Das Folterverbot ist absolut
Südschleswigscher Wählerverband Schleswig-Holsteinischer Landtag im Schleswig-Holsteinischen Landtag Düsternbrooker Weg 70 D - 24105 Kiel Tel. (0431) 988 13 80 Fax (0431) 988 13 82PRESSEINFORMATION SSW-Landtagsvertretung Norderstr. 74 D – 24939 Flensburg Tel. (0461) 14 40 83 00 Fax (0461) 14 40 83 05 Kiel, den 2.04.2003 Silke Hinrichsen Es gilt das gesprochene Wort„Der Staat darf sich nicht das Recht herausnehmen, die Menschenrechts- verletzung durch Folter gegen das Leben eines Menschen aufzurechnen.Der Gesetzgeber kann nicht in die Strafprozessordnung schreiben, dass ein ge- brochener Finger noch in Ordnung geht, aber ein Schädelbruch nicht mehr.“TOP 18 Folterverbot bei polizeilichen Vernehmungen (Drs. 15/2570)Es ist schon absurd: Nahezu alle Menschen in Deutschland sind sich darüber einig, dass Sad- dam Hussein weg muss, da sein brutales Regime im Irak Menschen verfolgt und foltert. Die Mehrheit in Deutschland meint auch, dass die Türkei nicht in die EU aufgenommen werden darf, so lange dort die Menschenrechte nicht eingehalten werden. – Und die Mehrheit in Deutschland findet, dass ein bisschen Folter in Deutschland ganz o.k. wäre.Dabei ist Folter immer eine Verletzung der Menschenrechte. Es gehört zu den grundlegen- dendsten Werten des modernen Europa, dass Folter unter keinen Umständen gerechtfertigt ist. Das gilt auch für Fälle, in denen diese Misshandlung möglicherweise geeignet wäre, das Le- ben Dritter zu retten. Wenn man Einzelfälle sieht, wie den Fall des kleinen Jacob von Metzler, fällt es manchem schwer, das zu akzeptieren. Der Staat darf sich aber nicht das Recht heraus- nehmen, eine Menschenrechtsverletzung durch Folter gegen das Leben eines anderen Men- schen aufzurechnen. Denn bei Folter geht es nicht nur um die körperliche Unversehrtheit ei- nes Menschen. Es geht darum durch Misshandlung seinen Willen zu brechen, und das ist mit das schlimmste, was man einem Menschen antun kann. Folter verletzt die Menschenwürde, deshalb gilt das Verbot der Folter auch ohne Einschränkungen. www.ssw-sh.de - info@ssw-sh.de Es ist nicht legitim hier verschiedene Rechtsgüter gegeneinander aufzuwägen. Welche absur- den Konsequenzen es hätte, wenn man es doch tun würde, zeigt schon ein einfaches Beispiel: Viele Menschen würden vermutlich sagen, dass ein überdehntes Handgelenk oder ein gebro- chener Finger bei einem Verhör nicht so schlimm ist, wie der Tod eines Menschen. Aber was tun, wenn dann der vermeintliche Täter immer noch nicht aussagt? Will man dann weiterhin abwägen? Ist eine Hand auch weniger Wert als ein Menschenleben? Ein Arm? Oder vielleicht ein Auge? Wo ist Schluss, wann hört die Verhältnismäßigkeit der Mittel auf? Dann, wenn am Ende ein Menschenleben gegen ein Menschenleben steht? Die Rechtsgüterabwägung in sol- chen Fällen ist eine absurde Denkweise, die der Staat unter keinen Umständen beginnen darf. Der Gesetzgeber kann nicht in die Strafprozessordnung schreiben, dass ein gebrochener Fin- ger noch in Ordnung geht, aber ein Schädelbruch nicht mehr.Unter sehr engen Bedingungen erlaubt das Strafrecht die Verletzung von Rechtsgütern, wenn ein Notstand vorliegt. In Verbindung mit den Terroranschlägen des 11. Septembers ist zum Beispiel diskutiert worden, ob man ein entführtes Flugzeug abschießen darf, das ein Haus zu attackieren droht. In diesem Fall kann ein Notstand im nachhinein die Entscheidung legitimie- ren. Diese letzte Tür gibt es – und die muss es auch geben. Das zeigt schon das ungleich harmlosere Beispiel der Hamburger Flutkatastrophe, wo der damalige regierende Bürgermei- ster Helmuth Schmidt eigenmächtig die Bundeswehr hinzuzog und so unzählige Menschenle- ben rettete. Die Begründung „Notstand“ kann und darf aber nicht für Folter gelten, denn das Folterverbot ist absolut und entzieht sich einer Abwägung der Rechtsgüter.Es gibt noch einen Grund, weshalb es falsch ist, das Foltern zu gestatten: Bis heute gilt in un- serem Rechtssystem die Unschuldsvermutung. Kein Polizist der Welt darf mich schuldig nen- nen, bevor ich nicht gestanden habe oder ein Richter in einem Gerichtsverfahren darüber be- funden hat. Das gehört auch zu den Menschenrechten. Wenn die Polizei sich dafür entschei- det, den Folterknecht zu holen, um eine Aussage zu erzwingen – weil Beamte mich für schul- dig halten und weil sie meinen, dass es um Leben und Tod geht – dann kommt dieses einer Vorverurteilung gleich. Alle Menschen in Deutschland, die dafür waren, den Mörder des kleinen Jacob zu foltern, sollten sich eines klar machen: Wenn der Staat Folter zulassen wür- de, dann könnten auch unschuldige Menschen gefoltert werden, wenn Polizisten sie für schul- dig halten. Das kann alle Menschen in diesem Land betreffen und das wollen wir nicht. So hart es klingt: Unsere Menschenrechte dürfen nicht geopfert werden, um im Einzelfall durch staatliche Folter Menschenleben zu retten oder Terror zu verhindern. Dann würden nämlich die Freiheit und die Rechtsstaatlichkeit – die wir ja gerade mit den Menschenrechten verteidi- gen wollen – gegen einen Polizeistaat eingetauscht. www.ssw-sh.de - info@ssw-sh.de