf- tragte nicht gelten. „Es darf nicht am Geld scheitern, immerhin geht es um Menschen, die bei uns Zuflucht suchen“, betont Frenz.
In anderen Kommunen werden die Flüchtlinge an Orten untergebracht, die als so genannte „Asozialengettos“ verrufen sind. Es handelt sich dabei ursprünglich um Schlichtwohnungen für Obdachlose. Wer hier wohnt, ist allein schon durch die Adresse diskriminiert und stigmatisiert. Die Unter- bringung von Flüchtlingen in Obdachlosenunterkünften wird vom Beauf- tragten für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen ebenso kritisch gesehen, wie das Unterbringen in Gemeinschaftsunterkünften sowie in dezentralen Einzelunterkünften. Sie befinden sich oftmals in einer äußerst isolierten Lage, abgeschnitten von sozialen Kontakten und billigen Ein- kaufsmöglichkeiten. Es gibt Unterkünfte, die fünf bis acht Kilometer vom nächsten Ort entfernt sind und nicht über eine ausreichende Anbindung an den ÖPNV verfügen. „Durch diese Art der Unterbringung werden Prob- leme geschaffen, die absolut vermeidbar sind“, betont Frenz.
Auch die Personen, die als Betreuungspersonal eingesetzt werden, sind mitunter ein wenig kritikwürdig. Während seiner Besichtigungstouren hörte Frenz häufig diskriminierende wie auch rassistische Äußerungen aus dem Munde von Hausmeistern, aber auch von anderem Personal.
Der nun vom Flüchtlingsbeauftragten vorgelegte Katalog von Mindest- standards empfiehlt als Konsequenz der festgestellten Defizite: Perso- nen, die allein in einer Wohneinheit leben, sollen 10 m2 Wohnfläche für sich beanspruchen können. Darüber hinaus sollen nicht mehr als vier Personen, die keinem Familienverband angehören, in einer gemeinsa- men Wohneinheit leben müssen.
Auch die Mindestausstattung der Räumlichkeiten gibt der Beauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen vor: In den Sanitäreinrich- tungen sollte mindestens eine Dusche für fünf Personen vorhanden sein. Ebenso sollte für diese Anzahl von Menschen ein Herd zur Verfügung 3


stehen. Nach Ansicht des Beauftragten für Flüchtlings-, Asyl- und Zu- wanderungsfragen sollte zumindest in Gemeinschaftsunterkünften ein separater Raum zur Religionsausübung vorhanden sein. Zudem sollte Kindern ein Kinderspielzimmer und Spielgeräte im Freien angeboten werden.
Der Flüchtlingsbeauftragte fordert, dass die Gemeinschaftsunterkünfte hinreichend zentral am Ort gelegen sein müssen, d.h. es muss eine aus- reichende Fläche Infrastruktur vorhanden sein. Fußläufig sollten in ei- nem Umkreis von höchstens 2 km sowohl Mediziner wie auch Apothe- ken und Geschäfte, die den Grundbedarf decken, vorhanden sein. „Abschließend wünsche ich mir eine Sensibilisierung und Fortbildung der Mitarbeiter, die Asylbewerberinnen und Asylbewerber betreuen“, so Frenz.


Hintergrund: Asylbegehrende im Land Schleswig-Holstein werden, nachdem sie bis zu zehn Monaten in den Landesunterkünften leben müssen, nach einem vorgegebenen Schlüssel auf die Kreise und kreisfreien Städte verteilt. Dort besteht die Möglichkeit, die Flüchtlinge entweder dezentral oder auch in von der Landesregierung anerkannten Gemeinschaftsunterkünf- ten unterzubringen. Die von den kommunalen Gebietskörperschaften betriebenen nicht anerkannten Gemeinschaftsunterkünfte und dezentra- len Unterkünfte unterliegen keinen rechtlich verbindlichen Vorgaben des Landes hinsichtlich der Mindeststandards. Anerkannte Gemeinschafts- unterkünfte unterliegen nur minimalen Vorgaben.