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03.04.03
15:40 Uhr
CDU

Jost de Jager: Hochschulen brauchen Modernitätsschub

Nr. 152/03 03. April 2003


IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG PARLAMENTARISCHER GESCHÄFTSFÜHRER Heinz Maurus Landeshaus, 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de



Bildungspolitik TOP 42 Jost de Jager: Hochschulen brauchen Modernitätsschub
Zunächst möchte ich mich bei den Mitgliedern der Expertenkommission und bei deren Vorsitzenden, Herrn Prof. Erichsen, für die vorgelegten Empfehlungen zur Entwicklung der Hochschulen in Schleswig-Holstein bedanken. Ich glaube, dass selten ein so systematischer Überblick über die Hochschullandschaft in Schleswig- Holstein vorgelegen hat und bislang noch nie Änderungsvorschläge in einer so umfassenden und aufeinander abgestimmten Form gemacht worden sind.
Ich möchte den Dank allerdings ausdrücklich auf die Rektoren der Hochschulen in Schleswig-Holstein erweitern, die schließlich zu Beginn vergangenen Jahres die Initiative ergriffen haben, eine solche Kommission einzurichten. Erst in letzter Minute, daran möchte ich erinnern, ist die Landesregierung auf den Zug aufgesprungen. Die Kommission sollte das leisten, was die Landesregierung seit 1991 verschleppt: Die Fortschreibung des Landeshochschulplanes, einen Masterplan für die Weiterentwicklung der Hochschulen, vorzulegen. Dieser Masterplan ist nun von Prof. Erichsen vorgelegt worden und dafür sind wir ihm dankbar.
Was ist nun das Ergebnis:
Eine Landesregierung, die so sehr in das Mittel der externen Evaluation verliebt ist, sah nun auf einmal ihre eigene Hochschulpolitik einer externen Evaluation ausgesetzt. Und die Diagnose: Schleswig-Holsteins Hochschulen sind in dramatischer Weise unterfinanziert und in der Hochschulstrukturentwicklung fehlte eine landesweite Steuerung. Eine traurige Bilanz nach 15 Jahren SPD- Verantwortung für die Hochschulen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang nur eine Zahl nennen. Ohne die Medizin gerechnet, gibt das Land Schleswig-Holstein 88 Euro pro Einwohner für die Hochschulen aus. Das ist 1/3 dessen, was unser Nachbar Hamburg für seine Hochschulen ausgibt, nämlich 242 Euro pro Einwohner. Hinsichtlich der vielfach beschworenen Zusammenarbeit zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg kann ich derzeit nicht erkennen, dass wir in eine solche Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe gehen.
Hinzu kommt, dass die Landesregierung es nicht geschafft hat, die Hochschulpolitik den tatsächlichen finanziellen Gegebenheiten anzupassen. „Die schleswig- holsteinische Hochschullandschaft ist das Ergebnis einer auf Ausbau und regionaler Verteidigung gerichteten Politik,“ schreibt die Kommission ihn ihren Empfehlungen und das korreliert nicht mit dem Finanzrahmen.
Damit wird der Hochschulpolitik des Landes ein weiteres Mal ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Denn im vergangenen Jahr hat bereits der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft festgestellt, dass das schleswig-holsteinische Hochschulgesetz im bundesweiten Vergleich eines der rückständigsten und restrektivsten der Republik ist.
Deshalb lautet unsere Forderung: Wir dürfen die Diskussion in den kommenden Wochen und Monaten nicht allein auf die Verschiebung von Studiengängen reduzieren, sondern wir müssen sie zu einem umfassenden Modernitätsschub für die äußere und innere Entwicklung unserer Hochschulen nutzen. Deshalb brauchen wir nicht nur eine Änderung des Landeshochschulplanes sondern wir brauchen auch eine Änderung des Hochschulgesetzes.
