Konrad Nabel zu TOP 27: Verkehr und Landwirtschaft bleiben Hauptquelle von Belastungen
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 08.05.2003 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! aktuell Sperrfrist: RedebeginnTOP 27 – Umweltzustandsbericht für Schleswig-HolsteinKonrad Nabel:Verkehr und Landwirtschaft bleiben Hauptquelle von BelastungenSchleswig-Holstein ist eines der kleineren Länder innerhalb Deutschlands, eine kleine europäische Region, ein winziger Fleck auf der Weltkarte, das dort nur wegen seiner herausragenden Lage zwischen Nord- und Ostsee zu identifizieren ist. Dennoch ist unser Land nicht nur für uns wichtig, es spielt eine globale Rolle.Im Rahmen der Vorsorge für unsere Natur, unsere Bürgerinnen und Bürger, innerhalb der Umsetzung der Agenda21, von NATURA 2000, im Zuge der Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie und um unser Land für uns und kommende Generationen zu- kunftsfähig zu machen, muss der Zustand unserer Umwelt geschützt, erhalten und verbessert werden.Schleswig-Holsteins unterschiedliche Naturräume vom Wattenmeer über die weiten Ebenen der Marsch und die Geest bis zum Hügelland im Osten, unsere vielfältigen Landschaften, unsere Wälder, Moore, Weidelandschaften, Heiden und Feuchtwiesen, Förden und Kliffs, unsere Flüsse und Seen, Knicks und Auenlandschaften, unsere Flo- ra und Fauna, unser Wasser, die Luft und der Boden - die so wichtig sind für eine un- serer Haupteinnahmequellen, den Tourismus - sind in einem vergleichsweise guten Zustand. All dies zeigt: Schleswig-Holstein, seine Umwelt und Natur, seine Menschen sind bei Rot-Grün in guten Händen. Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie von der CDU - namentlich Frau Todsen- Reese - immer wieder Berichtsanträge stellen, die neben einer ordentlichen Abarbei- tung Ihres Fragenkataloges jedes Mal eines deutlich machen: Wir sind besser als Sie, wir machen unsere Arbeit im Umweltbereich gut für unser Land. Ob es der Bericht ü- ber die Biodiversität, Ihr misslungenes Naturschutzgesetz oder der heute zu diskutie- rende Bericht ist: Sie stellen nur die Fragen, wir haben die Antworten!Wir haben seit der Einrichtung eines ersten eigenständigen Umweltministeriums unser Land aus der umweltpolitischen Steinzeit in die Moderne geführt. Wir hatten die richti- gen Ziele, die kompetenten Leute dazu und das nötige Engagement und Durchset- zungsvermögen. Nehmen Sie als ein Beispiel neben vielen den Ausbau und die Er- neuerung der Klärtechnik in Schleswig-Holstein seit 1988. Ich bin im ländlichen Ostwestfalen aufgewachsen, und als ich nach Schleswig-Holstein kam, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es in so vielen Gemeinden in der Fläche des Landes keine anständige Klärtechnik gab. In einem beispiellosen Kraftakt hat die Re- gierung Engholm, hat Prof. Dr. Berndt Heydemann begonnen, diesen Teil der dörfli- chen Infrastrukturen in Stand zu setzen. Gleichzeitig wurden die Kläranlagen in den größeren Städten mit massiven Finanzspritzen des Landes modernisiert, so dass wir heute zu den Spitzenreitern zählen. Ohne diese Anstrengungen hätte es keine Ausweitung des Tourismus, keine Gewerbeansiedlungen außerhalb der Ballungszentren geben können, wie es in den letzten 15 Jahren geschehen ist. Dies waren Maßnahmen, die unser Land zukunftsfähig gemacht haben. Die damals eingeleiteten und heute weitgehend abgeschlossenen Maßnahmen und die daraus abgeleiteten Folgen sind auch Beleg dafür, dass seither die rein sektorale Betrachtung der Umwelt vorbei ist. Unsere ständig weiter entwickelten Umweltgesetze und zahlreiche Programme zeigen auf, dass es bei uns einen umfassenden, einen integrierenden Ansatz der Umweltpoli- tik gibt, der leider bis heute von einigen im Land nicht verstanden werden will.Der vorliegende Bericht stellt in elf inhaltlichen Themenfeldern, jeweils bezogen auf die Umweltmedien und einige Schwerpunktfelder auf der Grundlage einer Zustandsbe- -3-schreibung die jeweilige umweltmediale bzw. thematische Entwicklung dar und bewer- tet sie. Dem folgen Aussagen über Maßnahmen und Umsetzungsstrategien. Zeitlich schließt die Darstellung an den letzten veröffentlichten "Bericht zur Lage von Natur und Umwelt in Schleswig-Holstein" von 1995 an und umfasst die seitdem erhobenen Daten und gewonnenen Erkenntnisse. Als Haupttool für die Datenerfassung diente das Na- tur- und Umweltinformationssystem Schleswig-Holstein (NUIS-SH).Seit dem 06.03.03 kann die Öffentlichkeit übrigens im Internet unter www.umweltbericht-sh.de oder über das infoNet-Umwelt auf einen großen Teil der Da- ten zugreifen. Lassen Sie mich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es sich hierbei um eine überaus sorgfältige und stets aktuell gehaltene interaktive Dokumentation des Zustands der Umwelt in Schleswig-Holstein handelt, die ihresgleichen sucht. Hiermit wurde durch das Ministerium ein weiterer Umsetzungsschritt im Rahmen der schon gestern hier diskutierten Konvention von Aarhus handelt.Bereits in der Einleitung des Umweltzustandsberichts wird Handlungsbedarf auf eini- gen Feldern deutlich. So ist gegen den Trend des Rückgangs anderer verkehrs- und landwirtschaftsbedingter Schadstoffe bei Stickstoffdioxid in den vergangenen Jahren keine abnehmende Tendenz zu erkennen. Landesweit ist die Grundbelastung der Luft durch Schadstoffe wie Schwefeldioxid, Stickstoffmonoxid, Stickstoffdioxid und Schwebstaub einheitlich gering. Bei Schwefeldioxid etwa ist seit 1979 eine erhebliche Abnahme feststellbar. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse ist die Luftbelastung in Schleswig-Holstein wesentlich durch verkehrsbedingte Schadstoffe geprägt. Die EU- Richtlinien zur Luftqualität verpflichten die Mitgliedstaaten, die Einhaltung der Grenz- werte sicherzustellen.Gesundheitlich unbedenkliche Grenzwerte sind aufgrund kumulativer Wirkungen ver- schiedener Schadstoffe selten eindeutig zu ermitteln. Umso mehr begrüßen wir den Übergang zu so genannten "Luftqualitätszielen". Grenzwerte können damit nicht mehr als Erlaubnisschwelle interpretiert werden, an die sich die Belastungssituation an- -4-schmiegen sollte. Nun gelten dynamische Ziele (mit Toleranzmargen), die in einer festgelegten Übergangszeit erreicht werden müssen.Auch im Bereich des Bodenschutzes ist noch viel zu tun. Das nach jahrelanger Verzö- gerung durch Schwarz-Gelb in Bonn und Berlin seit kurzem vorliegende neue Boden- schutzgesetz des Bundes ist noch nicht ausreichend auf Vorsorge ausgelegt. Hier be- steht weiter Handlungsbedarf. Durch die intensive landwirtschaftliche Bodennutzung wird die Gefahr der Nitratverlagerung immer stärker. Belastende Nitratgehalte liegen bereits auf fast einem Fünftel der landwirtschaftlich genutzten Flächen in Schleswig- Holstein vor. In Siedlungsgebieten werden insbesondere infolge von Bautätigkeiten Bodenverdichtungen verursacht. Hier kann die Versiegelung von Böden zudem zu ei- nem völligen Verlust der Bodenfunktionen führen. Der Reduzierung des Nitrateintrags, des Flächenverbrauchs, aber auch der Verdich- tung von Böden ist daher aus Sicht des Bodenschutzes eine besondere Bedeutung zuzuschreiben.Demgegenüber hat sich der Zustand der Gewässer hinsichtlich der chemischen Be- schaffenheit weiter verbessert. Der Schwerpunkt der Maßnahmen in diesem Bereich richtet sich auf eine weitergehende Reduzierung der Nährstoffeinträge aus der Fläche, vor allem also aus der Landwirtschaft - auch um im Einklang mit den Zielen der EU- Wasserrahmenrichtlinie - eine naturnahe ökologische Beschaffenheit aller Gewässer bis 2015 zu erreichen.Auf dem Gebiet des Naturschutzes wird ein Rückgang der Vielfalt von Arten und Le- bensräumen konstatiert, wie wir bereits bei der Diskussion um die Biodiversität Ende 2001 in diesem Haus diskutierten. So gibt es nach Erfolgen beispielsweise beim See- adler- und Kranichschutz erhebliche Probleme bei Charakterarten der Agrarlandschaft wie Rebhuhn oder Laubfrosch. Über den Stellenwert des Naturschutzes und neue Konzepte haben wir in den letzten Monaten häufiger gestritten, zuletzt gestern bei der Neufassung unseres vorbildlichen Naturschutzgesetzes. -5-Die Abfallverwertung in unserem Land wurde in den letzten Jahren stetig gesteigert. Die Potenziale sind weitgehend ausgeschöpft, und es wird künftig darum gehen, die Nutzung der im Abfall enthaltenen Rohstoffe weiter gezielt zu verbessern und die Hochwertigkeit und Schadlosigkeit der Verwertung sicherzustellen. Vorrangig aber müssen Abfallvermeidung und Ressourcenschonung in die Produktverantwortung ü- bernommen werden, wie ich dies bereits seit 1990 in diesem