Wir glauben, dass die Empfehlungen der Erichsenkommission dazu eine hervorragende Grundlage bilden. Wir sehen in den Vorschlägen gute Ansätze zu einer Profilbildung der Hochschulen und der einzelnen Standorte.
Wir fordern die Landesregierung auf, sehr schnell einen neuen Landeshochschulplan vorzulegen. Wir sind bereit, konstruktiv mitzuarbeiten, wenn es dadurch zu einer echten Verbesserung kommt.
Natürlich wird es bei der weiteren Diskussion um die Empfehlungen der Erichsen- Kommission, das ist schon jetzt der Presse zu entnehmen, auch um regionale Ansprüche gehen. Ich hoffe, dass es uns aber gelingen wird, die weiteren Erörterungen in erster Linie nach sachbezogenen Überlegungen zu führen unter der Fragestellung, was für eine Hochschullandschaft in Schleswig-Holstein am besten ist und was der Weiterentwicklung der Kompetenzbereiche dient. Wir werden uns als CDU-Fraktion von der Frage leiten lassen: Ist es sinnvoll, was vorgeschlagen wird und ist es das, was wir als Union auch hochschulpolitisch wollen.
Ein Punkt, zu dem wir noch keine abschließende Meinung haben, ist der Vorschlag, die Lehramtstudiengänge bis auf das Gymnasium und die Diplomhandelslehrer in Flensburg zu konzentrieren. Dabei sind die Auswirkungen sowohl auf den Charakter der Universität Flensburg als auch auf die Struktur der Universität Kiel zu prüfen. Niemand weiß, ob die Studierenden einer solchen Standortentscheidung folgen würden. Wir wissen allerdings, dass die Stadt Flensburg sich mehr versprochen hat. Aber: Eine Konzentration der Lehramtsstudiengänge würde der Uni eine klare Entwicklungsperspektive geben, die sie jetzt nicht hat.
Ebenso ist noch offen, ob wir einer Umwandlung der Lehramtstudiengänge in Bachelor- und Master-Studiengänge tatsächlich zustimmen können, weil man auch dort die Weiterungen beachten muss. Ich kann Ihnen zusagen, dass wir dieses Modell ergebnisoffen prüfen werden. Bei der Auswertung der Kommissionsvorschläge ist hochschulpolitisch zu klären, ob wir die Profile der Hochschularten angleichen wollen, oder ob wir sie nicht vielmehr schärfen wollen. Aus diesem Grund ist zu überlegen, ob die Wirtschaftswissenschaftler von der Uni Flensburg tatsächlich an die Fachhochschule Flensburg gehen sollen oder ob sie nicht lieber an der Universität Kiel zu einer weiteren Verstärkung des Potenzials für einen Sonderforschungsbereich besser eingesetzt werden könnten.
Unter dem Thema „Abgrenzung der einzelnen Hochschulprofile untereinander“ ist ebenfalls die vorgesehene Verlagerung des Fachbereichs Landbau von Osterrönfeld an den Campus der Universität Kiel mit der Option, nach fünf Jahren zu einer Fusion beider Fachbereiche zu einer Fakultät auf Universitätsbasis, zu sehen. Denn bei allen Vorteilen einer Konzentration der Ressourcen der Agrarfakultät in Kiel, ist zu berücksichtigen, dass etwa die Hälfte der Studierenden am Fachbereich Landbau diesen Weg nicht mitgehen können. Es gehört zu dem Spezifikum des Fachbereichs in Osterrönfeld, dass 50 % der Studierenden dort zwar die Fachhochschulreife haben, aber nicht das Abitur und somit für ein Studium an der CAU nicht in Frage kommen. Das klare und von der Expertenkommission gelobte Profil des Fachbereichs liegt in seiner praxisnahen Ausbildung von Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern. Dieses Profil aufzugeben, ist ein Risiko.