Hause mehrfach gefor- dert habe. Dazu gehört auch eine Rücknahmeverpflichtung, wenn eine Verwertung nicht möglich ist. Trotz der Stilllegung nicht EU-konformer Deponien besteht im Land kein Entsorgungsengpass. Die zuständigen Gebietskörperschaften arbeiten inzwi- schen größtenteils in Kooperationen, die im norddeutschen Verbund weiter verbessert werden können.Dauerhafte Lärmbelastung macht krank, dauerhafte Erschütterungen durch Verkehr und Maschinen tragen ebenfalls zu Erkrankungen bei. Der Schwerlastverkehr auf un- seren Straßen und Autobahnen steigt stetig an und damit die Belastung von Mensch und Natur. Auch wenn die Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie der EU in deut- sches Recht ansteht, müssen wir weiter an der Verlagerung des Schwerlastverkehrs auf Schiene und Schiff arbeiten. Maßnahmen des aktiven und passiven Lärmschutzes müssen von den Verursachern finanziert werden. Dazu sollte z.B. die Maut für LKW verwendet werden.Auch die Belastungen durch Schadstoffe aus Baumaterialien, Möbeln und Einrich- tungsgegenständen wachsen trotz verschärfter Grenzwerte in vielen Bereichen weiter. Die gilt auch für die Belastungen durch elektrische und elektromagnetische Felder. Hier gibt es heftigen Streit innerhalb der Wissenschaft und noch viel zu wenig Er- kenntnisse. Und ich wiederhole: Nicht nur hier gilt, dass Belastungen verschiedener Art und durch unterschiedliche Quellen sich summieren oder potenzieren. Dieses Zu- sammenwirken muss unbedingt in den Mittelpunkt der Erforschung umweltbedingter Erkrankungen gestellt werden. -6-Fazit des Berichts ist im wesentlichen eine Verbesserung bei den meisten Umweltme- dien bei gleichzeitiger Zunahme der Probleme in einzelnen Felder, es bleiben der Ver- kehr und Landwirtschaft als Hauptquelle bestehender Belastungen und zum Teil irre- versibler Schädigungen.Durch die Gliederung des Berichtes - und diese ist natürlich auf die rein sektorale, rein lineare Fragestellung der CDU zurückzuführen - wird der so wichtigen Frage der Ver- lagerung von Schadstoffen von einem auf andere Umweltmedien nicht genügend Platz eingeräumt. Und dies, obwohl besonders virulente Umweltprobleme - wie der Stick- stoffeintrag in Gewässer - häufig ihren Ausgang im Bereich der Land- und Bodenbe- wirtschaftung (Stichwort Düngemethoden) nehmen. Eine Weiterentwicklung des Syn- dromansatzes - wie er etwa vom Wissenschaftlichen Beirat Globale Umweltverände- rungen entwickelt wurde - könnte hier stärker nach vorne weisen, indem zentrale Ver- netzungen von ökologischen Veränderungen mit sozial- und landwirtschaftlichen Ursa- chenerklärungen aufgezeigt würden.So könnte der Bericht stärker auf die Ursachen eingehen, warum der Landwirt weiter- hin düngt wie er düngt. Nachhaltig wäre auch eine Fragestellung, die aufzeigt, wie das Selbstverständnis der Bauern von ihrer Rolle als Produzenten abhängt. Denn die mentalen Blockaden des Übergangs zum Selbstbild eines zukunftszugewandten Land- und Energiewirts, der gleichzeitig als eine Art Landschaftsanwalt fungiert, sind mittlerweile wirksamer als ökonomische Gründe.Für die weitere Arbeit wünsche ich mir für alle Umweltmedien und -problemfelder ganz konkrete Zielvorgaben, wie wir sie z.B. für den Waldanteil in unserem Land oder die maximale Ozonbelastung haben, Zielvorgaben und klare Vorgaben, wie diese Ziele zu erreichen sind. Die vorliegenden Programme für viele Felder der Umweltpolitik müssen unter dem Aspekt der Vernetzung und gegenseitigen Beeinflussung der Bereiche - und auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsstrategie für Schleswig-Holstein - fortgeschrie- ben und weiter umgesetzt werden. Dazu ist der im Internet veröffentlichte Umweltbe- richt ein weiterer Meilenstein. Diese neue Transparenz von Umweltdaten ist eine Er- -7-rungenschaft, die wir vehement auch gegen kleinkarierte Töne - wie wir sie häufig aus der rechten Seite dieses neuen transparenten Plenarsaales hören - verteidigen und ausbauen werden.Natürlich können auch Berichte und Debatten wie die heutige dazu führen, dass sich mehr Abgeordnete und Bürgerinnen und Bürger mit dem Zustand unserer Umwelt und der Zukunftsfähigkeit unseres Landes beschäftigen. Darauf freue ich mich, genau wie auf die weitere - abschließende - Beratung des Berichts im Umweltausschuss.