Zu einer Bewertung der Expertenempfehlung gehört auch die Feststellung, dass die Frage der Hochschulmedizin in Schleswig-Holstein nicht abschließend gelöst ist. Die Analyse der Experten ist richtig und sie ist noch einmal eindrucksvoll in ihrer Darstellung, dass nämlich bei einer strukturellen Unterfinanzierung der Hochschulen ausgerechnet der Anteil der Hochschulmedizin überproportional hoch ist. Zu Recht schreibt die Kommission: „Damit werden die hohen Ausgaben für die Hochschulmedizin und die darin enthaltenen Mittel zur „Subventionierung“ der Krankenversorgung zu den zentralen Problemen der Hochschulfinanzierung in Schleswig-Holstein.“ Ich glaube allerdings, dass der Vorschlag an beiden Standorten liniar 25 % der Studienplätze zu kürzen, die Diskussion um die künftige Struktur der Hochschulmedizin mit zwei Fakultäten nicht beenden wird. Beide Fakultäten werden dadurch so klein, dass sie weiterem Druck ausgesetzt seinen werden. Die weitere Entwicklung wird zeigen, ob dieser Teil der Expertenempfehlung dauerhaft belastbar ist.
Durch die Empfehlung werden im Bereich der Hochschulmedizin zwischen 130 und 150 Stellen eingespart. Insgesamt werden durch die Strukturveränderung max. 260 Stellen erwirtschaftet. Das ist für die betroffenen Fachbereiche ein tiefer Einschnitt. Landesweit gesehen, schaffen diese max. 260 Stellen aber nicht die Spielräume, die die Hochschulen brauchen, um tatsächlich an Substanz und Wettbewerbsfähigkeit wieder zu gewinnen. Zum Vergleich: Das Strukturkonzept der CAU vor zwei Jahren allein hat schon 220 Stellen gebracht. Bei aller Profilbildung lösen die Vorschläge der Erichsen-Kommission die Finanzkrise der Hochschulen nicht. Es führt kein Weg daran vorbei, dass mehr Geld aus dem Landesetat her muss, wenn man die Hochschulen wieder auf die Basis stellen will, die sie für den internationalen Wettbewerb brauchen.
Denn die Erichsenvorschläge können nur innerhalb der nächsten Jahre umgesetzt werden. Die Geldnot drückt die Hochschulen schon jetzt. Die Kommission hat errechnet, dass an den Hochschulen des Landes im Schnitt die Stellenpläne nur zu 87 % ausfinanziert sind. Die Übernahme der Tarifsteigerung und die Ausfinanzierung der Stellenpläne ist allerdings Grundvoraussetzung für den 5-Jahres- Stabilitätsvertrag den die Kommission vorschlägt und den der neue Finanzminister bereit ist, mit den Hochschulen abzuschließen.
Ich fordere Sie deshalb auf, Herr Stegner, legen Sie uns und legen Sie den Hochschulen einen Stufenplan vor, wie sie innerhalb dieser fünf Jahre zu einer Ausfinanzierung der Stellenpläne kommen wollen. Denn eine solide Grundsicherung ist die Grundvoraussetzung für einen solchen Stabilitätspakt. Alles andere ist eine Fortschreibung der Misere auf bisherigem Niveau und wird zu einer Verbesserung der Situation nicht führen.
Dazu werden die 2,5 Mio. Euro nicht ausreichen, die Sie im Nachtragshaushalt vorgesehen haben, die reichen nicht einmal für die Tarifsteigerung aus. Nach der Erichsen-Kommission ist auch für die Landesregierung der Tag der Wahrheit gekommen. Sie müssen zeigen, wie ernst es Ihnen tatsächlich mit den Hochschulen in Schleswig-Holstein ist.
Im Zusammenhang mit der Finanzierung der Hochschulen begrüßen wir den Vorschlag der Erichsen-Kommission, in die leistungsorientierte Bezuschussung der Hochschulen im Lande einzusteigen. Wir unterstützen die Empfehlung, einen Innovationsfonds, ausgestattet mit 5 Mio. Euro pro Jahr, einzuführen, dessen Geld nach Wettbewerbsgesichtspunkten vergeben werden soll. Wir sehen mit dieser Empfehlung unsere Politik bestätigt. Die CDU-Fraktion hat bereits in den vergangen zwei Jahren die Einrichtung eines, wie wir ihn genannt haben, High-Potential-Pools mit eben diesen 5 Mio. Euro in unseren Haushaltsanträgen beantragt, um Maßnahmen der Profilbildung zu ermöglichen. Bislang ist dieser Vorschlag von Rot und Grün abgelehnt worden. Wir hoffen, dass das nun künftig anders wird.
Ebenso bestätigt sehen wir uns in der Empfehlung einen Hochschulrat einzuführen, der u.a. die Mittelvergabe aus dem Innovationsfonds begleiten und Richtlinien für die Entwicklung der Hochschulen geben soll. Auch dies ist eine alte Forderung von uns, die wir einmal mit dem vielleicht nicht sehr glücklichem Begriff „Landeswissenschaftsrat“ belegt haben und der sich in den Haushaltsanträgen von uns als „Board of Excellence“ wiedergefunden hat. Wir glauben, dass damit ein ganz wesentliches neues Element in die schleswig-holsteinische Hochschulpolitik eingeführt wird, nämlich ein landesweites Steuerungsinstrument für die Hochschulentwicklung an den Einzelstandorten. Wir brauchen eine Hochschulpolitik aus einem Guss. Wir dürfen Hochschulstrukturentwicklung in Schleswig-Holstein künftig nicht mehr vom einzelnen Standort ausdenken, sondern von einer landesweiten Profilbildung und Ressourcenverteilung. Nach unseren Vorstellungen soll sich die Hochschulentwicklung künftig vor allem an landesweiten Koordinaten orientieren, und nicht mehr an den einzelnen Standorten. Sie muss sich nach dem richten, was wir inhaltlich wollen und welche Schwerpunkte in der Wissenschaft, in der Forschung und in der Lehre gesetzt werden sollen. Dafür kann der Hochschulrat ein richtiges Instrument sein. Wir glauben allerdings, dass er noch mehr Zähne bekommen muss. Allein die Mittelvergabe durch den Innovationsfonds und allein die Empfehlung für die Hochschulentwicklung reichen nicht aus. Wir werden im künftigen Verfahren zu prüfen haben, wie man ihm zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten geben kann. Es empfiehlt sich der Blick nach Hamburg, wo die Hochschulräte eine enorme Kompetenz bekommen.
Wir glauben, dass der Kompetenzzuwachs des Hochschulrates einhergehen muss mit mehr Entscheidungsfreiheit der einzelnen Hochschulen. Und deshalb ist es wichtig, dass wir in den kommenden Wochen und Monaten es mit der Hochschulautonomie in Schleswig-Holstein ernst meinen. Wir wollen die Hochschulen vom Gängelband des Ministeriums befreien. Wir wollen ihnen die Zuständigkeit übertragen, für die Berufung von Professoren und für die Genehmigung von Studien- und Prüfungsordnungen ohne, dass es noch einer Zustimmung oder Kenntnisnahme der Ministeriumsverwaltung bedarf.
Wir wollen Ihnen die Arbeitgeberfunktion und Dienstherreneigenschaft übertragen.
Ich kenne die Bedenken gegen mehr Entscheidungsspielräume für die Hochschulen und ich kenne die Argumente für eine weitere Lenkung durch den Staat. Nur seien wir ehrlich miteinander: Die Kommission hat ja nun gerade dokumentiert, dass die Lenkung durch den Staat die Hochschulen in die Situation geführt hat, in der sie jetzt stecken. Deshalb sollten wir es mit Mut versuchen, mit Mut für mehr Eigenverantwortung der Hochschulen und mit dem Mut, dem externen Sachverstand im Hochschulrat das zuzutrauen, was die Politik bisher nicht vermocht hat.